8. KW: Koloniales Erbe, Einmischung unerwünscht, Stellungnahme, …

... Mentoring-Programm zweite Runde, Politik & Kultur, Themenarchiv

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Debatte um den Umgang mit Sammelgut aus kolonialen Kontexten ist im vollen Gange. Auch wir haben gerade eine Stellungnahme zum Thema abgegeben.

 

Gestern Abend fand im Plenum des Deutschen Bundestag eine Debatte zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten statt. Grundlagen waren der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Zur kulturpolitischen Aufarbeitung unseres kolonialen Erbes“ (Drucksache 19/7735) und die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der AfD-Fraktion „Aufarbeitung der Provenienzen von Kulturgut aus kolonialem Erbe in Museen und Sammlungen“ (Drucksache 19/3264 und Drucksache 19/6539). Fast alle Rednerinnen und Redner unterstrichen, dass diese Bundestagsdebatte erst der Anfang einer intensiven Befassung mit dem Thema sein konnte und weitere Beratungen im Ausschuss für Kultur und Medien, im Deutschen Bundestag und in der Gesellschaft folgen müssen.

 

Die Bundestagsdebatte hat eine schmerzliche Lücke in der Erinnerungskultur offengelegt und zugleich einige der nun anstehenden notwendigen Diskussionen aufgezeigt. Fast alle Rednerinnen und Redner haben betont, dass es auch um die Rückgabe von Objekten geht. Vordringlich ist die Rückgabe menschlicher Überreste. Genauso deutlich wurde aber auch, dass sich des Themas mit der Rückgabe von Objekten nicht so schnell entledigt werden kann. Es geht vielmehr die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und seine Nachwirkungen bis heute. Für künftige Debatten wäre zu wünschen, dass mit Blick auf die Zukunftsperspektiven die Frage eines gerechten Welthandels als einer veränderten Haltung gegenüber dem globalen Süden eine stärkere Rolle spielt. Das hieße Künstlerinnen und Künstlern sowie Unternehmen der Kulturwirtschaft aus den Ländern des globalen Südens einen besseren Zugang zu unseren Märkten zu ermöglichen. Auch gilt es den Blick über die Museen hinaus zu weiten auf Bibliotheken, Archive und kirchliche Einrichtungen. Das Gute ist, die Diskussion hat gerade erst begonnen.

 

Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus und das Eintreten für die Eine Welt. Man muss sich bewusst machen, dass die kolonialen Strukturen auch heute noch fortleben. Deutschland hatte zwar „nur“ wenige Jahrzehnte „eigene“ Kolonien, doch ist Deutschland schon vorher und nachher, bis heute, Teil der kolonialen Strukturen zum Nachteil der Länder des Südens. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass die Fragen des Umgangs mit kolonialen Gütern nicht getrennt von dem Einsatz für einen gerechten Welthandel behandelt werden kann.

 

Einmischung ist also gefordert, aber offensichtlich nicht von allen gewünscht. Schon im letzten Wochenreport habe ich in diesem Zusammenhang von einer seltsamen Begebenheit unter der Überschrift „Unterwerfung“ berichtet. Ich hatte berichtet, dass der Afrikabeauftragte der Bundeskanzlerin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Günter Nooke, sich mit deutschen Afrikanisten getroffen hatte, um über eine Stellungnahme des Fachverbandes Afrikanistik zu diskutieren.

 

Am Ende des Gespräches wurde der Vorsitzenden des Fachverbandes ein Umschlag mit einem Gutachten überreicht, dass die Wissenschaftlerin tief verängstig hat. Jetzt wurde mir das ominöse Gutachten zugespielt und ich muss sagen, ein solcher direkter Einschüchterungsversuch gegenüber einer ehrenamtlichen Vorsitzenden eines Verbandes aus der unmittelbaren Nähe eines Beauftragten der Bundeskanzlerin ist mir noch nicht untergekommen. Aber lesen Sie selbst dieses Gutachten und urteilen Sie selbst.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Ein ausführlicher Bericht von Gabriele Schulz zur o.g. Debatte im Deutschen Bundestag zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten erscheint in der kommenden Wochen in der neuen Ausgabe von Politik & Kultur.

 


 

Neue Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

 

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht in seiner neuen Stellungnahme, dass das Thema „Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ nicht allein die Sammlungen im Humboldt Forum, sondern viele Museen sowie einige Bibliotheken und öffentliche, private sowie universitäre Sammlungen betrifft. Sie werden teils von den Kommunen, teils von den Ländern, teils vom Bund getragen.

 

Einzubeziehen sind auch kirchliche Einrichtungen, die nicht zuletzt durch Missionsarbeit und Missionsstationen über einschlägige Sammlungen und umfangreiche Kenntnisse über koloniales Handeln verfügen. Und auch der Kunsthandel muss Verantwortung übernehmen.

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates geht es bei der Debatte um die Kolonialzeit im Allgemeinen und den Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten im Besonderen um eine grundlegende Erweiterung und Veränderung des westlich zentrierten Blicks. Jenseits der Frage um Restitution stellt sich für Kultur, Kunst und Bildung die Aufgabe, mit dem kulturellen Erbe Kolonialismus umzugehen.

 

Lesen Sie hier die Stellungnahme!

 


 

Das Mentoring-Programm für Frauen in Kultur und Medien hat Fahrt aufgenommen

 

Das vom Deutschen Kulturrat konzipierte 1:1 Mentoring-Programm ging am Dienstag in die zweite Runde.

 

Zunächst trafen sich die 24 neuen Mentees zum gegenseitigen Kennenlernen im Deutschen Kulturrat. Am Abend gab es einen Empfang im Bundeskanzleramt, auf Einladung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Hier konnte sich das neue Netzwerk von nunmehr 37 Mentorinnen, Mentoren und Mentees aus allen Kultursparten austauschen, den Karriereweg der jungen Kolleginnen kraftvoll unterstützen, auf dass zeitnah mehr Frauen an den Schaltstellen und Kultur- und Medienwirtschaft agieren.

 

Die Ausschreibung der dritten Mentoring-Runde startet im Mai 2019. Informationen finden Sie hier.

 


 

Nächste Woche erscheint die neue „Politik & Kultur“ März 2019

 

Themen u.a.:

 

  • Heimat – Kunst: Zwischen Kulturerbe, Integration und Zukunftsperspektiven
  • Digitalisierung: Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen des digitalen Kapitalismus kann der Kulturbereich mittragen?
  • Dekolonialisierung: Die Aufarbeitung des kolonialen Erbes erfordert die Einbeziehung von Politik und Gesellschaft.
  • Autoren in der Türkei: Türkische Schriftsteller schreiben an Zensur und Repression vorbei – doch Gerichte verurteilen weiter.
  • Kinoförderung: Das Zukunftsprogramm Kino soll den Bestand fördern, kommt aber nur langsam voran.

 

Autorinnen und Autoren: Katarina Barley, Kirsten Kappert-Gonther, Elisabeth Motschmann, Edgar Reitz, Christoph Wulf und viele andere.

 

Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, wird herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler. Sie erscheint zehnmal jährlich, informiert zu kulturpolitischen Fragestellungen und widmet zusätzlich in jeder Ausgabe einem aktuellen Thema einen Schwerpunkt.

 

Politik & Kultur ist in Bahnhofsbuchhandlungen, auf Flughäfen, im Online-Shop sowie im Abonnement erhältlich. Alle Politik & Kultur-Ausgaben können hier als E-Paper (pdf-Datei) kostenfrei geladen werden. Hier können Sie das Politik & Kultur-Jahresabonnement bestellen.

 

Die Ausgaben erscheinen jeweils am 01. Februar, 01. März, 01. April, 01. Mai, 1. Juni, 01. Juli, 01. September, 01. Oktober, 01. November und 01. Dezember.

 


 

–> Zu unserem kleinen Themenarchiv

 

  1. Erinnerungskultur: Der Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte.
  2. Europa & Internationales: Kulturpolitik geht über Ländergrenzen hinaus.
  3. Frauen in Kultur & Medien: Wie weiblich ist der Kultur- und Medienbereich wirklich?
  4. Heimat: Die Suche nach Heimat und Identität
  5. Kolonialismus-Debatte: Wie soll Deutschland mit dem kolonialen Erbe umgehen?
  6. Menschenrechte & Kultur
  7. Nachhaltigkeit & Kultur
  8. Wertedebatte: Deutschland braucht eine Wertediskussion, die über eine Verkürzung der Debatte auf das Grundgesetz hinausgeht.
  9. Weitere Texte zur Kulturpolitik
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