Innen und Außen – ein Spannungsfeld?

Zivilgesellschaftliche Akteure in den Blick nehmen

Akteure der Auswärtigen Kulturpolitik

 

Die Akteure der Auswärtigen Kulturpolitik haben ebenfalls einen großen Vorteil: Sie stehen für das Weitläufige, für den Kontakt in die Welt, die Sehnsucht in die Ferne und den Austausch mit Fremden. Und das alles noch abgesichert, mit dem Rückfahrtticket in der Tasche. Gegenüber den Kultureinrichtungen, Vereinen, Künstlern, Projekten usw. im Inland haben sie aber auch einen sehr großen Nachteil: Sie sind zumeist nicht sichtbar. Das gilt insbesondere für jene, die im Ausland arbeiten. Für den Kulturnutzer im Inland war es vollkommen irrelevant, als die Deutsche Welle ihr Hörfunkprogramm in unterschiedlichen Landessprachen ausgedünnt hat und die Kurzwelle abgeschaltet wurde. Ob das Fernsehprogramm der Deutschen Welle in Australien in Englisch oder in Deutsch zu sehen ist, interessiert hierzulande nur Eingeweihte. Die Sprachkurse des Goethe-Instituts in Nowosibirks, die Bibliotheksarbeit in Rio de Janeiro oder die Ausstellungen in Nairobi, was hat dies mit dem „normalen“ Kulturnutzer zu tun: in der Regel nichts.

 

Andere sehr wertvolle Vorhaben wie z. B. der Deutsch-Russische Museumsdialog der Kulturstiftung der Länder richten sich vor allem an ein Fachpublikum. Der internationale Jugendaustausch etwa im Rahmen des Deutsch-Französischen oder des Deutsch-Polnischen Jugendwerks sind stärker jugendpolitische Instrumente und weniger Teil der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik – auch wenn das Auswärtige Amt mit „kulturweit“ einen wichtigen Freiwilligendienst für junge Menschen unterstützt oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Ähnliches mit „weltwärts“ verfolgt.

 

Die Verbindung von Kulturinnen- und -außenpolitik ist daher sehr oft zuallererst das Interesse von Akteuren der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, denn so können sie im Inland wirken und werden sichtbar.

 

Vielfalt der Akteure

 

Die Kulturinnen- und -außenpolitik verbindet die Vielfalt der Akteure. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind nicht nur selbst Mitspieler und Anbieter von Kultur bzw. Kulturaustausch im In- und Ausland, einige bündeln auch die Anliegen ihrer Mitglieder und vertreten diese gegenüber Politik und Verwaltung.

 

Zahlreiche deutsche Kulturfachverbände, aber auch Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen oder Wirtschaftsverbände sind Mitglied in europäischen oder internationalen Zusammenschlüssen. Sie tragen auf diese Weise zum kulturellen Austausch bei, geben Erfahrungen aus Deutschland in das Ausland weiter und bringen Best Practice aus anderen Ländern mit. So wurde die Debatte zur Umsetzung der UN-Agenda 2030 in Deutschland insbesondere vom Deutschen Bibliotheksverband vorangetrieben, der über seinen internationalen Verband, IFLA, unmittelbar an der Erarbeitung der UN-Agenda 2030 beteiligt war.

 

Zivilgesellschaftliche Akteure vor Ort sind es auch, die den Austausch mit Vereinen und Organisationen europa- und weltweit pflegen. Gerade diese lokal verankerten Initiativen, sei es ein Kirchenchor oder eine Stadtteilinitiative, schaffen Verbindungen, die, wenn sie gelingen, sich durch Tragfestigkeit auszeichnen. Sie sind aber eher selten im Blick, wenn über die stärkere Verbindung von Kulturinnen- und -außenpolitik gesprochen wird.

 

Spannungsfeld

 

Was ist also das Spannungsfeld von Kulturinnenpolitik und Kulturaußenpolitik? Ich denke, es ist ganz banal der unauflösbare Widerspruch zwischen der Sehnsucht nach der Ferne und dem Wunsch nach Inspirationen durch andere, also der Kulturaußenpolitik, sowie der erforderlichen Verankerung von Kultur vor Ort, also der Kulturinnenpolitik, denn Kunst braucht Resonanzräume und Wiedererkennungseffekte. Im Wort Spannungsfeld steckt „Spannung“ und Spannung kann bekanntermaßen elektrisieren und Energie freisetzen. Insofern kann das Spannungsfeld beflügeln, wenn beider gleichermaßen erhobenen Hauptes und mit dem Selbstbewusstsein der eigenen Fähigkeiten in die Debatte einsteigen.

 

Der Beitrag erscheint in „Innenkulturpolitik – Außenkulturpolitik. Perspektiven gemeinsamen Handelns“, hrsg. von Ronald Grätz und Markus Hilgert, Steidl Verlag 2021, ISBN 978-3-95829-972-6.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2021.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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