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Positionen

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Umsetzung der DSM-Richtlinie und der Online-SatCab-Richtlinie


Berlin, den 11.09.2019. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, ist erfreut, dass die „EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt“ (DSM-Richtlinie) und die „Richtlinie für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Onlineübertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen“ (Online-SatCab-Richtlinie) im Frühjahr dieses Jahres verabschiedet wurden.

 

Jetzt steht die Umsetzung der EU-Richtlinien in deutsches Recht an. Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor der Vorlage eines Referentenentwurfs den Dialog im Rahmen eines Konsultationsverfahren sucht.

 

Der Deutsche Kulturrat bündelt mit der vorliegenden Stellungnahme die gemeinsamen Positionen seiner Mitglieder. Zu seinen Mitgliedern gehören Verbände aus verschiedenen künstlerischen Sparten (Musik, darstellende Künste, Literatur, bildende Kunst, Baukultur und Denkmalpflege, Design, Film, Rundfunk und audiovisuelle Medien sowie Soziokultur und kulturelle Bildung). Das Mitgliederspektrum umfasst dabei sowohl Verbände der Urheber und ausübenden Künstler als auch Verwerterverbände sowie Zusammenschlüsse von Bildungs- und Kulturinstitutionen.

 

Im Einzelnen wird zu den Richtlinien wie folgt Stellung genommen. Der Deutsche Kulturrat orientiert sich dabei, wie vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erbeten, an der Gliederung, wie sie im Schreiben vom 28. Juni 2019 vorgegeben ist.

 

A. Zur DSM-Richtlinie

  1. Allgemeine Vorbemerkungen zur Richtlinie

Der Deutsche Kulturrat hatte in Bezug auf die DSM-Richtlinie bereits in diversen Stellungnahmen und Resolutionen darauf aufmerksam gemacht, wie dringlich für den gesamten Kulturbereich, also für Künstler, Kulturwirtschaft und Kultureinrichtungen, die Verabschiedung dieser Richtlinie ist[1]. Nunmehr gilt es bei der Umsetzung in das nationale Recht, vorhandene Spielräume sinnvoll zu nutzen. Der Deutsche Kulturrat geht dabei davon aus, dass insbesondere die Umsetzung der Regelung zur Verantwortlichkeit von Upload Plattformen (Art. 17 DSM Richtlinie) erhebliche Zeit in Anspruch nehmen wird, weil dieses Thema bereits im Rahmen der europäischen Rechtsetzung zu sehr kontroversen gesellschaftlichen Debatten geführt hat.

 

Vor diesem Hintergrund spricht sich der Deutsche Kulturrat dafür aus, die besonders eilbedürftige Regelung zur Verlegerbeteiligung (Art. 16 DSM Richtlinie) in einem gesonderten Gesetzgebungsverfahren umzusetzen. Ein weiteres Zuwarten gefährdet den Fortbestand der gemeinsamen Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlegern. Aus gutem Grund haben die Regierungsfraktionen bereits im Koalitionsvertrag festgelegt, dass eine „zeitnahe“ Regelung zur Verlegerbeteiligung unterstützt wird; dem sollte nunmehr auch entsprechend Rechnung getragen werden.

 

Gesetzlich erlaubte Nutzungen (Art. 3 bis 7)

  1. Text und Data Mining zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung (Art. 2 Nr. 1 und 2, Art. 3, 7)

Das deutsche Recht sieht aufgrund des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) bereits eine Schrankenregelung für Text und Data Mining zum Zwecke der – nicht kommerziellen – wissenschaftlichen Forschung vor (§ 60 UrhG). Vor diesem Hintergrund besteht nach hiesiger Einschätzung kein Umsetzungsbedarf. Allerdings ist im deutschen Recht ein Vergütungsanspruch für Text und Data Mining (§§ 60d, 60g UrhG) explizit geregelt. Hieran sollte festgehalten werden. Zwar ergibt sich aus Erwägungsgrund 17 DSM-Richtlinie, dass nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers die Mitgliedstaaten keinen Ausgleich für Rechtsinhaber bei Nutzungen im Rahmen des Text und Data Mining vorsehen sollten, doch ist nach Auffassung des Deutschen Kulturrates diese Erwägung kein zwingender Hinderungsgrund, den bestehenden Vergütungsanspruch im deutschen Recht beizubehalten. Denn bereits die Annahme in Erwägungsgrund 17, dass den Rechtsinhabern lediglich ein minimaler Schaden durch die Schrankenregelung entsteht, ist bisher nicht belegt. Der Vergütungsanspruch kann im Übrigen dazu beitragen, dass der sogenannte 3-Stufen-Test, wie er in Erwägungsgrund 6 der DSM Richtlinie beschrieben wird, eingehalten werden kann.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, am Vergütungsanspruch gemäß § 60d UrhG festzuhalten.

  1. Kommerzielles Text und Data Mining (Art. 2 Nr. 2, Art. 4, 7)

Vor dem Hintergrund, dass sich § 60d UrhG lediglich auf nichtkommerzielle Zwecke bezieht, besteht für das kommerzielle Text und Data Mining Umsetzungsbedarf in das deutsche Recht. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Schrankenregelung nur soweit reichen kann, wie die Rechteinhaber keinen Nutzungsvorbehalt erklären. Hier sollte nach Auffassung des Deutschen Kulturrates außer Frage stehen, dass Nutzungen innerhalb der verbleibenden neuen Schrankenregelung mit einem Vergütungsanspruch versehen werden.

  1. Grenzüberschreitende Unterrichts- und Lehrtätigkeiten (Art. 5, 7)

Die Schrankenregelungen im deutschen Recht für Unterricht und Lehre (§ 60a UrhG) wurden im Zusammenhang mit dem UrhWissG umfassend neu gestaltet. Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass die bestehenden Regelungen weitgehend beibehalten werden können. Die Gelegenheit der Umsetzung sollte allerdings genutzt werden, um das Verhältnis zwischen Schrankenregelung und vertraglichen Lizenzen zu klären. Art. 7 Abs. 1 der DSM Richtlinie gibt vor, dass Vertragsbestimmungen, die Art. 5 zuwiderlaufen, nicht durchsetzbar sind. Das steht im Einklang mit § 60g Abs. 1 UrhG. Unklar bleibt aber, ob vertragliche Vereinbarungen – einschließlich Vergütungsregelungen – im Umfang der Schrankenbestimmung zulässig sind. Das kann insbesondere in Hinblick auf den im deutschen Recht nach § 60h Abs. 4 UrhG vorgesehenen verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruch zweifelhaft sein. Angesichts des bestehenden Gesamtvertrags mit den Ländern könnte fraglich sein, ob die im deutschen Recht (vgl. Art. 60a Abs. 2, 3 UrhG) bestehenden – und nach Art. 5 Abs. 2 der DSM-Richtlinie weiterhin zulässigen – Bereichsausnahmen für bestimmte Werkkategorien ausdrücklich davon abhängig gemacht werden müssen, dass leicht verfügbare Lizenzangebote vorhanden sind (vgl. Art. 5 Abs. 2 DSM-Richtlinie). Der Deutsche Kulturrat begrüßt es im Übrigen, dass nach Art. 5 Abs. 4 DSM-Richtlinie die Mitgliedstaaten ausdrücklich die Möglichkeiten behalten, eine Vergütung für Nutzungen unter der Schrankenregelung vorzusehen. An dem bestehenden – verwertungsgesellschaftspflichtigen – Vergütungsanspruch nach §§ 60a, 60h Abs. 4 UrhG ist deshalb zwingend festzuhalten. Ergänzend nimmt der Deutsche Kulturrat Bezug auf seine Stellungnahme zum Entwurf der DSM-Richtlinie vom 20. November 2018.

 


[1] Zuletzt in der Stellungnahme Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt – Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den Trilog-Verhandlungen über den Vorschlag für eine Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vom 20.11.2018

  1. Erhaltung des Kulturerbes (Art. 2 Nr. 3, Art. 6, 7)

Die Regelung ist grundsätzlich zu begrüßen. Vor dem Hintergrund der bestehenden Regelung in § 60e Abs. 1 UrhG besteht aber nach Einschätzung des Deutschen Kulturrates kein Umsetzungsbedarf.

 

I. Vergriffene Werke (Art. 8 bis 11)

 

Der Deutsche Kulturrat hat sich bei den Beratungen der DSM-Richtlinie stets dafür eingesetzt, dass klarstellende Regelungen zur Nutzung von vergriffenen Werken geschaffen werden. Die neuen Regelungen sind ganz überwiegend zu begrüßen.

  1. Erlaubte Nutzungen (Art. 8 Abs. 1 bis 6)

Hier besteht zweifellos erheblicher Umsetzungsbedarf in das deutsche Recht. Das ergibt sich schon daraus, dass in Zukunft nicht nur für Schriftwerke (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. VGG), sondern auch für sonstige Werkkategorien entsprechende Regelungen geschaffen werden müssen. Hier gilt es bei der Umsetzung in nationales Recht insbesondere näher zu definieren, unter welchen Umständen ein Werk als vergriffen gilt. Auch erfasst Art. 8 Abs.1 DSM-Richtlinie nicht nur das Vervielfältigungsrecht und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, sondern auch das Verbreitungsrecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe. Der Deutsche Kulturrat spricht sich insgesamt dafür aus, an der für Schriftwerke bewährten Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften im Bereich der vergriffenen Werke festzuhalten. Die konkrete Umsetzung sollte deshalb eng mit Rechtsinhabern, Einrichtungen des kulturellen Erbes und Verwertungsgesellschaften abgestimmt werden. Sinnvoll erscheint es in diesem Zusammenhang, die bisherige fixe Stichtagsregelung in § 51 Abs. 1 Nr. 1 VGG (Veröffentlichung vor dem 1. Januar 1966) durch eine „moving wall“ zu ersetzen. Im Hinblick auf Art. 8 Abs. 6 DSM-Richtlinie ist darauf hinzuweisen, dass eine Lizenzierung von ausländischem Repertoire durch die Verwertungsgesellschaft am Sitz der Kultureinrichtung nur möglich sein sollte, wenn die Verwertungsgesellschaft auch für das ausländische Repertoire ausreichend repräsentativ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. a) DSM-Richtlinie ist, bspw. aufgrund von Gegenseitigkeitsverträgen.

  1. Ausnahmen (Art. 8 Abs. 7)

Die Umsetzung der Ausnahmen nach Art. 8 Abs. 7 DSM-Richtlinie begegnet aus Sicht des Deutschen Kulturrates keinen Bedenken.

  1. Grenzüberschreitende Nutzung (Art. 9)

Die Regelungen in Art. 9 DSM-Richtlinie sind zu begrüßen. Besonders wichtig ist dabei die Vorgabe noch Art. 9 Abs. 2 DSM-Richtlinie, weil sie es den Kultureinrichtungen ermöglicht, lizenzierte vergriffene Werke europaweit öffentlich zugänglich zu machen.

  1. Zentrales Online-Portal (Art. 10)

Hier ist zu prüfen, ob das Register vergriffener Werke beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) – ungeachtet der Zuständigkeit des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum nach Art. 10 Abs. 1 DSM-Richtlinie – jedenfalls für Schriftwerke fortgeführt werden sollte.

  1. Dialog der Interessenträger (Art. 11)

Die vorgesehene Konsultation und der regelmäßige Dialog mit Rechtsinhabern, Verwertungsgesellschaften und Einrichtungen des Kulturerbes sind sehr zu begrüßen und zeitnah zu konkretisieren.

 

II. Kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung (Art. 12)

  1. Fakultative Umsetzung (Umsetzungsbedarf?)

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass es den Mitgliedstaaten überlassen ist, Regelungen zur kollektiven Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung neu einzuführen oder beizubehalten. Art. 12 ist eine „Kann Bestimmung“. In den nordischen Ländern (Dänemark, Norwegen, Finnland und Schweden) wurden nach derzeitiger Kenntnis des Deutschen Kulturrates gute Erfahrungen mit der erweiterten kollektiven Lizenzvergabe (ECL) gemacht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bestimmte Nutzungen, die in den nordischen Ländern über ECL abgedeckt werden, in Deutschland bereits unter Schrankenregelungen fallen Der Deutsche Kulturrat regt an, hier ggf. vor einer Umsetzung eine konkrete wirtschaftliche und rechtliche Analyse durchzuführen. Insbesondere für Nutzer könnte eine entsprechende Regelung im deutschen Recht Erleichterungen bieten. Weiter könnte damit der Forderung aus dem politischen Raum nach der Zugänglichmachung von Werken aus Kultureinrichtungen zu Bildungszwecken nachgekommen werden.

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates ist es allerdings erforderlich, dass die Besonderheiten des jeweiligen Repertoires (Werkkategorien) berücksichtigt werden. Soweit Rechtsinhaber einer Verwertungsgesellschaft für bestimmte Nutzungen keine ausreichenden Rechte einräumen, damit sie als repräsentativ angesehen werden kann, muss klar sein, dass auch keine Rechtewahrnehmung für Außenseiter auf der Grundlage von erweiterten kollektiven Lizenzen möglich wird.

 

Unbeschadet des Primats der individuellen Lizensierung ist der Deutsche Kulturrat offen dafür, nach Prüfung des tatsächlichen Handlungsbedarfs, Art. 12 DSM-Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen.

  1. Anwendungsbereiche (Art. 12 Abs. 2 DSM-Richtlinie)

Ungeachtet der Vorgaben in Art. 12 Abs. 2 DSM-Richtlinie dürfte der Anwendungsbereich für erweiterte kollektive Lizenzen letztlich durch Rechtsinhaber und ihre Verwertungsgesellschaften festgelegt werden. Denn nur dann, wenn eine repräsentative Anzahl von Rechtsinhabern sich dafür entscheidet, für bestimmte (Massen)-Nutzungen in bestimmten Werkkategorien kollektive Lizenzen zu vergeben, kommt eine Anwendung von Art. 12 DSM-Richtlinie in Betracht. Der Deutsche Kulturrat bittet deshalb zu prüfen, ob eine Generalklausel auch für Deutschland eine sinnvolle Lösung sein kann. Eine solche Generalklausel könnte es beispielsweise ermöglichen, dass passgenaue, repertoirespezifische Lizenzen im Bereich von Art. 17 DSM-Richtlinie auch für Außenseiter kollektiv vergeben werden können. In Bereichen, in denen eine individuelle Lizenzierung im Bereich von Art. 17 DSM-Richtlinie möglich und gewünscht ist, wäre dagegen die Anwendung von Art. 12 DSM-Richtlinie von vornherein ausgeschlossen.

  1. Ausgestaltung des Lizenzvergabeverfahrens (Art. 12)

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass die in Art. 12 Abs. 3 DSM-Richtlinie vorgesehenen Schutzbestimmungen von großer Bedeutung sind. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass für Rechtsinhaber, die einer Verwertungsgesellschaft keine Rechte eingeräumt haben, jederzeit ein effektiver „Opt-Out“- Mechanismus zur Verfügung steht (vgl. Art. 12 Abs. 3 lit. c) DSM-Richtlinie).

 

III. Verhandlungsmechanismus für Video-Abrufdienste (Art. 13)

 

Gegenüber dem vorgesehenen Verhandlungsmechanismus bestehen aus Sicht des Deutschen Kulturrates keine Bedenken. Vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um eine Streitschlichtung auf der Grundlage von Rechtspositionen handelt, könnte ein Mediationsverfahren der am besten geeignete Weg sein.

 

IV. Gemeinfreie Werke der bildenden Kunst (Art. 14)

 

Vor dem Hintergrund des Schutzes für Lichtbilder nach § 72 UrhG besteht hier zwingender Umsetzungsbedarf. Festzuhalten ist, dass es stets nur um Vervielfältigungen (typischerweise Aufnahmen) von gemeinfreien Werken der bildenden Kunst gehen kann. Der Deutsche Kulturrat bittet zu prüfen, ob die Abgrenzung zwischen Lichtbildern (§ 72 UrhG) und weiterhin geschützten Lichtbildwerken (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) am besten danach getroffen werden kann, ob es sich um Aufnahmen zweidimensionaler Werke der bildenden Kunst („Flachbilder“) oder um Aufnahmen von dreidimensionalen Werken (z.B. Skulpturen) handelt. Nur bei der Aufnahme von gemeinfreien zweidimensionalen Werken sollte im Ergebnis ein Schutz der Aufnahme ausgeschlossen werden können. Aufnahmen dreidimensionaler Objekte stellen dagegen in der Regel eine eigene geistige Schöpfung dar, die von Art. 14 nicht erfasst wird.

 

V. Leistungsschutzrecht des Presseverlegers (Art. 2 Nr. 4 und 5, Art. 15)

 

Hinsichtlich der Umsetzung dieser Vorschrift erinnert der Deutsche Kulturrat an seine Forderung, dass eine angemessene Beteiligung der Urheber an den Einnahmen aufgrund des Presseverlegerleistungsschutzrechts sichergestellt sein muss. Es ist deshalb zu begrüßen, dass eine derartige Beteiligung in Art. 15 Abs. 5 DSM-Richtlinie explizit vorgesehen ist. Um eine effektive Umsetzung des Beteiligungsanspruchs zu gewährleisten, spricht viel dafür, den Beteiligungsanspruch der Urheber verwertungsgesellschaftspflichtig auszugestalten.

 

VI. Verlegerbeteiligung (Art. 16)

 

Der Deutsche Kulturrat hat sich stets dafür ausgesprochen und in diversen Positionierungen deutlich gemacht, dass eine Verlegerbeteiligung an den Einnahmen aufgrund der gesetzlichen Vergütungsansprüche schnellstmöglich geschaffen wird. Da der Fortbestand der betroffenen Verwertungsgesellschaften – als gemeinsame Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlegern – ohne eine entsprechende Regelung konkret gefährdet ist, sollte Art. 16 DSM-Richtlinie, wie bereits eingangs erwähnt, in einem vorgezogenen Gesetzgebungsverfahren umgesetzt werden. Bei der konkreten Umsetzung von Art. 16 DSM-Richtlinie spricht viel dafür, einen Beteiligungsanspruch der Verleger zu schaffen, der allerdings – zwingend – nur durch eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Urhebern und Verlagen wahrgenommen werden darf.

 

VII. Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen (Art. 2 Abs. 6, Art. 17 sowie Erklärung Deutschlands v. 15. April 2019)

 

Art. 17 DSM-Richtlinie hat im Zuge der Debatte um die DSM-Richtlinie für engagierte gesellschaftliche Debatten gesorgt. Aus Sicht des Deutschen Kulturrates sollte versucht werden, die Umsetzung möglichst unaufgeregt und sachlich zu gestalten. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass vieles, was als Gefahr beschworen wurde, längst praktiziert wird und sich bewährt hat.

  1. Erfasste Plattformen, Handlung der öffentlichen Wiedergabe (Art. 2 Abs. 6, Art. 17 Abs. 1 UA 1, Abs. 3)

Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass er die Klarstellung in Art. 17 Abs. 1 DSM-Richtlinie, wonach die einschlägigen Plattformen eine urheberechtlich relevante Handlung vornehmen, begrüßt. Dessen ungeachtet muss im Interesse der Rechtssicherheit bei der Umsetzung klar geregelt werden, welche Plattformen unter Art. 17 DSM-Richtlinie fallen. Zu begrüßen ist auch, dass der Upload durch private Nutzer ohne kommerzielle Interessen im Fall einer vertraglichen Nutzungsrechtseinräumung gegenüber der Plattform durch die Lizenz mit abgedeckt ist (vgl. Art. 17 Abs. 2 DSM-Richtlinie). Mit diesem ungewöhnlichen „Kunstgriff“ wird die Handlung der nicht gewerblichen Nutzer legalisiert, ohne dass diese selbst Lizenzverhandlungen zu führen oder Lizenzvergütungen zu zahlen hätten.

  1. Lizenzierung (Art. 17 Abs. 1 UA 2, Abs. 2)

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates kommt – nicht zuletzt mit Blick auf die Nutzer – der Lizenzierung von Plattformnutzungen im Sinne des Art. 17 DSM-Richtlinie entscheidende Bedeutung zu. Es ist das zentrale urheberrechtliche Element, um die Plattformangebote weiter zu ermöglichen und gleichzeitig eine Vergütung der Rechtsinhaber sicherzustellen. Der Deutsche Kulturrat erkennt aber auch an, dass für bestimmte Werke, insbesondere wenn es die Nutzung vollständiger Werke betrifft, berechtigte Interessen der Rechteinhaber bestehen können, eine Lizenzierung ihrer Werke für die Plattformnutzung nicht zu ermöglichen.

 

In einigen Märkten, wie z.B. dem Musikmarkt, werden Lizenzvereinbarungen mit Plattformen wie bspw. YouTube bereits seit geraumer Zeit abgeschlossen. Art. 17 DSM-Richtlinie wird hier aller Voraussicht nach die Verhandlungsposition der Kultur- und Kreativwirtschaft stärken und kann daher auch zu höheren Erträgen für Urheber und Leistungsschutzberechtigte beitragen.

 

In anderen Bereichen wird derzeit geprüft, inwieweit Lizenzmöglichkeiten angeboten werden können. Dabei kann insbesondere die kollektive Rechtewahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. So hat die GEMA für die von ihr vertretenen Komponisten, Textdichter und Musikverlage bereits vor Inkrafttreten von Art. 17 DSM-Richtlinie eine Lizenzvereinbarung mit YouTube abgeschlossen; die VG Bild-Kunst hat kürzlich ihren Wahrnehmungsvertrag geändert, um im Bereich der Fotographen und Illustratoren Rechte nach Art. 17 DSM-Richtlinie wahrnehmen zu können. Bei der VG WORT wird eine kollektive Rechtewahrnehmung im Bereich der Sprachwerke derzeit geprüft. Soweit Verwertungsgesellschaften in den letztgenannten Bereichen in Zukunft Rechte wahrnehmen, bietet es sich an, über erweiterte kollektive Lizenzen nach Art. 12 DSM-Richtlinie unter Berücksichtigung der besonderen Spezifik der deutschen Lizenzpraxis auch „Außenseiter“-Lizenzen zu ermöglichen.

  1. Wegfall der Verantwortlichkeit (Art. 17 Abs. 4 und 5)

Der Deutsche Kulturrat weist darauf hin, dass die Vorgaben nach Art. 17 Abs. 4 und 5 DSM-Richtlinie in vielen Punkten bereits nach bisherigem Recht zu berücksichtigen waren. Das gilt auch für die Notwendigkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Prüftechnologien einzusetzen, um den Upload von geschützten Werken zu verhindern. Geeignete Prüftechnologien stehen in bestimmten Bereichen, wie insbesondere dem Musikmarkt, seit langem zur Verfügung und werden angewandt. Dessen ungeachtet unterstreicht der Deutsche Kulturrat erneut nachdrücklich, dass es neben der Entwicklung und des Einsatzes effektiver technischer Schutzmechanismen vor allem auch darum gehen sollte, Lizenzmöglichkeiten gegenüber den Plattformen zu schaffen.

  1. Start-Up-Ausnahme (Art. 17 Abs. 6)

Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Privilegierung bestimmter „Start-Up“-Plattformen von den Plattformen, die sich darauf berufen, nachgewiesen werden müssen. Das sollte bei der Umsetzung klargestellt werden.

  1. Erlaubte Nutzungen (Art. 17 Abs. 7)

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass auch nach geltendem Recht bspw. Zitate (§ 51 UrhG), Parodien oder Satire (§ 24 UrhG) gesetzlich erlaubt sind. Inwieweit aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des EuGH (EuGH Urteil v. 29. Juli 2019 – C-476/17) im Bereich von § 24 UrhG Änderungsbedarf besteht, muss noch genau geprüft werden. Die Umsetzung von Art. 17 Abs. 7 DSM-Richtlinie muss deshalb vor allem durch das Beschwerdeverfahren nach Art. 17 Abs. 9 DSM-Richtlinie gewährleistet werden.

  1. Informationspflichten

Hier dürften nach Einschätzung des Deutschen Kulturrates keine besonderen Schwierigkeiten bei der Umsetzung bestehen.

  1. Beschwerdemechanismus

Ein sachgerechtes Beschwerdeverfahren ist von erheblicher Bedeutung, um den berechtigten Nutzerinteressen im Rahmen von gesetzlich erlaubten Nutzungen Rechnung tragen zu können. Der Deutsche Kulturrat spricht sich dafür aus, dass Vertreter von Rechtsinhaber, Plattformen und Nutzern gemeinsam ein faires Verfahren entwickeln, welches schnell und effizient zu angemessenen Ergebnissen kommen kann. Die Ausgestaltung des in Art. 17 Abs. 9 UA 2 DSM-Richtlinie vorgesehenen Schlichtungsverfahrens bedarf ebenfalls noch genauerer Prüfung. Der Deutsche Kulturrat geht vorerst davon aus, dass ein neues Schlichtungsverfahren geschaffen werden sollte und nicht auf bestehende Strukturen, wie beispielsweise bei der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt, zurückgegriffen werden kann.

  1. Sonstige Fragen der Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen

Insoweit gibt es seitens des Deutschen Kulturrates nichts zu bemerken.

 

VIII. Urhebervertragsrecht (Art. 18 bis 23)

 

Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass sowohl Urheber- als auch Verwerterverbände zu seinen Mitgliedern zählen. Es besteht im Deutschen Kulturrat Einvernehmen, dass Urheber an der Verwertung ihrer Werke stets angemessen zu beteiligen sind. Vor dem Hintergrund der bestehenden deutschen Regelungen wird davon ausgegangen, dass die DSM-Richtlinie lediglich eine Minimalharmonisierung bezweckt, die Mitgliedstaaten aber nicht daran hindert, weitergehende Regelungen zu Gunsten der Urheber beizubehalten.

  1. Angemessene Vergütung (Art. 18)

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass der Grundsatz der angemessenen Vergütung durch die DSM-Richtlinie europaweit verankert ist. In Deutschland ergibt sich der Anspruch auf angemessene Vergütung bereits aus § 32 UrhG. Der Deutsche Kulturrat spricht sich dafür aus, dass die Vertreter der Urheber und Verwerter sich verstärkt um einvernehmliche Lösungen im Rahmen von gemeinsamen Vergütungsregeln bemühen, die den Interessen beider Seiten weiterhin angemessen Rechnung tragen.

  1. Anspruch auf Auskunft

Ungeachtet der bestehenden Regelungen im deutschen Recht (§§ 32d, 32e UrhG) wird hier der Umsetzungsbedarf zu prüfen sein.

  1. Weitere Beteiligung (Art. 20, 23 Abs. 1)

Ein Anspruch auf Vertragsanpassung der Urheber besteht im deutschen Recht bereits nach § 32a UrhG. Hier wird es im Rahmen der Umsetzung insbesondere darum gehen zu klären, inwieweit „unverhältnismäßig niedrig“ eine andere Bewertung darstellt als das bisher geregelte „auffällige Missverhältnis“ und was unter dem Begriff „Vertreter“ in Art. 20 Abs. 1 DSM-Richtlinie zu verstehen ist.

  1. Alternative Streitbeilegung (Art. 21, 23 Abs. 1)

Auch insoweit dürfte nach Einschätzung des Deutschen Kulturrates Umsetzungsbedarf bestehen, weil derzeit ein freiwilliges alternatives Streitschlichtungsverfahren im UrhG nicht vorgesehen ist; das Schlichtungsverfahren nach § 36a UrhG bezieht sich bisher jedenfalls nur auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Aufstellung von gemeinsamen Vergütungsregeln.

  1. Widerrufsrecht (Art. 22)

Vor dem Hintergrund der bestehenden Regelungen in §§ 40a, 41 UrhG wird zu prüfen sein, inwieweit hier Umsetzungsbedarf besteht. Sinnvoll könnte es möglicherweise sein, gesetzlich klarzustellen, was genau unter einer „Nicht-Verwertung“ in Art. 22 Abs. 1 DSM-Richtlinie zu verstehen ist.

  1. Ausnahme für Software-Programmierer (Art. 23 Abs. 2)

Der Deutsche Kulturrat sieht insoweit von einer Stellungnahme ab.

 

B. Online-SatCab-Richtlinie

 

I. Allgemeine Vorbemerkungen zur Richtlinie

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt vor allem die neuen Regelungen zur Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen (Art. 4 Online-SatCab-Richtlinie). Damit werden die bisherigen Regelungen zur Kabelweitersendung im Ergebnis „technologieneutral“ ausgestaltet.

 

II. Ursprungslandprinzip (Art. 2 Nr. 1, Art. 3)

 

Der Deutsche Kulturrat nimmt zur Kenntnis, dass im Gesetzgebungsverfahren nach schwierigen Verhandlungen ein Kompromiss zu den ergänzenden Online-Diensten gefunden werden konnte. Jetzt wird es in der Umsetzung darum gehen, dass die Interessen der Rechtsinhaber auch bei der Anwendung des Ursprungslandprinzips auf ergänzende Online-Dienste hinreichend gewahrt werden. Auch sind die einschlägigen medienrechtlichen Regelungen im Blick zu behalten.

 

III. Rechtsausübung bei Weiterverbreitung (Art. 2 Nr. 2 und 3, Art 4 und 5)

  1. Urheber- und Leistungsschutzrechte (Art. 4)

Wie bereits eingangs ausgeführt, ist die neue Regelung des Art. 4 Online-SatCab-Richtlinie zu begrüßen. Die Umsetzung sollte sich eng an der bisherigen Regelung für die Kabelweitersendung nach § 20b UrhG orientieren. Außerdem sollte im Rahmen der Umsetzung klar geregelt werden, was unter einer „geordneten Umgebung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b), Abs. 3 Online-SatCab-Richtlinie genau zu verstehen ist.

  1. Rechte der Sendeunternehmen (Art. 5)

Auch hier sollte sich die Regelung an § 20b Abs. 1 Satz 2 UrhG orientieren.

 

IV. Weiterverbreitung aus demselben Mitgliedstaat (Art. 7)

 

Der Deutsche Kulturrat spricht sich klar dafür aus, dass die neuen Regelungen zur Weiterverbreitung auch Anwendung finden, wenn kein grenzüberschreitender Bezug gegeben ist. Dieser Ansatz würde erneut der Rechtslage im Bereich der Kabelweitersendung entsprechen; im Übrigen wäre eine unterschiedliche Behandlung von rein inländischen und grenzüberschreitenden Vorgängen administrativ kaum zu leisten.

 

V. Direkteinspeisung (Art. 2 Nr. 4, Art. 8)

 

Im Hinblick auf die Direkteinspeisung sieht der Deutsche Kulturrat von einer Stellungnahme ab.


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