Niedersachsen: Kultur für Flächenland und Detail

Niedersachsen und seine Kulturpolitik für die nächsten Jahre

Niedersachsen

  • Landeshauptstadt: Hannover
  • Gründung: 1. November 1946
  • Einwohner: 7,86 Mio.
  • Fläche: 47.614,07 km²
  • Bevölkerungsdichte: 165 Einwohner pro km²
  • Regierungschef: Stephan Weil (SPD)
  • Regierende Parteien: SPD und Bündnis 90/Die Grünen
  • Nächste Wahl: Winter 2018
  • Ministerin für Kultur und Wissenschaft: Gabriele Heinen-Klajić (Bündnis90/Die Grünen)
  • Öffentliche Ausgaben für Kultur:  543,4 Mio. Euro/Jahr
  • Kulturausgaben je Einwohner: 69,89 Euro/Jahr
  • Kommunalisierungsgrad: 54,6%

Wenn’s nur mehr Geld gäbe! Die Niedersachsen sind nicht die Reichsten, man ist Empfängerland. Wie überall leidet auch hier die Kulturpolitik an der Schuldenbremse. Das erschwert es, offen heraus über Zukunftswünsche zu sprechen. Im Gegenteil, bevor Volker Bajus, MdL und kulturpolitischer Sprecher der Faktion B90/Die Grünen, die Herausforderungen der nächsten Jahre benennt, wirft er lieber einen kurzen Blick in die Vergangenheit: „Wir haben es noch nicht ganz geschafft, den Abbau in allen Kulturbereichen unserer Vorgängerregierung wieder auszugleichen.“ Bis 2013 regierte in Hannover schwarz-gelb, dann kam rot-grün. Übernächstes Jahr wird in Niedersachsen wieder gewählt und für die zukünftige Kulturpolitik nennt Bajus dann durchaus Ansprüche: „Auch im Kulturbereich wünschen wir uns ‚Gute Arbeit‘, also zum einen anständig bezahlte Arbeit, die zum anderen mit Sozialversicherungen verlässlich abgesichert ist. Ebenso ist uns die kulturelle Teilhabe wichtig.“

 

Mit den genannten Zielen liegt Volker Bajus voll auf Linie mit grünen, aber auch sozialdemokratischen Idealen. Sie in die Realität zu tragen, wird aber auch zukünftig schwierig, denn mit höheren Budgets für die Kultur ist nicht zu rechnen. Und umverteilen lässt sich nur wenig. Denn in Niedersachsen ist mit etwa 90 Prozent der größte Teil des Kulturetats festgelegt durch die großen Kulturinstitutionen des Landes wie die drei großen Staatstheater oder die Landesmuseen und Landesbibliotheken. Bajus: „Für die Kulturpolitik würde ich mir einfach mehr Geld wünschen. Weil Spielräume durch Umschichtung zu erreichen, das geht nicht!“

 

Man kennt diesen Zustand aus dem Rest der Republik. Da macht Niedersachsen keine Ausnahme. Und auch die grüne kulturpolitische Position ist aus anderen Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung bekannt. Noch vor ein, zwei Dekaden war es innerhalb der Grünen – damals noch wörtlich als „alternative“ Partei anerkannt – gewissermaßen Konsens, dass man zukünftig stärker die freie, unabhängige Kulturszene fördern müsse. Wenn nötig dürfe dieses neue Engagement auch zulasten der fest etablierten, in mächtigen Institutionen „erstarrten“ Kultur gehen. Dieses – nicht zuletzt vom Neid motivierte – Verständnis von „Umverteilung“ hat sich in der grünen Kulturpolitik jedoch nicht durchgesetzt. Heute weiß man auch dort, dass sich vermeintliche Umverteilung in der Realpolitik zerstörerisch auf die Kultur insgesamt auswirken würde. Und dennoch ist man sich bei den Grünen dieser ungleichen Gewichtung der Kulturförderung sehr bewusst.

 

Volker Bajus ist Landtagsabgeordneter, zudem ist er seit vielen Jahren Mitglied des Stadtrates in Osnabrück. In „seiner“ Kommune mit rund 160.000 Einwohnern, sagt er, würden ganz ähnliche Verhältnisse herrschen. „Weit über 90 Prozent der Kulturgelder nehmen hier Stadttheater, Museen, also die klassischen Institutionen, ein“, sagt Volker Bajus, was in seiner ungleichen Gewichtung wiederum eine ganz andere problematische Gefahr offenlegt: Niedersachsen hat Kommunen, die unter Haushaltssicherung stehen. Deren Situation ist prekär. „Kultur steht als freiwillige Aufgabe schnell auf den Sparzetteln der Haushälter“, warnt Volker Bajus.

 

Auch in der momentanen Opposition Niedersachsens ist Jörg Hillmer vom Arbeitskreis Kultur der CDU-Fraktion mit der ungleichen Gewichtung der Kulturförderung äußerst unzufrieden. Für die neueren Kultureinrichtungen, wie etwa im Bereich Soziokultur, seien immer nur kleinere Beträge vorhanden, was angesichts der neuen Herausforderungen der Breitenkultur schlecht und unpassend sei. „Das hat vor allem etwas mit dem demographischen Wandel zu tun“, sagt Jörg Hillmer: „Niedersachsen ist ein Flächenland. Wo es früher ehrenamtliche Kulturträger gab, wie beispielsweise bei Chören oder Musikvereinen, sind heute Abbrüche zu verzeichnen. Gleichzeitig entsteht aber Neues. Da muss die Förderung der Breitenkultur mitwachsen!“

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
Vorheriger ArtikelMecklenburg-Vorpommern: So ein Theater… im Land der Schlösser und Gärten
Nächster ArtikelBayern: „Land der wunderbaren Neger“