Regelwerk für die Kultur

Das Kulturgesetzbuch des Landes Nordrhein-Westfalen

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen ist 2017 mit dem Versprechen angetreten, die dichte und heterogene kulturelle Landschaft des Bundeslandes – finanziell und politisch – auf soliden Grund zu stellen und ihr Entfaltungsspielräume zu geben. Dieses Versprechen hat in zwei politischen Großprojekten Form gefunden, die einander ergänzen und die Wirksamkeit des jeweils anderen erst entfalten.

 

Mit einer bundesweit einzigartigen kulturpolitischen Offensive erhöht die Landesregierung den Kulturetat bis 2022 langfristig um mehr als 50 Prozent oder 100 Millionen Euro und beendet damit die strukturelle Unterfinanzierung der Kultur in Nordrhein-Westfalen. Dieser Aufwuchs, der auch angesichts der Corona-Akuthilfen in Höhe von zusätzlich 275 Millionen Euro planmäßig fortgesetzt wird, stabilisiert die vorhandenen Strukturen und schafft mehr Planungssicherheit.

 

Mit dem Kulturgesetzbuch, das auch Teil des Koalitionsvertrags der CDU-FDP-Landesregierung ist, löst die Landesregierung nun den zweiten Teil ihres Versprechens ein. Den Regierungsentwurf für das Kulturgesetzbuch hat das Landeskabinett Mitte Mai gebilligt, im Winter soll es verabschiedet werden und zum Jahresbeginn 2022 in Kraft treten.

 

Das Kulturgesetzbuch bündelt alle für die Kultur wesentlichen gesetzlichen Regelungen und fügt ihnen zugleich weitreichende und wesentliche Neuerungen hinzu. Es setzt die vorhandenen Regelwerke zueinander in Beziehung, schafft Übersicht und Transparenz und gibt den neuen politischen Vorhaben Nachdruck und Verbindlichkeit durch ihre gesetzliche Verankerung. Dazu zählen beispielsweise die Förderung der Bibliotheken, die Absicherung der Musikschulen oder die Bindung der Zuschüsse für kommunale Theater oder Orchester an Fördervereinbarungen, um zu verhindern, dass die Kulturförderung als freiwillige Aufgabe der Kommunen bei Sparrunden in Frage gestellt wird. Das Kulturgesetzbuch macht die vorhandenen gesetzlichen Regelungen leichter verfügbar, in ihrer Korrelation besser nachvollziehbar und verleiht den Anliegen der Kultur insgesamt deutlich mehr Gewicht.

 

Dabei hat das Kulturgesetzbuch ganz unmittelbare Auswirkungen für die Kulturschaffenden: So werden in einem Bereich, der von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt ist, Honoraruntergrenzen eingeführt, mehr Festanstellungen erwirkt und Förderantragsverfahren unbürokratischer gestaltet – was den vielen haupt- und ehrenamtlichen Akteurinnen und Akteuren den Zugang zu Förderungen erleichtert. Geschlechtergerechtigkeit und Diversität werden in der Kulturförderung des Landes und der Besetzung von Jurys verbindlich berücksichtigt – um nur einige Beispiele zu nennen. Das bestehende Kulturfördergesetz wird durch das Kulturgesetzbuch gezielt weiterentwickelt und schließlich abgelöst.

 

Mit dem Kulturgesetzbuch bekräftigt Nordrhein-Westfalen mit Nachdruck die Kulturhoheit der Länder als „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder“, wie das Bundesverfassungsgericht es in seiner Rechtsprechung fasst, und legt ein klares Bekenntnis sowohl zur Rolle der Kultur in Nordrhein-Westfalen als auch zur Rolle der Länder in der Kulturpolitik ab.

 

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Bedeutung der Kommunen für die Kultur übersehen würde. Im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung regeln die Gemeinden ihre kulturellen Aufgaben selbst und tragen gerade in Nordrhein-Westfalen den Löwenanteil der Kulturausgaben. Wir können und wollen den Gemeinden als Land nicht vorschreiben, wie sie ihre kulturellen Einrichtungen führen, wohl aber Angebote machen, die einen Rahmen vorgeben. Bei landesspezifischen Themen hingegen, etwa bei Kunstbesitz und Kulturförderung des Landes, schaffen wir sehr verbindliche Regelungen.

 

Das Kulturgesetzbuch ist ein Novum in Deutschland. In keinem anderen Bundesland gibt es ein vergleichbares Regelwerk für die Kultur. Entsprechend konnte es sich weder auf Vorbilder noch auf Erfahrungswerte stützen. Umso wichtiger war uns der intensive, fortgesetzte und breit angelegte Austausch mit den für die Kultur in Nordrhein-Westfalen relevanten Akteurinnen und Akteuren, unter anderem natürlich dem Kulturrat NRW, der sich einmal mehr als weitsichtiger und konstruktiver Gesprächspartner bewiesen hat. Der Austausch mit den Verbänden hat den Entwicklungsprozess dieses kulturpolitischen Großprojektes eng begleitet und war ein unverzichtbares Korrektiv unserer Arbeit. Insgesamt 32 Verbände wurden angehört und ihre Anregungen und Kritik in großem Umfang aufgenommen. Denn das Kulturgesetzbuch soll kein abstraktes Regelwerk sein, sondern sich unmittelbar auf die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen beziehen und ihr von Nutzen sein. Wir möchten die Rolle der Akteurinnen und Akteure in dieser Landschaft stärken und ihnen ihre Arbeit erleichtern.

 

Diese Diskussion möchten wir auch in Zukunft fortsetzen, um auf die Veränderungen der Kultur reagieren zu können, die ihrerseits gesellschaftliche Entwicklungen nachzeichnet und deshalb naturgemäß in Bewegung ist. Entsprechend soll das Kulturgesetzbuch ein lebendiger, ein lernender Organismus sein, dessen Unabgeschlossenheit eines seiner Wesensmerkmale ist. An die Stelle der bestehenden Kulturförderpläne treten mit den Kulturkonferenzen, die zweimal pro Legislaturperiode vorgesehen sind, dialogorientierte Formate, die dokumentiert werden und deren Verabredungen nachgehalten werden. Hierdurch koppeln wir eine den Kulturförderplänen vergleichbare Verbindlichkeit mit einem aktiven Prozess der Anpassung an die sich wandelnde kulturelle Realität.

Isabel Pfeiffer-Poensgen
Isabel Pfeiffer-Poensgen ist Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
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