Zweiter Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 07.02.2006. Das Bundesministerium der Justiz hat mit Datum vom 03.01.2006 einen zweiten Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vorgelegt. Die Bundesministerium der Justiz hat erklärt, dass sie mit diesem zweiten Referentenentwurf die Einwände der beteiligten Kreise auf den Referentenentwurf vom Herbst 2004 aufgenommen hat.

 

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass mit dem zweiten Referentenentwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ nunmehr vom Bundesministerium der Justiz eine Diskussionsgrundlage zur Umsetzung des so genannten Korbes II der „EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“ vorgelegt wurde und damit die Urheberrechtsreform fortgeführt wird.

 

Der Deutsche Kulturrat hat bereits im Dezember 2003 eine „Stellungnahme zur Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ abgegeben. Wir beziehen uns mit der vorliegenden Stellungnahme ausdrücklich auf diese Stellungnahme[1]. Weiter verweisen wir auf die weiteren Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates zu urheberrechtlichen Fragen, in denen der Deutsche Kulturrat verdeutlicht hat, dass im Urheberrecht ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten, sonstigen Rechteinhabern, Vermittlern und Nutzern geschaffen werden muss[2]. Darüber hinaus hat der Deutsche Kulturrat zu weiteren geplanten Veränderungen im Urheberrecht Position bezogen so erst jüngst mit einer „Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt“[3]. Ebenso hat der Deutsche Kulturrat bereits am 09.11.2004 zum ersten „Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“[4] Stellung genommen. Viele unserer dort vorgetragenen Bedenken sind nach wie vor aktuell. Andere haben sich sogar noch verstärkt. Der Deutsche Kulturrat beschränkt sich daher mit dieser Stellungnahme auf eine Aktualisierung seiner Position vom 09.11.2004 und bezieht sich ausdrücklich darauf. Auf Veränderungen im neuen Referentenentwurf wird im Folgenden eingegangen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt ausdrücklich, dass Kulturstaatsminister Bernd Neumann sich öffentlich gegen die Einführung einer so genannten Bagatellklausel bei Urheberrechtsverletzungen (§ 106 Abs. 3 RefE) gewandt hat. Der Deutsche Kulturrat verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, dass die dem deutschen Recht fremde Bagatellklausel aus dem Referentenentwurf entfernt wird und für das geistige Eigentum die gleichen Grundsätze gelten wie für das materielle Eigentum.

 

Der Deutsche Kulturrat nimmt im Folgenden zu einigen wesentlichen unter den Verbänden der Künstler, der Kultureinrichtungen, der Kulturvereine und der Kulturwirtschaft unstreitigen Fragen Stellung. Zu anderen wichtigen Punkten, zu denen innerhalb des Deutschen Kulturrates unterschiedliche Auffassungen bestehen, äußern wir uns hier nicht.

 

I. Wert der Kreativität

Urheber und ausübende Künstler leben von der Verwertung ihrer künstlerischen Arbeiten. Ihre Kreativität bildet die Grundlage für ihren Lebensunterhalt und sie gehören zu den wichtigen Inhaltslieferanten der Informations- und Wissensgesellschaft. Das Urheber- und Leistungsschutzrecht bietet für Künstler und für die Unternehmen der Kulturwirtschaft, insbesondere Verleger und Produzenten, einen wesentlichen Rechtsrahmen für eine wirtschaftliche Ausübung ihrer Tätigkeit. Künstlerische Arbeiten haben neben dem wichtigen ideellen auch einen ökonomischen Wert. Diesen Wert kreativer Leistungen zu schützen, muss auch im digitalen Zeitalter das wesentliche Anliegen des Urheber- und Leistungsschutzrechts bleiben.

 

II. Position des Deutschen Kulturrates zu einzelnen Aspekten des Urheber- und Leistungsschutzrechtes

1. § 53 UrhG (Vervielfältigung zum privaten Gebrauch)

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass das Bundesministerium der Justiz seinem Vorschlag gefolgt ist, zunächst abzuwarten, ob sich die mit dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft neu gefassten Regelungen bewähren und die Regelungen zur privaten Kopie nicht grundsätzlich zu ändern.

 

2. Pauschalvergütung und Digital Right Management

Der Deutsche Kulturrat begrüßt weiterhin, dass seine Forderung nach dem parallelen Fortgelten beider Systeme, Pauschalvergütung und Digital Right Management, weitgehend aufgenommen wurde. Der Deutsche Kulturrat betont an dieser Stelle nochmals, dass die Digital Right Management-Systeme zum gegenwärtigen Zeitpunkt technisch noch nicht ausgereift und derzeit allenfalls in eng begrenzten Bereichen der Online-Übermittlung von Werken wirksam sind. Auch auf längere Sicht, wenn die Digital Right-Management-Systeme ausgereift sind, wird nach Auffassung des Deutschen Kulturrates die Notwendigkeit der pauschalen Vergütung für die private Vervielfältigung von Werken erforderlich bleiben.

 

3. Vergütungshöhe (§ 54 a, Abs. 4 UrhG)

Der Deutsche Kulturrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 9.11.2004 unter II. 3. darauf hingewiesen, dass durch die geplante Neufassung des § 54 a Abs. 3 (jetzt Abs. 4) UrhG das verfassungsrechtliche und in § 11 S. 2 UrhG postulierte Gebot einer angemessenen Vergütung der Urheber und Leistungsberechtigten in sein Gegenteil verkehrt wird und hat die Bundesregierung deshalb aufgefordert, diese Regelung ersatzlos zu streichen. In zwei Punkten sieht der nun vorliegende zweite Entwurf für den 2. Korb zugunsten der Industrie noch weitere Verschlechterungen zu Lasten der Urheber und Leistungsberechtigten vor:

  • Schon im ersten Referentenentwurf war vorgesehnen, dass nur solche Geräte- und Speichermedien vergütungspflichtig sind, die in „nennenswerten Umfang“ zur Vornahme von urheberrechtsrelevanten Vergütungen benutzt werden (§ 54 Abs. 1). Diese Regelung wird jetzt deutlich verschärft, wenn die Begründung davon ausgeht, dass eine Vergütungspflicht nicht gegeben ist, wenn „der Nutzungsumfang zumindest unter 10 % liegt“ (S. 64). Damit kann jeder Hersteller und Importeur sich der Vergütungspflicht entziehen mit der schlichten Behauptung mit diesem Gerätetyp würden weniger als 10 % urheberrechtsrelevante Kopien gefertigt. Damit würde das wesentliche Ziel des Referentenentwurfs, nämlich den Streit um das Ob der Vergütungspflicht zu verhindern, verfehlt.

 

  • Der Deutsche Kulturrat hatte bereits zum alten Entwurf darauf hingewiesen, dass es nicht angeht, die Höhe der angemessenen Urheberrechtsvergütung vom Preisniveau des Speichermediums oder Gerätes abhängig zu machen. Nun soll dies noch zementiert werden, wenn gem. § 54 a Abs. 4 S. 2 die Summe der Vergütungsansprüche aller Berechtigten für einen Gerätetyp „5 % des Verkaufspreises“ nicht übersteigen darf. Der bekannte, wettbewerbsbedingte Preisverfall würde danach zwangsläufig zu unangemessen niedrigen Urheberrechtsvergütungen führen, da sie nicht mehr dem Grad der urheberrechtlichen Nutzungen entsprechen.

 

  • In § 54 a Abs. 3 S. 2 der ersten Fassung des Referentenentwurfs war noch vorgesehen, dass „gerätesspezifische Verbrauchsmaterialien“ bei Bemessung der Höhe der Urheberrechtsvergütung relevant sein können. Dies soll nun entfallen; die Verkaufserlöse für solches Verbrauchsmaterial sollen vielmehr für die Bemessung der Urheberrechtsvergütung nur noch dann Berücksichtigung finden, wenn ein Gerät „weit unter seinem eigentlichen Warenwert“ verkauft wird. Obwohl der Gesetzesentwurf selbst davon ausgeht, dass Hersteller „den Preis für Vervielfältigungsgeräte anteilig auf die gerätespezifischen Materialien“ umlegen können, soll maßgebend für die Bemessung der Urheberrechtsvergütung nur der Gerätepreis (und dies zudem mit einer Deckelung von max. 5 % desselben) sein. Der Nachweis von Dumpingpreisen wird in der Praxis kaum gelingen, so dass Verbrauchsmaterialien trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für die Bemessung der Urheberrechtsvergütung faktisch außer Betracht bleiben würden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die deutsche Bundesregierung erneut auf, § 54 a Abs. 4 des Referentenentwurfs für ein 2. Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft ersatzlos zu streichen.

 

Darüber hinaus bedauert der Deutsche Kulturrat, dass der Referentenentwurf keine klare Regelung hinsichtlich der Abgabenhöhe vorsieht, die bisher in der Anlage zu § 54d UrhG festgelegten gesetzlichen Tarife vielmehr de facto aufgehoben werden. Der Deutsche Kulturrat sieht den Staat in der Verantwortung, ein schnelles und klares Verfahren vorzuschlagen, dass Rechtssicherheit sowohl für die Rechteinhaber als auch die Nutzer gewährleistet. Dieses schnelle Verfahren, das sowohl im Interesse der Rechteinhaber als auch der Gerätehersteller liegt, wurde wiederum nicht eingeführt. Im Gegenteil wurde nunmehr lediglich die Frist, in der die Schiedsstelle einen Einigungsvorschlag unterbreiten muss, von sechs auf zwölf Monate verlängert. Unverändert sieht der zweite Referentenentwurf vor, dass Schlichtung und Schiedsverfahren nebeneinander bestehen. Jedenfalls werden sich die Verfahren weiterhin in die Länge ziehen mit der Konsequenz von Unsicherheit für alle Beteiligten. Um dieses zu vermeiden, bleibt die Forderung des Deutschen Kulturrates aufrechterhalten, die Festlegung der Vergütungshöhe durch Gesetz oder Verordnung zu bestimmen. Ferner bedauert der Deutsche Kulturrat, dass der Gedanke eines „Gerichts des geistigen Eigentums“, das zur Rechtssicherheit einen wesentlichen Beitrag leisten könnte, nicht weiter verfolgt wird. Das statt dessen vorgeschlagene Schiedsverfahren entspricht weitestgehend dem Schiedsverfahren, wie es bis 1985 praktiziert wurde. Da sich dieses Modell seinerzeit als unpraktikabel und ineffizient erwiesen hat, raten wir von der Wiedereinführung dringend ab.

 

4. Verbesserung der Position Bildender Künstler

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass im vorgelegten Referentenentwurf keine Gesetzesänderungen zur Verbesserung der Position Bildender Künstler vorgeschlagen werden. Im Vergleich zu Urhebern anderer künstlerischer Sparten besteht eine strukturelle Benachteiligung Bildender Künstler, deren Werke ebenso wie die Werke musikalischer Autoren der Öffentlichkeit überall zugänglich gemacht werden, ohne allerdings hierfür Vergütungen zu erhalten. Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung im jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren auf, diese strukturelle Benachteiligung zu beseitigen. Darüber hinaus sollte in § 59 I UrhG eine Vergütungspflicht für Kunstwerke im öffentlichen Raum eingeführt werden, wenn die dadurch privilegierte Nutzung zu gewerblichen Zwecken erfolgt.

 

5. Elektronische Pressespiegel

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass auch der vorliegende zweite Referentenentwurf nicht seiner Anregung gefolgt ist, die vom BGH vorgegebene Regelung zum Elektronischen Pressespiegel explizit in § 49 UrhG umzusetzen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt aber, dass entsprechend seiner Anregung die bisher bestehende Lücke geschlossen und Abbildungen nun ausdrücklich in § 49 UrhG aufgenommen sind.

 

Der Deutsche Kulturrat betrachtet das nun beginnende Gesetzgebungsverfahren als Chance, dass die angemahnten Veränderungen noch in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden. Das Urheber- und Leistungsschutzrecht dient dazu den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten sowie sonstigen Rechteinhabern eine angemessene Vergütung aus der Verwertung kreativer Leistungen zu ermöglichen. Diese Grundidee des Urheberrechts muss auch bei der anstehenden Urheberrechtsnovelle handlungsleitend sein.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Bundesregierung auf, diese und die weiteren geforderten dringenden Änderungen jetzt durchzuführen. Den Urhebern, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern ist ein abermaliges Zuwarten auf eine nächste Urheberrechtsnovelle nicht mehr zuzumuten.

 


[1] Die Stellungnahme wurde veröffentlicht in politik und kultur 1/2004, S. 17 und kann hier abgerufen werden.

 

[2] In seiner Stellungnahme „Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informationsgesellschaft“ vom September 1998 hat der Deutsche Kulturrat hervorgehoben, dass für eine positive Entwicklung der Informationsgesellschaft ein funktionierendes Urheberrecht unabdingbare Voraussetzung ist. Im Schreiben des Deutschen Kulturrates an das BMJ vom 24.2.1999 wurde zum „Diskussionsentwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes“ ausführlich Stellung bezogen. Dabei wurde betont, dass eine 5. Urheberrechtsnovelle nicht nur der Umsetzung der beiden WIPO-Verträge dienen dürfe, sondern weitergehende, dringende Änderungen des Urheberrechtsgesetzes notwendig sind. Dies gilt unverändert. In der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat bereits zu wichtigen Aspekten bei Umsetzung der genannten EU-Richtlinie Stellung bezogen. In der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat, einige wesentliche Gesichtspunkte zur Umsetzung der EU-Richtlinie herausgegriffen und die Regelung weiterer Fragestellungen angemahnt.

 

[3] Die Stellungnahme wurde in Politik & Kultur 04/2004, S. 24 veröffentlicht und kann im Internet unter hier abgerufen werden.

 

[4] Die Stellungnahme wurde in Politik & Kultur 01/2005 S. 6 veröffentlicht und kann im Internet abgerufen werden.

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