Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts

§ 5 UrhDaG-E Maschinell nicht überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen

 

Art. 17 Abs. 7 UA 2 DSM-Richtlinie gibt zwingend vor, dass die dort genannten Schrankenregelungen einzuführen sind. Dessen ungeachtet ist hier – wie auch bei § 51 UrhG-E – sehr problematisch, dass der Umfang der erlaubten Nutzungen unklar bleibt. Das gilt vor allem für die neue „Pastiche“-Schranke, die ausweislich der Begründung weitreichende Nutzungsmöglichkeiten zulässt. Es kommt hinzu, dass insoweit keinerlei Vergütung vorgesehen ist. Auf die weiteren Ausführungen zu § 51 UrhG-E (vgl. unten) wird verwiesen. Klargestellt werden sollte im Normtext, dass nur veröffentlichte urheberrechtlich geschützte Werke genutzt werden dürfen. Ferner ist klarzustellen, dass es sich bei dem Verweis nach § 5 Nr. 3 UrhDaG-E auf die gesetzlichen Schrankenregelungen nach Teil 1 Abschnitt 6 UrhG um eine Rechtsgrundverweisung (auch in Bezug auf die Vergütungsansprüche) und nicht etwa um eine Rechtsfolgenverweisung handelt.

 

§ 6 UrhDaG-E Maschinell überprüfbare gesetzlich erlaubte Nutzungen

 

Der Deutsche Kulturrat hält den Vorschlag für eine neue „Bagatellschranke“ für europarechtlich sehr zweifelhaft. Er dürfte überdies in der jetzigen Form in Widerspruch zu den Verpflichtungen Deutschlands durch internationale Verträge wie das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums („TRIPS“), der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) und des WIPO Copyright Treaty (WCT) stehen. Zwar ist zu begrüßen, dass bei dieser Schrankenregelung ein gesetzlicher Vergütungsanspruch vorgesehen ist. Problematisch ist aber, dass der abschließende Katalog der InfoSoc-Richtlinie eine solche Schranke nicht kennt (vgl. Erwägungsgrund 32 InfoSoc-Richtlinie). Für die allgemeine Auslegung der Schranken bleiben jedoch Art. 5 Abs. 3, 5 InfoSoc-Richtlinie einschlägig (vgl. Art. 25 DSM-Richtlinie). Art. 1 Abs. 2 DSM-Richtlinie ordnet insofern ausdrücklich an, dass die Info-Soc-Richtlinie „in keiner Weise“ beeinträchtigt wird. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Annahme eines sui generis Recht nicht überzeugend, weil es bei der Nutzung der Werke auf Plattformen (weiterhin) um das Recht der öffentlichen Wiedergabe i. S. d. InfoSoc-Richtlinie geht. Es kommt hinzu, dass der erlaubte Nutzungsumfang sehr weitgehend ist und den Primärmarkt – entgegen der Begründung (vgl. S. 88) – durchaus beeinträchtigen kann. So sind bspw. viele Gedichte, aber auch Presseartikel, kürzer als 1000 Zeichen; auch können 1000 Zeichens eines Nachschlagewerks oder Bildungsmediums oder 20 Sekunden eines Filmwerkes oder eines Sportereignisses (z.B. eines Fußballspieles) die entscheidende Sequenz ausmachen. Gleiches gilt für Musik; bei Lichtbildern oder Grafiken können nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 UrhDaG-E sogar ganze Werke in einer Datenqualität genutzt werden, die auch bei lizenzierten Inhalten nicht unüblich ist und nicht hinter dem heutigen Standard für Bild-Nutzungen in Social Media zurückbleibt. Schließlich ist im Hinblick auf den Umfang der Nutzung nicht ersichtlich, worauf sich die Beschränkung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 UrhDAG-E „je eines/je einer“ bezieht.

 

§ 7 UrhDaG-E Direktvergütungsanspruch für vertragliche Nutzungen, angemessene Vergütung gesetzlich erlaubter Nutzungen

 

Die Mitglieder des Deutschen Kulturrats vertreten im Hinblick auf den in § 7 UrhDaG-E vorgeschlagenen Direktvergütungsanspruch unterschiedliche Positionen; insoweit wird deshalb von einer Stellungnahme abgesehen.

 

§ 8 UrhDaG-E Kennzeichnung erlaubter Nutzungen

 

Grundsätzlich ist gegen den Ansatz des „Pre-Flagging“ nach § 8 UrhDaG-E wenig einzuwenden. Problematisch ist aber, dass die Kennzeichnung nach § 8 Abs. 2 UrhDaG-E, soweit sie nicht offensichtlich unzutreffend ist, dazu führt, dass bis zu einer Entscheidung über eine etwaige Beschwerde der jeweilige Inhalt auf der Plattform verbleibt und diese – sowie nach § 8 UrhDaG-E auch der Nutzer des Dienstes – nach § 16 UrhDaG-E nicht haftet. Es kommt hinzu, dass in diesen Fällen vielfach auch keine Vergütung seitens der Diensteanbieter gezahlt werden wird. Kommt es zu keiner Beschwerde, so besteht damit für Plattform und deren Nutzer keinerlei Risiko, selbst wenn die Voraussetzungen für die Kennzeichnung nicht vorliegen. Es obliegt demnach nicht den Nutzern der Dienste, für eine Falscheinschätzung in Bezug auf die Zulässigkeit der Nutzung einzustehen, vielmehr muss der Urheber oder sonstige Rechtsinhaber bis zu einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren die (unzulässige) Nutzung hinnehmen. Die Feststellung, dass eine Kennzeichnung offensichtlich unzutreffend i. S. d. § 12 UrhDaG-E ist, dürfte dabei in vielen Fällen nur schwer möglich sein und deshalb häufig nicht zu einer Sperrung und Entfernung des fremden Inhalts führen.

 

II. Änderungen des UrhG

 

§§ 20b bis 20c UrhG-E Umsetzung Online-SatCab-Richtlinie

 

Der Deutsche Kulturrat hält die Vorschläge zur Umsetzung der Online-SatCab-Richtlinie im Wesentlichen für sachgerecht.

 

§ 23 UrhG-E Einwilligungsbedürftige Bearbeitungen und Umgestaltungen

 

Bei der Neuformulierung des § 23 UrhG-E bleibt im Gesetzeswortlaut unklar, unter welchen Voraussetzungen ein „hinreichender Abstand zum verwendeten Werk“ gewahrt und deshalb eine Einwilligung des Urhebers entbehrlich ist. Nach der Gesetzesbegründung soll dies nur dann der Fall sein, wenn das vorbestehende Werk nicht mehr oder nur noch rudimentär zu erkennen ist; ein „innerer Abstand“ reicht dagegen nicht aus. Vorzugwürdig wäre es, diese Vorgabe in den Gesetzestext aufzunehmen.

 

§§ 32 Abs. 2 bis 41 Abs. 5 UrhG-E Urhebervertragsrecht

 

Der Deutsche Kulturrat hat sich stets für eine angemessene Vergütung von Urhebern und ausübenden Künstlern eingesetzt und unterstreicht erneut dieses Anliegen, welches grundsätzlich von allen Mitgliedern geteilt wird. Dessen ungeachtet werden zu den einzelnen Regelungsvorschlägen teilweise unterschiedliche Positionen vertreten, so dass auf eine detailliierte Stellungnahme verzichtet wird. Hingewiesen wird aber darauf, dass übereinstimmend Branchenlösungen in Form von gemeinsamen Vergütungsregeln und Tarifverträgen für sinnvoll gehalten werden, weil sie besonders geeignet sind, gesetzliche Vorgaben zum Vorteil aller Beteiligten auszugestalten. Die Regelung in § 32d Abs. 3 UrhG-E wird deshalb für problematisch gehalten; hier sollte erneut geprüft werden, ob die DSM-Richtlinie eine solche Vorgabe tatsächlich zwingend erfordert (vgl. Begründung S. 58).

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