Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Umsetzung der DSM-Richtlinie und der Online-SatCab-Richtlinie

  1. Erhaltung des Kulturerbes (Art. 2 Nr. 3, Art. 6, 7)

Die Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Regelung in § 60e Abs. 1 UrhG besteht aber nach Einschätzung des Deutschen Kulturrates kein Umsetzungsbedarf.

 

I. Vergriffene Werke (Art. 8 bis 11)

 

Der Deutsche Kulturrat hat sich bei den Beratungen der DSM-Richtlinie stets dafür eingesetzt, dass klarstellende Regelungen zur Nutzung von vergriffenen Werken geschaffen werden. Die neuen Regelungen sind ganz überwiegend zu begrüßen.

  1. Erlaubte Nutzungen (Art. 8 Abs. 1 bis 6)

Hier besteht zweifellos erheblicher Umsetzungsbedarf in das deutsche Recht. Das ergibt sich schon daraus, dass in Zukunft nicht nur für Schriftwerke (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. VGG), sondern auch für sonstige Werkkategorien entsprechende Regelungen geschaffen werden müssen. Hier gilt es bei der Umsetzung in nationales Recht insbesondere näher zu definieren, unter welchen Umständen ein Werk als vergriffen gilt. Auch erfasst Art. 8 Abs.1 DSM-Richtlinie nicht nur das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, sondern auch das Verbreitungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Der Deutsche Kulturrat spricht sich insgesamt dafür aus, an der für Schriftwerke bewährten Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften im Bereich der vergriffenen Werke festzuhalten. Die konkrete Umsetzung sollte deshalb eng mit Rechtsinhabern, Einrichtungen des kulturellen Erbes und Verwertungsgesellschaften abgestimmt werden. Sinnvoll erscheint es in diesem Zusammenhang, die bisherige fixe Stichtagsregelung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 VGG (Veröffentlichung vor dem 1. Januar 1966) durch eine „moving wall“ zu ersetzen. Im Hinblick auf Art. 8 Abs. 6 DSM-Richtlinie ist darauf hinzuweisen, dass eine Lizenzierung von ausländischem Repertoire durch die Verwertungsgesellschaft am Sitz der Kultureinrichtung nur möglich sein sollte, wenn die Verwertungsgesellschaft auch für das ausländische Repertoire ausreichend repräsentativ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) DSM-Richtlinie ist, bspw. aufgrund von Gegenseitigkeitsverträgen.

  1. Ausnahmen (Art. 8 Abs. 7)

Die Umsetzung der Ausnahmen nach Art. 8 Abs. 7 DSM-Richtlinie begegnet aus Sicht des Deutschen Kulturrates keinen Bedenken.

  1. Grenzüberschreitende Nutzung (Art. 9)

Die Regelungen in Art. 9 DSM-Richtlinie sind zu begrüßen. Besonders wichtig ist dabei die Vorgabe noch Art. 9 Abs. 2 DSM-Richtlinie, weil sie es den Kultureinrichtungen ermöglicht, lizenzierte vergriffene Werke europaweit öffentlich zugänglich zu machen.

  1. Zentrales Online-Portal (Art. 10)

Hier ist zu prüfen, ob das Register vergriffener Werke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) – ungeachtet der Zuständigkeit des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum nach Art. 10 Abs. 1 DSM-Richtlinie – jedenfalls für Schriftwerke fortgeführt werden sollte.

  1. Dialog der Interessenträger (Art. 11)

Die vorgesehene Konsultation und der regelmäßige Dialog mit Rechtsinhabern, Verwertungsgesellschaften und Einrichtungen des Kulturerbes sind sehr zu begrüßen und zeitnah zu konkretisieren.

 

II. Kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung (Art. 12)

  1. Fakultative Umsetzung (Umsetzungsbedarf?)

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass es den Mitgliedstaaten überlassen ist, Regelungen zur kollektiven Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung neu einzuführen oder beizubehalten. Art. 12 ist eine „Kann Bestimmung“. In den nordischen Ländern (Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden) wurden nach derzeitiger Kenntnis des Deutschen Kulturrates gute Erfahrungen mit der erweiterten kollektiven Lizenzvergabe (ECL) gemacht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bestimmte Nutzungen, die in den nordischen Ländern über ECL abgedeckt werden, in Deutschland bereits unter Schrankenregelungen fallen Der Deutsche Kulturrat regt an, hier ggf. vor einer Umsetzung eine konkrete wirtschaftliche und rechtliche Analyse durchzuführen. Insbesondere für Nutzer könnte eine entsprechende Regelung im deutschen Recht Erleichterungen bieten. Weiter könnte damit der Forderung aus dem politischen Raum nach der Zugänglichmachung von Werken aus Kultureinrichtungen zu Bildungszwecken nachgekommen werden.

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates ist es allerdings erforderlich, dass die Besonderheiten des jeweiligen Repertoires (Werkkategorien) berücksichtigt werden. Soweit Rechtsinhaber einer Verwertungsgesellschaft für bestimmte Nutzungen keine ausreichenden Rechte einräumen, damit sie als repräsentativ angesehen werden kann, muss klar sein, dass auch keine Rechtewahrnehmung für Außenseiter auf der Grundlage von erweiterten kollektiven Lizenzen möglich wird.

 

Unbeschadet des Primats der individuellen Lizensierung ist der Deutsche Kulturrat offen dafür, nach Prüfung des tatsächlichen Handlungsbedarfs, Art. 12 DSM-Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.

  1. Anwendungsbereiche (Art. 12 Abs. 2 DSM-Richtlinie)

Ungeachtet der Vorgaben in Art. 12 Abs. 2 DSM-Richtlinie dürfte der Anwendungsbereich für erweiterte kollektive Lizenzen letztlich durch Rechtsinhaber und ihre Verwertungsgesellschaften festgelegt werden. Denn nur dann, wenn eine repräsentative Anzahl von Rechtsinhabern sich dafür entscheidet, für bestimmte (Massen)-Nutzungen in bestimmten Werkkategorien kollektive Lizenzen zu vergeben, kommt eine Anwendung von Art. 12 DSM-Richtlinie in Betracht. Der Deutsche Kulturrat bittet deshalb zu prüfen, ob eine Generalklausel auch für Deutschland eine sinnvolle Lösung sein kann. Eine solche Generalklausel könnte es beispielsweise ermöglichen, dass passgenaue, repertoirespezifische Lizenzen im Bereich von Art. 17 DSM-Richtlinie auch für Außenseiter kollektiv vergeben werden können. In Bereichen, in denen eine individuelle Lizenzierung im Bereich von Art. 17 DSM-Richtlinie möglich und gewünscht ist, wäre dagegen die Anwendung von Art. 12 DSM-Richtlinie von vornherein ausgeschlossen.

  1. Ausgestaltung des Lizenzvergabeverfahrens (Art. 12)

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass die in Art. 12 Abs. 3 DSM-Richtlinie vorgesehenen Schutzbestimmungen von großer Bedeutung sind. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass für Rechtsinhaber, die einer Verwertungsgesellschaft keine Rechte eingeräumt haben, jederzeit ein effektiver „Opt-Out“- Mechanismus zur Verfügung steht (vgl. Art. 12 Abs. 3 lit. c) DSM-Richtlinie).

 

III. Verhandlungsmechanismus für Video-Abrufdienste (Art. 13)

 

Gegenüber dem vorgesehenen Verhandlungsmechanismus bestehen aus Sicht des Deutschen Kulturrates keine Bedenken. Vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um eine Streitschlichtung auf der Grundlage von Rechtspositionen handelt, könnte ein Mediationsverfahren der am besten geeignete Weg sein.

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