Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts

Berlin, den 13.08.2020. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts vorgelegt hat. Die Umsetzung der DSM-Richtlinie ist – fernab der polarisierten politischen Diskussion – rechtstechnisch komplex und die frühzeitige Beteiligung aller Interessenträger damit grundsätzlich begrüßenswert. Dennoch gibt der Deutsche Kulturrat zu bedenken, dass das BMJV mit dem Zwischenschritt des Diskussionsentwurfs erneut einen Vorschlag öffentlich auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene zur Diskussion stellt, der die Ressortabstimmung nicht durchlaufen hat. Der Deutsche Kulturrat bedauert zugleich, dass das Gesetzgebungsverfahren für ein Erstes Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts bereits seit Monaten nicht fortgesetzt wird. Mit diesem Entwurf sollten bestimmte Regelungsgegenstände, wie insbesondere die Verlegerbeteiligung an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen, beschleunigt umgesetzt werden. Der Deutsche Kulturrat bittet die Bundesregierung deshalb, das Gesetzgebungsverfahren für dieses erste Umsetzungsgesetz nunmehr mit Nachdruck weiter zu betreiben.

 

Der Deutsche Kulturrat bündelt mit der vorliegenden Stellungnahme zum Entwurf des zweiten Umsetzungsgesetzes die gemeinsamen Positionen seiner Mitglieder. Zu seinen Mitgliedern gehören Verbände aus verschiedenen künstlerischen Sparten (Musik, darstellende Künste, Literatur, bildende Kunst, Baukultur und Denkmalpflege, Design, Film, Rundfunk und audiovisuelle Medien sowie Soziokultur und kulturelle Bildung). Das Mitgliederspektrum umfasst dabei sowohl Verbände der Urheber und ausübenden Künstler als auch Verwerterverbände sowie Zusammenschlüsse von Bildungs- und Kulturinstitutionen.

 

Am 11.09.2019 hat der Deutsche Kulturrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Umsetzung der „EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt“ Stellung genommen. Weiter hat der Deutsche Kulturrat zum „Entwurf eines ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“ Position bezogen. Auf beide Stellungnahmen wird ergänzend verwiesen.

 

I. Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz

 

Der Deutsche Kulturrat hält den regulatorischen Ansatz, ein neues Gesetz zur Umsetzung von Art. 17 DSM-Richtlinie zu schaffen, grundsätzlich für möglich. Rechtlich bedenklich ist aber das damit verfolgte inhaltliche Konzept. Es ist sehr fraglich, ob mit Art. 17 DSM-Richtlinie ein neues – eigenständiges – Recht der öffentlichen Wiedergabe für urheberrechtlich geschützte Werke, die von Nutzern der Dienste auf Plattformen hochgeladen werden, geschaffen wurde. Vielmehr geht es nach hiesiger Einschätzung weiterhin um das – ausschließliche – Recht der öffentlichen Wiedergabe i.S. d. Art. 3 InfoSoc-Richtlinie; neu begründet wurde durch Art. 17 DSM-Richtlinie lediglich ein spezielles Haftungsregime für Diensteanbieter, die unter die Definition des Art. 2 Abs. 6 DSM-Richtlinie fallen und die nun unter bestimmten Voraussetzungen für eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe durch die Nutzer des Dienstes selbst haften. Der Deutsche Kulturrat hält es deshalb für problematisch, dass im Rahmen des vorgeschlagenen neuen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes (UrhDaG) die Vorgaben der InfoSoc-Richtlinie offenbar keine Anwendung finden sollen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die – in der InfoSoc-Richtlinie nicht vorgesehene – Schrankenregelung nach § 6 UrhDaG-E. Weder die Protokollerklärung der Bundesregierung noch „Forderungen im politischen Raum“ (vgl. S. 35 der Begründung) können insoweit als tragfähige rechtliche Begründung herangezogen werden.

 

Im Übrigen äußert sich der Deutsche Kulturrat zu einzelnen Vorschriften des UrhDaG wie folgt:

 

§ 2 UrhDaG-E Diensteanbieter

 

Grundsätzlich begrüßt der Deutsche Kulturrat den Ansatz, in Bezug auf die Verpflichtungen der Diensteanbieter klare Regelungen zu schaffen. Die Kategorie der „kleinen Diensteanbieter“ nach § 2 Abs. 3 UrhDaG ist in der DSM-Richtlinie allerdings nicht vorgesehen. Nach hiesiger Einschätzung rechtfertigt es der in Art. 17 Abs. 5 DSM-Richtlinie erwähnte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht, generelle Haftungsprivilegien für bestimmte Gruppen von Unternehmen einzuführen. Explizite Sonderregelungen für Diensteanbieter bestehen lediglich nach Art. 17 Abs. 6 DSM-Richtlinie; hierauf sollte die Umsetzung beschränkt werden.

 

§ 3 UrhDaG-E Nicht erfasste Dienste

 

Der Gesetzentwurf übernimmt in Bezug auf nicht erfasste Dienste weitgehend den Wortlaut des Art. 2 Nr. 6 UA 2 DSM-Richtlinie; das ist zu begrüßen. Problematisch ist allerdings, dass es sich insoweit lediglich um Regelbeispiele handeln soll; ein solcher Ansatz sollte aus Gründen der Rechtssicherheit möglichst vermieden werden.

 

§ 4 UrhDaG-E Vertragliche Nutzungsrechte

 

Der Entwurf sieht vor, dass nur bestimmte Angebote von Nutzungsrechten von den Diensteanbietern beachtet werden müssen. § 4 Abs. 1 UrhDaG dürfte die Vorgaben der DSM-Richtlinie insofern nicht richtlinienkonform umsetzen. Diese sieht eine mögliche Eigenhaftung der Dienstanbieter unabhängig davon vor, ob Rechteinhaber zuvor Lizenzangebote unterbreitet haben. Hier geht der Entwurf unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erneut – zu Gunsten der Dienstanbieter deutlich über das hinaus, was in der DSM-Richtlinie angelegt ist. Auch wenn es durchaus sinnvoll sein kann, dass Nutzungsrechte für bestimmte Werkkategorien oder geschützte Leistungen von Verwertungsgesellschaften in Bezug auf die Diensteanbieter wahrgenommen werden, so sollte es doch auch möglich sein, dass individuelle Rechtsinhaber unmittelbar relevante Angebote machen können, die von den Dienstanbietern zu beachten sind. Der Entwurf sieht dies nur vor, wenn die Nutzungsrechte sich auf ein repräsentatives Repertoire beziehen und darüber hinaus die Nutzung „zu angemessenen Bedingungen“ ermöglichen; diese Kriterien, die überdies unbestimmt sind, dürften aber von individuellen Rechtsinhabern nur ausnahmsweise erfüllt werden.

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