Schleswig-Holstein: Kulturperspektiven für die Fläche

Zukunftsfähige Kulturpolitik in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein

  • Landeshauptstadt: Kiel
  • Gründung: 23. August 1946
  • Einwohner: 2,8 Mio.
  • Fläche: 15.799 km²
  • Bevölkerungsdichte: 179 Einwohner pro km²
  • Regierungschef: Torsten Albig, MdL (SPD)
  • Regierende Parteien: SPD, Bündnis 90/Die Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband)
  • Nächste Wahl: Frühjahr 2017
  • Ministerin für Justiz, Kultur und Europa: Anke Spoorendonk (SSW)
  • Öffentliche Ausgaben für Kultur:  173,4 Mio. Euro/Jahr
  • Kulturausgaben je Einwohner: 61,90 Euro/Jahr
  • Kommunalisierungsgrad: 50,5%

In erster Linie das kulturelle Erbe erhalten! Das hat Vorrang. Soweit möglich, kann man darüber hinaus weiterentwickeln. Das wäre im Groben – unter dem Druck der Haushaltskonsolidierung – das Hauptanliegen der Kulturpolitik in Schleswig-Holstein. Das klingt nicht unbedingt spannend und taugt nur schlecht für etwaige Wahlkampfsprüche, doch es ist der realistische Zukunftsblick für die Kulturpolitik im Norden der Republik.

 

Ein großer Schwerpunkt der Kulturfinanzierung ist zum Beispiel die Ausstattung der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf in Schleswig, an welche zahlreiche Einrichtungen angegliedert sind, vom Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte über das Wikinger Museum Haithabu bis zum ehemaligen Benediktinerkloster Cismar. Konkret tut sich hier eine Herausforderung auf: Das Volkskunde Museum, bisher angesiedelt in Schleswig, wird zum Schleswig-Holsteinischen Freilichtmuseum nach Molfsee verlagert; hierzu gab es einen architektonischen Wettbewerb und es kommt in den nächsten Jahren darauf an, die Konzepte für das neue Museumsensemble umzusetzen. Kulturpolitisch bedeutet das nicht zuletzt, in den kommenden Haushaltsplanungen schon mal finanziell vortasten, wieviel dafür zu bekommen ist. Wie gesagt: Die Haushaltskonsolidierung, um sich für die Schuldenbremse 2020 fit zu machen, hängt über allem. Der Kulturhaushalt Schleswig-Holstein hat etwa 20 Millionen Euro jährlich. Etwas genauer: Der Haushaltsplan 2015 umfasst im „Titel 0940 – Kulturförderung“ Ausgaben von 22,9 Millionen Euro. Darin sind die genannten Aufgaben enthalten, die Hauptposition betrifft die Zuweisungen an die Stiftung SH Landesmuseum mit 12,3 Millionen Euro. Insgesamt ist diese Größenordnung seit einigen Jahren stabil, Erhöhungen sind wahrscheinlich nur schwer durchzubringen.

 

Seit 2012 besteht im nördlichsten Bundesland unter Ministerpräsident Torsten Albig die Regierung aus SPD, Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband), die von scherzhaft bis boshaft auch „Dänen-Ampel“ genannt wird. In den Jahren zuvor war unter Ministerpräsident Peter Harry Carstensen seit 2005 die CDU für sehr viele Einschnitte verantwortlich, auch im Kulturbereich. Einige Kultureinrichtungen hatten schmerzhafte Streichungen bis zu 15 Prozent ihrer Förderung zu verkraften. Doch inzwischen hat sich die Lage des Landes finanziell verbessert, es gibt Einnahmen. Für die Kultur bleibt vorläufig zumindest die Aussicht auf Wahrung des Status quo, wobei das – hört man in die Fraktionen von SPD und CDU hinein – der Kulturpolitik unterm Strich als zu wenig erscheint. Es dürfte gern ein bisschen mehr sein.

 

Schleswig-Holstein ist im Norden, zum Beispiel im Landkreis Nordfriesland, recht ländlich geprägt, anders ist es hingegen in der Region rund um Hamburg strukturiert. Weil es dort auch sehr wohlhabende Kommunen mit überdurchschnittlich gutem Steueraufkommen gibt, kann man durchaus von Speckgürtel sprechen, wobei: Es gibt auch dort Gemeinden, denen es nicht gut so geht. Nicht zuletzt, weil die Gegensätze im Flächenland so immens sind, hat Schleswig-Holstein im letzten Jahr den kommunalen Finanzausgleich neu geordnet. Dabei sind unter anderem die Kulturaufgaben als „übergemeindliche Aufgaben“ bewertet worden, sodass durch diese Klassifizierung nun Kommunen mit Kultureinrichtungen bzw. mit solchen übergemeindlichen Aufgaben deutlich mehr bekommen. „Das Finanzausgleichgesetz läuft jetzt erst ein Jahr, sodass wir noch nicht absehen können, wie sich das weiter entwickelt“, sagt Beate Raudies, kulturpolitische Sprecherin der SPD: „Das Ziel ist aber, dass diejenigen Kommunen, die Kultur anbieten, einen besseren Ausgleich erhalten.“ Beate Raudies hat bislang durchmischte Erfahrungen gemacht: Viele, aber eben leider nicht alle Kommunalpolitiker sehen die Verantwortung, dass man als kommunaler Träger auch regionaler Kulturversorger für die Menschen jenseits der Gemeindegemarkung ist. Da bleibt als Zwischenfazit: Eine zukunftsfähige Kulturpolitik in Schleswig-Holstein wird auch Überzeugungsarbeit leisten müssen, was weniger parteiabhängig sein wird, sondern vielmehr milieu- und personenabhängig über die politischen Ebenen hinweg.

 

Kulturpolitik wird sich vor allem um Theaterfreunde kümmern müssen, die irgendwo in der norddeutschen oder südschleswigschen Fläche wohnen. Schleswig-Holstein hat in Kiel und Lübeck zwei große Theaterstandorte und es hat in der Rechtsform einer GmbH das Landestheater mit mehreren Spielorten in kleineren und mittelgroßen Städten wie Flensburg, Rendsburg, Husum und andere. Gesellschafter dieser GmbH sind Städte und Landkreise, das Bundesland allerdings nicht. Auch Schleswig gehört dazu, dort allerdings musste aus baulichen Gründen die Spielstätte abgerissen werden, was nicht zuletzt innerhalb der Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchester GmbH zu „erheblichen Turbulenzen“ führte. So benennt Peter Sönnichsen, kulturpolitischer Sprecher der CDU, die Situation. Der Hauptspielort wird zukünftig Rendsburg sein. Gegründet in den 1970er Jahren, ist das Konstrukt des Landestheaters ein bisschen in die Jahre gekommen, denn einige der kommunalen Mitgesellschafter der GmbH überlegen auszusteigen. „Ich hoffe, dass das nicht passiert“, sagt Sönnichsen: „Für unseren ländlichen Raum wäre Theater sonst nicht mehr zu regeln. Das Problem zeigt die Schnittstelle von kommunaler Förderung und Landesförderung auf.“ Die Kulturpolitik müsse im Sinne der flächendeckenden Theaterversorgung die Kommunen stärken, was im Bundesland durchaus fraktionsübergreifend Konsens zu sein scheint. Doch der kulturpolitische Druck hat sich erhöht! Denn unterdessen hat im Sommer der Landkreis Dithmarschen beschlossen, den Gesellschaftsvertrag zu kündigen.

Sven Scherz-Schade
Sven Scherz-Schade ist freier Journalist in Karlsruhe und arbeitet unter anderem zu den Themen Kultur und Kulturpolitik für den Hörfunk SWR2.
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