Regelwerk für die Kultur

Das Kulturgesetzbuch des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Corona-Pandemie hat keinen Zweifel daran gelassen, dass eines der zentralen Themen des Kulturgesetzbuches unaufschiebbar geworden ist: die Verbesserung der Arbeitsbedingungen derer, die das Rückgrat allen kulturellen Lebens sind: Der Künstlerinnen und Künstler. Entsprechend durchzieht dieses Thema das Kulturgesetzbuch und schlägt sich in zahlreichen konkreten Regelungen nieder. Institutionen und Initiativen, die eine Landesförderung beantragen, müssen in Zukunft Honoraruntergrenzen respektieren. Die gängige Praxis beispielsweise, an dem Honorar für Künstlerinnen und Künstler zu sparen, ist damit bei vom Land geförderten Projekten obsolet. Damit stellen wir an prominenter Stelle auch ein Modell zur Diskussion, das maßgeblich zu den prekären Arbeitsverhältnissen im Kunstbereich beiträgt.

 

Auch die berufliche Situation der Musikschullehrerinnen und Musikschullehrer soll strukturell verbessert werden. Die gesetzlichen Regelungen zu den Musikschulen, die als neuer kulturpolitischer Baustein Aufnahme in das Kulturgesetzbuch gefunden haben, benennen erstmals feste Qualitätskriterien als Voraussetzung für eine Förderfähigkeit – und zwar unabhängig von der Trägerschaft. Zu diesen Qualitätskriterien zählen fest angestellte und tariflich bezahlte Musikpädagogen und -pädagoginnen. Um dieses Ziel zu erreichen, unterstützt die Landesregierung im Rahmen der Musikschuloffensive die Kommunen bei der Finanzierung der Musikschulen auf Dauer mit zusätzlich sieben Millionen Euro jährlich, wodurch kurzfristig 100 feste Stellen geschaffen werden können.

 

Die bereits angesprochene mit dem Kulturgesetzbuch festgeschriebene Förderung der Bibliotheken ist ein klares Bekenntnis zu ihrer Bedeutung als Orte lebenslanger kultureller Bildung und Begegnung, die auch für das Landesprogramm „Dritte Orte“ eine zentrale Rolle spielen.

Ein Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist die Provenienzforschung. Sie hat, einschließlich der Washington Principles, prominent Eingang ins Kulturgesetzbuch gefunden. Damit verpflichtet sich das Land erstmals, die Provenienzforschung gezielt zu fördern und trägt damit der Verantwortung Rechnung, die Politik und Gesellschaft für solche Werke übernehmen müssen, die in der Zeit des Nationalsozialismus ihren rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern entwendet wurden. Teil dieser Förderung ist die im Kulturgesetzbuch verankerte „Koordinationsstelle für Provenienzforschung in Nordrhein-Westfalen“ (KPF.NRW), die wir als Land im Dezember 2020 mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) eingerichtet haben.

 

Neben den NS-verfolgungsbedingten Entzügen rückt mit dem Kulturgesetzbuch auch die Herkunftsforschung zum kolonialen Erbe und den Enteignungen und enteignungsgleichen Besteuerungen in der ehemaligen DDR stärker in den Blick.

 

Es steht meines Erachtens außer Frage, dass Kunst im Landesbesitz unter besonderem Schutz stehen sollte. Im Zuge der Auseinandersetzung um die umstrittenen Kunstverkäufe der ehemaligen Landesbank WestLB und ihrer Abwicklungsgesellschaft Portigon hat der damals eingerichtete kulturfachliche Beirat einen Kodex zum Umgang mit Kunst im Landesbesitz entworfen. Entsprechend schreibt das Kulturgesetzbuch die Verpflichtung zum Erhalt des Landeskunstbesitzes fest. Das heißt: Kunstschätze aus diesen Sammlungen dürfen nicht wie Tafelsilber verkauft werden, um Haushalte zu sanieren.

 

Eines der großen und für alle gesellschaftlichen Felder gleichermaßen relevanten Themen unserer Zeit ist das der Nachhaltigkeit, und zwar in seiner dreifachen Ausprägung: als ökologische, wirtschaftliche und soziale Größe. Es darf in einem zentralen Regelwerk, das Standards für Struktur und Förderung der kulturellen Landschaft setzt, nicht fehlen. Vielmehr wollen wir dieses Instrument nutzen, um grundlegende Forderungen im Hinblick auf nachhaltiges Handeln festzuschreiben, und zwar in vielfältiger Hinsicht: Beim Bauen ebenso wie bei der Durchführung von Veranstaltungen, bei der Produktion von Kunst ebenso wie bei ihrer Präsentation und beim internationalen Austausch. Das Kulturgesetzbuch verpflichtet auch die Kulturpolitik, Förderlinien nachhaltig auszurichten und zusätzliche Kosten, die so entstehen können, als förderfähig anzuerkennen.

 

Mit dem Kulturgesetzbuch machen wir die Kultur einmal mehr zu einem zentralen politischen Handlungsfeld dieser Landesregierung und schaffen Verbindlichkeiten, die auf eine langfristige Stabilisierung und Stärkung der kulturellen Landschaft angelegt sind. Zugleich bekräftigen wir mit dem Regelwerk die unbedingte Zweckfreiheit der Kunst und respektieren ihre natürliche Dynamik.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Isabel Pfeiffer-Poensgen
Isabel Pfeiffer-Poensgen ist Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
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