Baden-Württemberg: Kulturelle Teilhabe und Bildung sichern

Herausforderungen der Kulturpolitik in Baden-Württemberg

Weitaus komplexer und komplizierter verlief hingegen die Ausgestaltung zur »Kulturellen Bildung«. Kulturpolitische Hauptfrage wird sein, welchen Stellenwert die kulturelle Bildung innerhalb der neuen Schultypen Gemeinschaftsschule und Inklusionsschule einnehmen wird. Noch immer ungeklärt ist, ob die Ganztagsschule genügend Freizeit – oder besser; ausreichend freie Zeiten – beispielsweise für individuellen Musik- und Instrumentalunterricht einräumen wird.

 

Gegenwärtig misst die derzeitige Landesregierung der kulturellen Bildung insofern nicht wirklich hohen Stellenwert bei, als dass kulturelle Bildung nicht als Leitperspektive in den neuen Bildungsplan aufgenommen wurde. Jene neu eingeführten Leitperspektiven sollen pädagogische Orientierungsgrößen liefern und immerhin haben es unter anderem Bildung für nachhaltige Entwicklung, Medienbildung und Verbraucherbildung auf diese Liste der Leitperspektiven geschafft, jedoch kulturelle Bildung nicht! Hat es hier schlichtweg die kulturpolitische Lobby nicht geschafft, sich Gehör zu verschaffen? Für sie hat sich womöglich die Ressortaufteilung der Ministerien als ungünstig erwiesen, da die kulturelle Bildung unter Grün-Rot sowohl aufs Kultusministerium wie aufs Kunstministerium (eigentlich Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst) übertragen wurde. Die Zuständigkeit ist bis dato nicht geklärt. Das hört man unterschwellig immer mal wieder heraus, etwa in Reden auf parlamentarischen Empfängen. Dort ist oft eine ehrliche Begeisterung für die gute Sache kulturelle Bildung spürbar, aber als offene Rechnung bleibt in der Regel im Raum stehen, wer die gute Sache bezahlen soll. So schieben es sich die »Kultus-Leute« und die »Kunst- und Kulturleute« gegenseitig zu. Manfred Kern wünscht sich deshalb, sollten die Grünen 2016 regierungsbeteiligt sein, ein »Querschnittsreferat«, das sich über die Ministerien hinweg mit Kultureller Bildung befasst. Nachgefragt beim Kunstministerium sieht man dort jedoch keinen Handlungsbedarf: »Das Thema [kulturelle Bildung] ist in Baden-Württemberg mit der Verankerung im Kultusministerium und im Wissenschaftsministerium richtig platziert; ein Querschnittsreferat oder ein spezieller Regierungsposten erscheint aus diesem Grunde nicht notwendig.« Und Sabine Kurtz lenkt ein, dass es in der Vergangenheit ja bereits den »Fachbeirat für Kulturelle Bildung« gab, der als Querschnittsgremium alle beteiligten Akteure und ihre Positionen zusammen gebracht hat. Der Fachbeirat hatte im November 2013 seine Empfehlung abgegeben. Nach all der Anstrengung via Fachbeirat erscheint es ihr unverständlich, dass »kulturelle Bildung nun im neuen Bildungsplan nicht explizit hervorgehoben wird«. Dass kulturelle Bildung somit weiterhin kulturpolitische Herausforderung für Baden-Württemberg bleibt, ist gewiss.

 

2020 tritt das ehemals von der Föderalismuskommission beschlossene Verbot der Nettokreditaufnahme der Länder in Kraft. Da wird auch in Baden-Württemberg die Schuldenbremse angezogen. Auch das wird eine kulturpolitische Herausforderung! Denn angesichts rigoroser Einsparvorgaben neigen Politiker schnell dazu, zwischen Pflichtaufgaben und Freiwilligkeitsleistungen zu unterscheiden. Unter letzteres fällt die Kultur, auch wenn sie als Staatsziel in der Landesverfassung Baden-Württembergs erwähnt ist: »Der Staat und die Gemeinden fördern das kulturelle Leben…« Momentan steckt das Ländle nicht in Sparnotwendigkeiten. Das wird aber kommen, wenn die Wirtschaftskraft wieder nachlässt. Für diese schwachen Jahre wird sich auch die Kulturpolitik wappnen müssen, weshalb Sabine Kurtz hierbei für eine »Kulturgarantie« plädiert: Sanierung des Landeshaushalts ja, aber nicht auf Kosten der Kulturausgaben. Das sieht im Prinzip auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Guido Wolf so: »Die Kulturausgaben dürfen nicht allein denjenigen Fundus stellen, aus dem man bis 2020 herausspart.« Die Angst geht um, dass die Kulturausgaben – so Wolf – zum Steinbruch für die Haushaltssanierung werden. Da spürt man den politischen Wind bereits. Der Wahlkampf hat begonnen.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 04/2015 erschienen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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