Chance zur umfassenden Reform des Gemeinnützigkeitsrechts jetzt nutzen!

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 14.12.2005. Bereits seit einigen Jahren wird sowohl von den gemeinnützigen Organisationen selbst als auch von der Wissenschaft eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts angemahnt.

 

Zivilgesellschaftliche Organisationen übernehmen eine wichtige Rolle in der Bürgergesellschaft. Sie sind Ausdruck des Engagements für das Gemeinwohl. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Bürgerschaftliches Engagements findet sich vor allem in zivilgesellschaftlichen Organisationen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Speziell im Kulturbereich sind z.B. die zahlreichen Laienorganisationen der verschiedenen künstlerischen Sparten, Fördervereine von Kultureinrichtungen, Kunstvereine, Literarische Gesellschaften, Vereine der kulturellen Kinder- und Jugendbildung, soziokulturelle Zentren, Trägervereine von Kultureinrichtungen, Stiftungen sowie Einrichtungen der kulturellen Kinder- und Jugendbildung usw. zu nennen. In seiner Stellungnahme „Bürgerschaftliches Engagements in der Kultur stärken!“ aus dem Jahr 2003 hat der Deutsche Kulturrat exemplarisch die Vielfalt des Bürgerschaftlichen Engagements in der Kultur aufgezeigt. Ebenso hat der Deutsche Kulturrat deutlich gemacht, dass er für eine Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements die Entbürokratisierung für erforderlich hält.

 

Die aktuellen Debatten um den Zusammenhalt der Gesellschaft, um die Integration von Minderheiten, um die Erfordernisse im Bildungsbereich zeigen, dass gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht, der nicht allein vom Staat geregelt werden kann. Ebenso wenig können die Probleme allein vom Markt gelöst werden, da hier das Ziel der Gewinnoptimierung vorrangig ist. Gemeinnützigen Organisationen, die weder dem Markt noch dem Staat angehören, die keine Gewinne erwirtschaften wollen und die aus der Bürgerschaft heraus leben und legitimiert sind, kommt daher eine herausragende Funktion bei der Bewältigung der gesellschaftspolitischen Herausforderungen zu. Gemeinnützige Organisationen sind Schulen der Demokratie, der Selbstorganisation und der Solidarität.

 

Damit diese Organisationen ihre Aufgaben in der Zukunft noch besser erfüllen können und zugleich die ehrenamtlich Aktiven nicht durch bürokratische Hemmnisse belastet werden, hält der Deutsche Kulturrat eine umfassende Reform des seit Jahrzehnten gewachsenen und unsystematischen Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts für dringend geboten. Dabei muss auch ein verändertes Verhalten des Staates zur Zivilgesellschaft deutlich werden.

 

Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ hat die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts im Jahr 2002 als wichtiges Handlungsfeld beschrieben und dem Deutschen Bundestag empfohlen, sich dieses Themas anzunehmen. Der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagements des Deutschen Bundestags hat in der 15. Legislaturperiode bereits Anhörungen zu dem Thema durchgeführt, konnte seine Beratungen auf Grund des vorzeitigen Endes der Wahlperiode im Jahr 2005 aber zu keinem Ende führen. Die Spitzenverbände Deutscher Sportbund, Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege, Deutscher Naturschutzring, VENRO (Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit), Bundesverband Deutscher Stiftungen und Deutscher Kulturrat erarbeiten zur Zeit zusammen mit Wissenschaftlern in einer Projektgruppe „Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts“ Vorschläge zur Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts. Diese Zusammenarbeit der Spitzenverbände aus dem gemeinnützigen Bereich signalisiert, dass es sich um eine grundlegende gesellschaftspolitische Reform und keine „Schönheitsreparaturen“ am geltenden Recht handeln muss.

 

Mit Freude hat der Deutsche Kulturrat zur Kenntnis genommen, dass sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag „Gemeinsam für Deutschland – Mit Mut und Menschlichkeit“ zur Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements und der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts bekannt haben. Der Deutsche Kulturrat sieht dies als ein wichtiges Signal, dass in dieser Legislaturperiode eine Reform erfolgen wird.

 

Der Deutsche Kulturrat appelliert an die Bundesregierung und die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, jetzt eine umfassende Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vorzunehmen. Wenn zu Beginn der Legislaturperiode mit den Beratungen begonnen wird, besteht die Chance, die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Es kann dabei bereits auf Vorarbeiten aus der letzten Legislaturperiode, Beiträge aus der Wissenschaft sowie Positionen und Stellungnahmen der gemeinnützigen Organisationen zurückgegriffen werden. Eine Zweiteilung der Reform in kurzfristig umsetzbare und langfristig anzugehende hält der Deutsche Kulturrat nicht für zielführend. Es sollte vielmehr eine Reform aus einem Guss erfolgen.

 

Dabei sollte auch eine grundsätzliche Debatte darüber erfolgen,

  • anhand welcher Kriterien die Gemeinwohlverträglichkeit festgelegt werden sollte. Es bieten sich hierfür an, das Integrationspotenzial und das Partizipationspotenzial einer Körperschaft, der Aufbau von sozialem und kulturellem Kapital und die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. D.h. im Mittelpunkt steht die Leistung für die Gesellschaft und nicht – wie heute vorherrschend – das subsidiäre Handeln zum Staat.
  • ob weiterhin die Finanzbehörden darüber befinden soll, ob eine Körperschaft gemeinwohlorientiert ist oder dafür nicht eine andere Organisationsform geschaffen werden sollte wie es in anderen europäischen Staaten bereits üblich ist.

 

In Hinblick auf Änderungen im bestehenden System hält der Deutsche Kulturrat folgende Aspekte für vordringlich:

  • klare auch für Laien verständliche Regelungen,
  • eine verbindliche Aussage zur Gemeinnützigkeit einer Organisation nach Prüfung der Satzung durch die Finanzbehörden. Laut geltendem Recht wird ein vorläufiger Bescheid ausgestellt und die Gemeinnützigkeit im Nachhinein festgestellt. D.h. konkret eine zivilgesellschaftliche Organisation ist letztlich immer gemeinnützig gewesen und nicht aktuell gemeinnützig, dieses führt gerade bei ehrenamtlichen Funktionsträgern zu Problemen.
  • eine Neuregelung der gemeinnützigen Zwecke, dabei könnten international eingeführte Klassifikationen als Orientierung herangezogen werden,
  • eine Klarstellung, dass Dachverbände auch nicht gemeinnützigen Mitgliedern gegenüber Leistungen erbringen dürfen, ohne dass die eigene Gemeinnützigkeit daran Schaden nimmt,
  • eine Lockerung der zeitnahen Mittelverwendungspflicht, hier wäre daran zu denken, dass eine zeitnahe Mittelverwendung auch dann gegeben ist, wenn die Mittel im übernächsten Kalender- oder Wirtschaftsjahr verausgabt werden,
  • eine verbesserte Transparenz in der Vermögensrechnung sobald die Einnahmen einen noch festzusetzenden Betrag überschreiten. Eine Neuregelung darf aber nicht dazu führen, dass ehrenamtliche Aktive in Vereinen durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand belastet werden,
  • eine Erweiterung der Abzugsfähigkeit von Zuwendungen in das Vermögen einer Stiftung. Hier geht es in erster Linie darum, Anreize zur Errichtung von Stiftungen mit einem großen Stiftungsvermögen zu schaffen,
  • eine Aufhebung des Endowmentverbotes, d.h. die Schaffung der Möglichkeit, dass Stiftungen sich wiederum selbst als Stifter betätigen können,
  • die Möglichkeit Lebenspartner oder Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit einer Stifterrente bedenken zu können wie es derzeit bei Ehepartnern bereits möglich ist,
  • die Abschaffung der Pflicht zur Abgabe einer Körperschafts- und Gewerbesteuererklärung bei Körperschaften, deren Einnahmen nachweislich den Freibetrag von 3.835 € im Jahr nicht erreichen; dabei sollte die Einreichung eines Rechenschaftsberichts als Nachweis ausreichen,
  • die Einführung eines einheitlichen Spendenabzugs in Höhe von mindestens 10%,
  • die Vereinfachung von Zuwendungsbescheinigungen, die seit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen“ am 01.07.2002 eingeführten amtlichen Vordrucke für Zuwendungsbestätigungen führen zu einem beträchtlichen Aufwand, da es eine Vielzahl unterschiedlicher Muster gibt und geringste Abweichungen von den Finanzbehörden teilweise zum Anlass genommen werden, die Spende nicht anzuerkennen,
  • eine Präzisierung der Haftungsregelungen für ehrenamtliche Vereinsvorstände.

 

Ebenso sieht der Deutsche Kulturrat die gemeinnützigen Organisationen selbst gefordert, einen Beitrag zu mehr Transparenz zu leisten. Mögliche Optionen sind dabei:

  • mehr Transparenz durch freiwillige Selbstauskunft, hier könnten gemeinnützige Organisationen sich selbst verpflichten über ihre Arbeitsschwerpunkte, ihre Einnahmen und Ausgaben sowie ihr Vermögen Auskunft zu geben, in diesem Zusammenhang könnte auch über verbindliche Vorgaben einer einheitlichen Rechnungslegung nachgedacht werden,
  • als Auskunftsmöglichkeit über die Organisationen der Zivilgesellschaft eine Datenbank zu schaffen, in der gemeinnützige Organisationen mit ihren Grunddaten verzeichnet sind. Eine solche Datenbank sollte innerhalb der Zivilgesellschaft geschaffen werden und hier sollte auch die Verständigung darüber stattfinden, welche Daten veröffentlicht werden sollten.

 

Der Deutsche Kulturrat ist überzeugt, dass eine gründliche Debatte zum Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts zu einer Stärkung des gemeinnützigen Bereiches beitragen wird und damit die Bürgergesellschaft als solche gestärkt wird. Die Bürgergesellschaft gewinnt gerade in Wissenschaft, Forschung und Kultur an Bedeutung. Der Staat tut angesichts seiner eigenen Einsparungen gut daran, die Bürgergesellschaft zu stärken.

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