Umsetzung der Agenda 2030 ist eine kulturelle Aufgabe

Positionspapier des Deutschen Kulturrates zur UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Ziel 9: Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen

 

Um mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, wird eine umfassende Transformation der Produktions- und Konsummuster nötig sein. Das Design liefert dabei wichtige Beiträge, die Kreislauffähigkeit und die Lebensdauer von Produkten zu verbessern. Doch das Denken und Leben in Kreisläufen kann nicht ohne kulturellen Kontext gedacht werden. Ein reparaturfähiges Produkt ist nutzlos, wenn keiner mehr die Kunst des Reparierens beherrscht.

 

Insbesondere die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein Innovationstreiber. Ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung muss stärker gewürdigt werden. Viele Unternehmen aus kulturfernen Branchen benötigen die Techniken und Innovationen aus den Kultur- und Kreativbranchen. Dem Deutschen Kulturrat ist wichtig, dass diese Leistungen angemessen vergütet werden. Denn künstlerische Arbeit lebt vom Mut zum Ausprobieren, braucht Raum und Zeit. Scheitern ist Teil des künstlerischen Schaffensprozesses und Chance zum Lernen. Dies gilt sowohl für öffentlich geförderte Vorhaben als auch für Unternehmen. Eine Kultur der zweiten Chance zu etablieren, ist ein wichtiger Schritt zur Etablierung einer Kultur der Nachhaltigkeit.

 

Auch brauchen wir eine neue Fehlerkultur. Aus nicht erkannten Fehlern, kann auch nicht gelernt werden. Die erste Voraussetzung für eine bessere Fehlerkultur wäre zu lernen, zwischen Fehlern und Fehlverhalten zu unterscheiden. Fehlverhalten beruht auf einer inadäquaten Haltung und ist entweder in der Persönlichkeit oder der Kultur des Unternehmens begründet.

 

Ziel 10: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern

 

Nachhaltige Entwicklung bietet eine Chance, die entwicklungspolitische Komponente der UNESCO-Konvention Kulturelle Vielfalt vermehrt zu beachten und damit der Kulturproduktion aus den Ländern des globalen Südens einen besseren Marktzugang zu ermöglichen. Denn auch dies ist ein Beitrag, um die Ungleichheit zwischen den Ländern zu verringern.

 

Sozio-ökonomische Ungleichheiten zu verringern, ist zum einen eine ethisch-moralische Frage der Gerechtigkeit. Zum anderen muss die Reduzierung von Ungleichheit auch als Grundvoraussetzung sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung begriffen werden. In Gesellschaften mit geringerer Ungleichheit haben die Menschen eine höhere Lebenserwartung und die Bildungssysteme funktionieren besser.

 

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, ein besonderes Augenmerk auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu richten. Der Deutsche Kulturrat begrüßt dieses Anliegen, denn gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auch davon abhängig, dass die Lebensverhältnisse in den verschiedenen Landesteilen von Deutschland gleichwertig sind. Regionen dürfen weder abgehängt werden noch dürfen sich die dort lebenden Menschen abgehängt fühlen.

 

Ziel 11: Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten

 

Nachhaltigkeit und Resilienz sind und bleiben die wichtigsten Handlungsmaßstäbe, um die großen Aufgaben unserer Zeit, wie Klimawandel und Bevölkerungsmigrationen lösen zu können.

 

Ihre große Dichte macht Städte zum idealen Ansatzpunkt beim Kampf gegen den Klimawandel. Denn sie können in großem Maßstab Ressourcen schonen und exemplarisch für Nachhaltigkeit sein.

 

Eine gebaute Umwelt von hoher Qualität unter Achtung des baukulturellen Erbes trägt wesentlich zur Bildung einer nachhaltigen Gesellschaft bei, die sich durch eine hohe Lebensqualität, kulturelle Vielfalt, Wohlbefinden der Individuen und der Gemeinschaft, soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt sowie eine leistungsstarke Wirtschaft auszeichnet. Diese Forderungen an Nachhaltigkeit – auch im Sinne der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sowie der gesellschaftlichen Teilhabe – gelten nicht nur für Stadtzentren und historische Ortsbilder, sondern für den gesamten Lebensraum, für suburbane und ländliche Räume, Dörfer, Industriezonen und Infrastrukturen gleichermaßen.

 

Integrierte Planungsansätze sind Teil einer Baukultur und schaffen einen Mehrwert für das Gemeinwohl, indem ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Aspekte zusammen gedacht werden, z.B. durch flächensparende und kompakte gemischte Quartiere, eine aktive Bodenpolitik zum Wohl der Gemeinschaft und die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für alle, durch vernetzte öffentliche Grün- und Freiflächen, emissionsarme integrierte Verkehrssysteme, multifunktionale Räume, energieeffiziente Gebäude und eine geregelte Ver- und Entsorgung in den Städten und Siedlungen.

 

Die Bemühungen zur Förderung der Baukultur unter der Prämisse des Nachhaltigkeitsgedankens sind als Aufgabe des Staates auf allen seinen Ebenen der Verwaltung zu intensivieren. Dabei geht es nicht nur um bauliche Ergebnisse, sondern auch maßgeblich um die Verfahren, d.h. um eine hohe Planungskultur und Prozessqualität. Zudem ist das Engagement auf dem Gebiet der baukulturellen Bildung zu erhöhen, denn das Wissen um Baukultur und den Prozess ihrer Entstehung fördert die Wahrnehmung der Verantwortung für Planung, Pflege und Erhalt unserer gebauten Umwelt.

 

Das baukulturelle Erbe ist ein zentrales Element der Baukultur und unseres kulturellen Gedächtnisses. Es stärkt sozialen Zusammenhalt, Inklusion und Sicherheit, basierend auf einer gemeinsamen Identität, Stolz und Verbundenheit mit dem Ort. Die Art, wie wir den historischen Bestand heute nutzen, pflegen und schützen, ist entscheidend für die Zukunft unserer Städte, Siedlungen und Bewegungsräume. Deshalb sind die Anstrengungen zum Schutz und zur Sicherung des Kultur- und Naturerbes zu verstärken.

 

Ziel 12: Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen

 

Die Gestaltung nachhaltiger Produkte und deren Herstellung bedürfen einer generell anderen Ausrichtung und transformierter Produktionsprozesse als bei herkömmlichen Produkten. Die Rolle des Designers beschränkt sich hierbei nicht ausschließlich auf die Gestaltung von Produkten. Das Design berät und begleitet Manufakturen, Industriebetriebe in der Material- und Fertigungsauswahl sowie Service-Unternehmen bei der Entwicklung und Implementierung von kundennahen sowie nachhaltigen Dienstleistungen.

 

Kunst, Kultur und kulturelle Bildung selbst muss zum partizipativen Moderator digitaler Entwicklungen und hierdurch bedingter gesellschaftlicher Veränderungen werden.

 

Im Sinne zirkulärer Wirtschaftsprozesse und digital bestimmter Herstellungstechniken ist es ein Anliegen des Designs, sein Wissen um nachhaltige Materialität, Regionalität, Nutzerfreundlichkeit und Langlebigkeit von Produkten und Prozessen auch im Kontext menschengerechter Arbeitsplätze einzubringen, zu validieren und zu verankern.

 

Kunst und Kulturschaffende können hierbei auf Basis ihrer anwenderorientierten Haltung, ihrer methodischen Kenntnisse und Techniken, Werkzeuge und Strategien für die Industrie bzw. herstellende Unternehmen entwickeln sowie vermitteln, die dann im Sinne offener Nahtstellen in regionalen Strukturen angewendet, individualisiert und optimiert werden können.

 

Vorheriger ArtikelSelbständigkeit sichern – Scheinselbständigkeit entgegentreten
Nächster ArtikelBerufliche Weiterbildung für Fachkräfte in der kulturellen Bildung