Umsetzung der Agenda 2030 ist eine kulturelle Aufgabe

Positionspapier des Deutschen Kulturrates zur UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

Ziel 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

 

Kunst und Kultur gehören zum Leben und schaffen Lebenszufriedenheit. Sie sprechen unterschiedliche Sinne an, wecken Emotionen und können heilende Wirkung entfalten. Ein gutes, würdevolles Leben und eine gesunde Psyche sind wichtige Gesundheitsfaktoren. Kulturelle Intensität ist Motor für die kreative Weiterentwicklung aller Sinne.

 

Das Amateurmusizieren beispielsweise, die größte Bürgerbewegung im Kulturbereich, ist ebenso wie das Amateur- und Schultheater sowie Kunstgenüsse aller Art in Museen, Bibliotheken, Kinos usw. Exponent bürgerschaftlichen Engagements und unverzichtbarer Teil des kulturellen Lebens für Jung und Alt. Hier entsteht Zusammenhalt und Wertschätzung.

 

Ziel 4: Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern

 

Kulturelle Bildung ist ein Schlüssel zur Demokratie. Sie ermöglicht die Gestaltung von und die Auseinandersetzung in einer vielfältiger werdenden Gesellschaft. Sie kann dazu beitragen, Konflikte kulturell zu bearbeiten und zu lösen und Unbekanntem mit Neugier zu begegnen. Das inklusive Lernen hat sowohl in der Schule als auch im außerschulischen Bereich sowie der Erwachsenenbildung noch nicht den Stellenwert, den es haben sollte. Bestehende Barrieren im Zugang zu Bildung von Anfang an und ein Leben lang gilt es abzubauen. Dazu zählt auch, dem Analphabetismus in Deutschland durch wirkungsvolle Maßnahmen entgegenzutreten. Die Chancen einer Zusammenarbeit von politischer Bildung, kultureller Bildung und Umweltbildung müssen stärker genutzt werden. Alle verfolgen ihre je eigene Agenda, beruhen auf jeweils eigenen Förderstrukturen und haben eine eigene Didaktik und Methodik entwickelt. Dennoch bieten sich gerade in der Zusammenarbeit von politischer, kultureller und Umweltbildung Chancen, den kulturellen Wandel zu begreifen und zu gestalten.

 

Eine nachhaltige kulturelle Bildung setzt voraus, dass sie allen Schülerinnen und Schülern in jeder Schule zur Verfügung steht und außerdem Kultureinrichtungen und Einrichtungen der kulturellen Bildung in ihrer Grundfinanzierung gesichert sind. Projekte können die bestehende Infrastruktur bereichern und zusätzliche Angebote sein.

 

In einer gemeinsamen Erklärung haben der Deutsche Kulturrat und der BUND, als einer der größten Umwelt- und Naturverbände Deutschlands im Juni 2018 an die Bundesregierung sowie die Landesregierungen appelliert, der kulturellen und der Umweltbildung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, und konkrete Forderungen formuliert.

 

Ziel 5: Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen

 

Kunst und Kultur transportieren Frauen- und Männerbilder. Frauen- und Männerbilder in Kunst und Kultur können eine Vorbildwirkung entfalten. Künstlerinnen und Künstler können mit ihren Werken einen Beitrag zur Überwindung von Klischees leisten und damit ein Mehr an Gestaltungsmöglichkeiten für homosexuelle, bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen aufzeigen.

 

Im Kultur- und Medienbereich ist Geschlechtergerechtigkeit längst noch nicht verwirklicht. Führungsgremien und Jurys sind zum großen Teil nicht geschlechtergerecht besetzt. Künstlerinnen partizipieren weniger an der individuellen Künstlerförderung als Künstler. Werke von Künstlerinnen werden weniger aufgeführt, ausgestellt als Werke von Künstlern und über sie wird weniger publiziert. Künstlerinnen verdienen weniger als Künstler. Den bestehenden Ungleichgewichten ist entschieden entgegenzutreten und Benachteiligungen abzubauen. Denn nachhaltige Entwicklung braucht das gesamte Spektrum der Sichtweisen.

 

Ziel 6: Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten

 

Wasser ist ein Allgemeingut und der Zugang zu Wasser muss als eines der Menschenrechte betrachtet werden. Trinkwasser gehört zur Daseinsvorsorge und darf kein Spekulationsobjekt werden. Der Kulturbereich kann das Verständnis für den sorgfältigen Umgang mit Wasser schärfen.

 

In allen Kulturen hat Wasser eine herausragende Bedeutung, wovon Sagen, Mythen und biblischen Geschichten erzählen. Wasser ist ein häufiges Motiv in Literatur und Malerei. Auch Welterbestätten in Deutschland wie beispielsweise das Harzer Wasserregal belegen, welche kulturellen Traditionen im sorgfältigen und nachhaltigen Umgang mit Wasser bestehen.

 

Ziel 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern

 

Die Energiewende kann ein großes, gesellschaftlich getragenes Innovations- und Investitionsprojekt werden, das einen zentralen Beitrag zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Gesellschaft leistet. Sie geht mit einem weitreichenden kulturellen Wandel einher und ist eine der großen Zukunftsfragen, die eng mit Fragen des Klimawandels und des nachhaltigen Wirtschaftens zusammenhängen.

 

Beispielsweise hat der Kohlebergbau Regionen in Deutschland geprägt. Das Ruhrgebiet, das Saarland, die Lausitz, um nur einige zu nennen, befinden sich in einem tiefgreifenden Kulturwandel. Mit dem Ende des Kohlebergbaus geht auch eine kulturelle Tradition zu Ende, die in Dichtung und Musik ihren Niederschlag gefunden hat. Auch wenn der kulturelle Wandel in den Regionen noch längst nicht abgeschlossen ist, gibt es schon viele alte Zechen, die heute zu Orten mit besonderer Bedeutung für die Kultur geworden sind und damit ein lebendiges Zeichen eines gelungenen Wandels darstellen.

 

Nachhaltige Energie, wie Wind- und Sonnenenergie, verändert die Landschaft. Diese Kulturlandschaft gilt es, gemeinsam aktiv zu gestalten und zu entwickeln.

 

Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

 

Arbeit ist mehr als Broterwerb. Arbeit trägt zur Sinnstiftung bei und hat damit auch eine kulturelle Bedeutung. Kunst und Kultur sind Arbeit. Es ist daher erforderlich, auch in diesem Arbeitsmarktsegment, das oft durch besonders nahe und persönliche Beziehungen geprägt ist, für menschenwürdige Arbeit zu sorgen.

 

Neben der Erwerbsarbeit ist bürgerschaftliches Engagement ein wichtiger Teil der Sinnstiftung. Diese gilt es stärker zu beachten und zu würdigen.

 

Auch gilt es, den Fetisch Wachstum mit seinen gravierenden Auswirkungen auf die Kulturen zu hinterfragen. Ein fairer Welthandel muss das zentrale Anliegen einer Politik für nachhaltige Entwicklung sein.

 

Vorheriger ArtikelSelbständigkeit sichern – Scheinselbständigkeit entgegentreten
Nächster ArtikelBerufliche Weiterbildung für Fachkräfte in der kulturellen Bildung