Ein Kulturgesetzbuch für Nordrhein-Westfalen

Bündelung aller Kulturaktivitäten in einem Gesetz

Die NRW-Landesregierung hat den Entwurf eines Kulturgesetzbuches vorgelegt. Der NRW-Kulturrat hat den Gesetzgebungsprozess begleitet und in Beratungen mit der Landesregierung, an der Spitze Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, zahlreiche Änderungen durchgesetzt. Der Kulturrat NRW begrüßt das Vorhaben trotz einiger Defizite, von denen er hofft, dass sie in den Parlamentsberatungen noch behoben werden. Das Gesetz soll am 1. Januar 2022 in Kraft treten.

 

Es knüpft an das bisher geltende Kulturfördergesetz an und bündelt zum ersten Mal alle Kulturaktivitäten in einem Gesetz. Musikschulen und Bibliotheken erhalten eine gesetzliche Grundlage. Sehen wir uns eine der Spezialregelungen an, das „Musikschulgesetz“: Im Gesetz werden die Musikschulen als wichtige Orte kultureller Bildung beschrieben. Qualität soll den Ausschlag für eine Landesförderung geben. Auch private Musikschulen erhalten die Möglichkeit, Projektmittel zu beantragen. Allgemeine Förderkriterien für Musikschulen leitet das Gesetz von Kriterien der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGST) ab. Das Gesetz führt eine Zertifizierung ein, die sowohl öffentliche als auch private Musikschulen erhalten können und die mittelfristig Fördervoraussetzung werden soll. Das Gesetz bietet damit die Grundlage für eine qualitative Weiterentwicklung der gesamten Musikschullandschaft in NRW.

 

Das Gesetz regelt erstmals die Provenienzforschung. Es bekämpft prekäre Arbeitsverhältnisse durch die Festlegung von Honoraruntergrenzen und Vorgaben für mehr Festanstellungen. Im Gesetz sind neue Beteiligungsformate festgelegt. Transparenz und Beteiligung will die Landesregierung verbessern.

 

Das Gesetz thematisiert auch die aktuellen Entwicklungen auf den Feldern Digitalität, Integration und Diversität. In Bezug auf die Digitalisierung etwa geht der Text deutlich über das noch gültige Kulturfördergesetz hinaus. Digitalität behandelt das Gesetz als Kunstform, als künstlerische Produktion, als Präsentation und Vermittlung von Kunst und damit als Chance für neue Wahrnehmungs- und Kommunikationsformen, sowie als Bewahrung des kulturellen Erbes. Zu den Aufgaben des Landes gehören das Schaffen von künstlerischen Freiräumen, die Bereitstellung von digitalen künstlerischen Produktionsmöglichkeiten und die Unterstützung der Kultureinrichtungen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur.

 

Die freie Kulturszene wird in ihrer Bedeutung anerkannt. Künstler- und Künstlerinnenförderung zielt nicht nur auf das künstlerische Schaffen, sondern auch auf Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildung, den allgemeinen Lebensunterhalt, etwa durch Stipendien, sowie auf Organisationen der Künstlerinnen und Künstler.

 

Ein besonderer Schwerpunkt soll künftig auf der Förderung der Kultur im ländlichen Raum liegen, doch die Aussagen mit Selbstverpflichtungs-Charakter wirken eher zögerlich. Im Zuge der parlamentarischen Diskussion könnte noch eine Schärfung erfolgen. Auch die Behandlung der einzelnen Sparten im Gesetz ist noch unausgewogen. Manche Sparten, wie etwa Film und Medienkunst, werden ausführlich behandelt, andere, wie etwa der Tanz, mit knappen Sätzen.

 

Ungeregelt ist bisher auch ein deutlicher Abbau der bürokratischen Verfahren und die Ermöglichung von Planungssicherheit. Das Gesetz formuliert die Entbürokratisierung als Ziel, doch der Weg dorthin wird nicht klar. Eine Kulturförderrichtlinie soll das Gesetz begleiten und diese Materie regeln. Diese Förderrichtlinie ist, laut Gesetz, alle zwei Jahre zu evaluieren. Das ist zu begrüßen, denn der Bürokratieabbau muss endlich in Angriff genommen werden, auch um längerfristige Planungen zu ermöglichen.

 

Es darf nicht aus dem Auge verloren werden, dass insgesamt das öffentlich finanzierte Kulturleben Nordrhein-Westfalens vor allem Aufgabe der Kommunen ist. Weit über 80 Prozent der öffentlichen Kulturausgaben kommen aus kommunalen Kassen. Eine Landesregierung, die über den landesfinanzierten Teil hinaus öffentliches Kulturleben steuern möchte – und das muss sie tun –, sollte Geld in die Hand nehmen. Das geschah lange Jahre nur sehr zögerlich, bis die Regierung Laschet den Kulturetat um 50 Prozent erhöht hat. Wir hatten eine Verdoppelung gefordert. Das klingt nach viel Geld, aber 50 Prozent bedeuten nur eine Erhöhung von 200 auf 300 Millionen Euro. Schon mit dieser Erhöhung sind jedoch wichtige Impulse gelungen. Eine Verdoppelung des jetzigen Haushalts in der nächsten Legislaturperiode ist Ziel des Kulturrats NRW.

 

Nicht vergessen werden darf, dass das Land als Corona-Hilfe 190 Millionen für Künstlerstipendien und 85 Millionen für die kulturellen Einrichtungen zur Verfügung gestellt hat – neben einer Soforthilfe und den Hilfen des Wirtschaftsministeriums. Die Stipendien werden nicht auf andere Hilfen angerechnet.

 

Der Kulturrat NRW würde es begrüßen, wenn es angesichts der Bedeutung des Gesetzes zu einer parteiübergreifenden Zustimmung kommen würde. Denn das Gesetz zeigt unter Kulturpolitikern unbestrittene Perspektiven und Rahmenbedingungen für die Landeskulturpolitik der nächsten Jahre auf. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören Transparenz und Verbindlichkeit als leitende Kriterien. Dazu werden klar strukturierte Konferenzen mit verbindlichen Vereinbarungen beitragen.

 

Das Gesetz ist auch ein wichtiges kulturpolitisches Signal in einer Zeit des Umbruchs, der nicht nur durch die Pandemie bewirkt wird, sondern auch durch die digitale Globalisierung und durch die weltwirtschaftlichen und finanzpolitischen Veränderungen. In unserem Lande wird entscheidend sein, wie sich die Staatsfinanzen und auch das Wirtschaftswachstum entwickeln. Werden die Kulturausgaben unter Druck geraten? Wird es zu Verteilungskämpfen zwischen den einzelnen Politikbereichen kommen? Es ist daher wichtig, dass schon heute eine kulturpolitische Debatte geführt wird, wie wir das soeben auch mit einer Kulturkonferenz getan haben, über die wir an dieser Stelle noch berichten.

 

Das Gesetz soll im Land bewirken, dass der Stellenwert der Kultur an Bedeutung gewinnt. Schon jetzt in der Pandemie scheint das Bewusstsein dafür, dass eine freie Gesellschaft Kultur zu ihrer Entwicklung braucht, gewachsen zu sein. Dieses Bewusstsein darf sich nicht wieder abschwächen. Das Gesetz macht deutlich, dass Kultur eine Querschnittsaufgabe der ganzen Landespolitik ist. Es wurde sorgfältig mit den anderen Ressorts abgestimmt. Wichtig ist, dass in einem solchen Gesetz, unabhängig von den Entscheidungen in künftigen Haushalten, einzelne Elemente der Kulturförderung durch Selbstverpflichtung des Landes auf gesetzliche Grundlagen gestellt werden. Das Gesetz bietet somit Rahmenbedingungen angesichts einer ungewissen Zukunft.

 

Mit dem Gesetz möchte die Landesregierung bekräftigen, dass Kulturpolitik nach dem Grundgesetz in erster Linie Aufgabe der Bundesländer ist und nicht in einem Bundeskulturministerium ihren Ausdruck finden muss.

 

Richtig und konsequent angewandt, wird mit diesem Gesetz die Kulturpolitik im Lande gestärkt werden. Es dürfte keine Schwierigkeiten machen, die genannten Defizite noch zu beheben. Das Vorhaben kann auch Vorbild für andere Bundesländer sein.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Gerhart Baum & Robert von Zahn
Gerhart Baum ist Vorsitzender des Kulturrates NRW. Robert von Zahn vertritt die Sektion Musik des Kulturrates NRW.
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