Überblick: Kulturförderpolitik

16 Bundesländer, acht Ausgaben, zwei Autoren – eine Umfrage

Kulturpolitik liegt zuvorderst in der Verantwortung von Kommunen und Ländern. Jedes Bundesland sieht sich vor spezifischen kulturpolitischen Herausforderungen und ist zuständig für die eigene kulturelle Entwicklung. Doch wie gestaltet sich die Kulturpolitik in den 16 Bundesländern in der Praxis?

 

Vor einem Jahr und zwei Monaten – oder vor sieben Ausgaben von Politik & Kultur – hat der Deutsche Kulturrat gemeinsam mit dem kulturpolitischen Reporter Peter Grabowski und dem freien Journalisten Sven Scherz-Schade eine Reihe zur Kulturpolitik der Bundesländer aus der Taufe gehoben, um genau dieser Frage nachzugehen.

 

Die Antworten sind so unterschiedlich ausgefallen, wie der kühle Norden, der bergige Süden, der bevölkerungsreiche Westen und der sonnige Osten der Republik eben sind. Einmal Bilanz gezogen, lautetet das so:

 

In Baden-Württemberg gibt es zumindest bis ins Jahr 2020 die „Landesstrategie Kultur“. Zudem stehen nach der Landtagswahl im März dieses Jahres auf kulturpolitischer Ebene die Kulturgarantie und die kulturelle Teilhabe im Fokus.

 

Das kulturpolitische Paradies hat einen Namen: Bayern. Nirgends sonst in der Republik sind die öffentlichen Kassen so gut gefüllt und verzeichnen die Theater, Museen und Bibliotheken solche Besucherrekorde wie am südlichen Ende Deutschlands. Hinzu kommt, dass kein anderes Bundesland so viel Geld für Kultur ausgibt. Problematisch erscheint da nur, dass der Kulturpolitik beschieden wird: „Zu viel Vergangenheit, zu viel München“.

 

Die Bundeshauptstadt ist eine Welt der kulturellen Extreme, die sowohl bürgerschaftliche Kleininitiativen wie das Charlottenburger Keramikmuseum als auch internationale Großprojekte wie das geplante Humboldt Forum vereint. So ist die Berliner Kultur verankert zwischen altbekannten Traditionalismus und kosmopolitischen Metropolenanspruch. Hinzu kommt, dass hier auch der Bund in der eigenen Hauptstadt mitmischt.

 

Betroffen vom Wegzug junger Menschen ist das Flächenland rund um die Hauptstadt: Brandenburg. Neben den großen kulturellen Leuchttürmen – die Theaterhäuser in Potsdam und Cottbus sowie das Filmorchester Babelsberg – gibt es viele kleinteilige kulturelle Entwicklungsräume. Diese trotz sinkender Bevölkerungszahl am Leben zu erhalten, ist Hauptaufgabe brandenburgischer Kulturpolitik.

 

Das kleinste Bundesland Bremen ist arm, aber schön (– nicht zu verwechseln mit Berlin: arm, aber sexy!). Das macht sich auch in der Kulturpolitik bemerkbar. Nichtsdestotrotz gibt es interessante Ansätze wie das „Contracting“: Seit 2007 schließt der Stadtstaat mit einzelnen Kulturinstitutionen Förderverträge über Zeiträume zwischen zwei und fünf Jahren. So erhalten Einrichtungen des kulturellen Lebens mittelfristige Förderungen.

 

Hamburg hat eine neue Perle: die Elbphilharmonie. Allerdings haben unter dem neuen städtischen Wahrzeichen aktuell die etablierten Kulturinstitutionen Staatsoper, Thalia Theater und Deutsches Schauspielhaus zu leiden. Sie stehen im Schatten des Leuchtturms am Hafen. Am Hafen liegt auch der nächste kulturpolitische Geniestreich – das Hafenmuseum. Wo in Zukunft Licht und Schatten hinfallen, bleibt dann abzuwarten.

 

In Hessen wird Kultur im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst gemacht. Problematisch ist da vor allem die ungleiche Mittelverteilung zwischen den Disziplinen. Nur ein Zehntel der Mittel fließt in die Kultur! Dem zum Trotz wächst die einmalige Museumslandschaft am Rhein immer weiter.

 

Mecklenburg-Vorpommern wird beherrscht von zwei kulturpolitischen Dauerthemen: die „Ewigkeitsaufgabe“ der Erhaltung der über 2.000 Gutshäuser, Herrenhäuser und Schlösser sowie die Strukturierung der Theater und Orchester. Letzteres verwundert nicht, denn seit 1994 wurden die Fördermittel für Theater und Orchester nicht mehr erhöht!

 

Nordrhein-Westfalen ist ein kulturpolitisches Paradoxon: Das größte Bundesland nimmt den geringsten direkten Einfluss auf das eigene Kulturleben, denn das liegt vornehmlich in der Hand von Kommunen, Kreisen und Körperschaften. Dem zum Trotz ist es das einzige Bundesland mit eigenem Kulturfördergesetz.

 

Im Allgemeinen mangelt es Niedersachsen nicht an Geld, im Speziellen – nämlich der niedersächsischen Kultur – allerdings schon. Die Kulturpolitik leider unter der Schuldenbremse. Für die Zukunft wünscht man sich, den Kulturabbau der vorherigen Regierung auszugleichen, Kulturarbeit gerecht zu entlohnen und kulturelle Teilhabe voranzutreiben.

 

Nach den Landtagswahlen 2016 in Rheinland-Pfalz ist klar: In dieser Legislaturperiode wird Kulturpolitik weder an allererster Stelle stehen, noch wird sie parteipolitisch besonders kontrovers gestaltet. Und dann muss die Kulturpolitik auch noch Umgang mit der teilweise schamlosen Einmischung der im Landtag sitzenden AfD finden. Die Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

Dem kleinen Saarland bescheinigt Sven Scherz-Schade: Neue kulturpolitische Ideen sind rar. Hinzu kommt die hohe Verschuldung des Landes und mit ihr ein nahezu eingestampfter Kulturetat. Da bleiben nur die kulturellen Leuchttürme: die künstlerischen Hochschulen, das Staatstheater als Drei-Spartenhaus, das Saarland-Museum und das Weltkulturerbe Völklinger Hütte.

 

Sachsen ist Kulturstaat – und zwar nicht nur, weil der Freistaat Kultur als Staatsziel in der Landesverfassung verankert hat, sondern auch weil er Wahrzeichen und Fläche gleichermaßen im Blick behält. Letzteres wird durch das Kulturraumgesetz sichergestellt; mithilfe dessen auch ländliche Kulturräume gefördert werden.

 

Im „Kernland der deutschen Geschichte“, so Peter Grabowski, steht entsprechend das kulturelle Erbe im Fokus. Was für Sachsen-Anhalt Inspiration sein könnte, ist heute vor allem leider Beschwernis. Der Grund sind leere Kassen. Die haben vor allem mit der nach der Wende vollzogenen Deindustrialisierung von Magdeburg, Dessau und Bitterfeld zu tun. Als ungewöhnlichen Weg heraus wurde der „Kulturkonvent“ ins Leben gerufen, dessen Ergebnisse zum Teil im Landeskulturkonzept 2025 mündeten.

 

Aus kulturpolitischer Perspektive betrachtet, hat das nördlichste Bundesland Schleswig-Holstein schwere Zeiten durchgemacht: Seit 2005 litt der Kulturbereich unter starken Einschnitten. Mittlerweile ist die Landeskasse wieder ausgeglichen und das schleswig-holsteinische Credo für die Kulturpolitik lautet: kulturelles Erbe erhalten!

 

173 Schlösser und ein Kuhschwanzfest gibt es in Thüringen, das will heißen: Hinter jeder Ecke verbirgt sich Kulturgut, dessen Tradition akribisch bewahrt wird. Entsprechend liegt das grüne Herz Deutschlands auf dem soliden zweiten Platz der Kulturausgaben pro Kopf im bundesweiten Vergleich. Einen Strich durch die Rechnung macht dabei nur der demographische Wandel und der folgende Bevölkerungsrückgang.

 

So sieht die Kulturpolitik der 16 Bundesländer im Schnelldurchlauf aus. Die ausführliche Berichterstattung können Sie unter www.kulturrat.de/thema/landeskulturpolitik/ nachlesen. Und wenn Sie das getan haben, stimmen Sie ab: Welches Bundesland macht die beste Kulturpolitik?

 

Ab dem 1. bis zum 22. September 2016 können Sie dazu hier Ihre Stimme abgeben. Im Anschluss wird auch dort der Sieger gekürt – in der Hoffnung ein Vorbild für das eine oder andere Land zu sein.

 

In diesem Sinne: Die Umfrage ist eröffnet. Auf dass, die beste Landeskulturpolitik gewinnen möge!

 

Theresa Brüheim
Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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