Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 09.11.2004. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass mit dem Referentenentwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ nunmehr vom Bundesministerium der Justiz eine Diskussionsgrundlage zur Umsetzung des so genannten Korbes II der „EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft“ vorgelegt wurde.

 

Der Deutsche Kulturrat hat bereits im Dezember 2003 eine „Stellungnahme zur Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ abgegeben. Wir beziehen uns mit der vorliegenden Stellungnahme ausdrücklich auf diese Stellungnahme[1] . Weiter verweisen wir auf die weiteren Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates zu urheberrechtlichen Fragen, in denen der Deutsche Kulturrat verdeutlicht hat, dass im Urheberrecht ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber, Leistungsschutzberechtigten, sonstigen Rechteinhabern, Vermittlern und Nutzern geschaffen werden muss[2] . Darüber hinaus hat der Deutsche Kulturrat zu weiteren geplanten Veränderungen im Urheberrecht Position bezogen so erst jüngst mit einer „Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Binnenmarkt“[3] .

 

Der Deutsche Kulturrat nimmt im Folgenden zu einigen wesentlichen unter den Verbänden der Künstler, der Kultureinrichtungen, der Kulturvereine und der Kulturwirtschaft unstreitigen Fragen Stellung. Zu anderen wichtigen Punkten, zu denen innerhalb des Deutschen Kulturrates unterschiedliche Auffassungen bestehen, äußern wir uns hier nicht.

 

I. Wert der Kreativität

Urheber und ausübende Künstler leben von der Verwertung ihrer künstlerischen Arbeiten. Ihre Kreativität bildet die Grundlage für ihren Lebensunterhalt und sie gehören zu den wichtigen Inhaltslieferanten der Informations- und Wissensgesellschaft. Das Urheber- und Leistungsschutzrecht bietet für Künstler und für die Unternehmen der Kulturwirtschaft, insbesondere Verleger und Produzenten, einen wesentlichen Rechtsrahmen für eine wirtschaftliche Ausübung ihrer Tätigkeit. Künstlerische Arbeiten haben neben dem wichtigen ideellen auch einen ökonomischen Wert. Diesen Wert kreativer Leistungen zu schützen, muss auch im digitalen Zeitalter das wesentliche Anliegen des Urheber- und Leistungsschutzrechts bleiben.

 

II. Position des Deutschen Kulturrates zu einzelnen Aspekten des Urheber- und Leistungsschutzrechtes

1. § 53 UrhG (Vervielfältigung zum privaten Gebrauch)

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass das Bundesministerium der Justiz seinem Vorschlag gefolgt ist, zunächst abzuwarten, ob sich die mit dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft neu gefassten Regelungen bewähren und die Regelungen zur privaten Kopie nicht grundsätzlich zu ändern.

 

2. Pauschalvergütung und Digital Right Management

Der Deutsche Kulturrat begrüßt weiterhin, dass seine Forderung nach dem parallelen Fortgelten beider Systeme, Pauschalvergütung und Digital Right Management, weitgehend aufgenommen wurde. Der Deutsche Kulturrat betont an dieser Stelle nochmals, dass die Digital Right Management-Systeme zum gegenwärtigen Zeitpunkt technisch noch nicht ausgereift und derzeit allenfalls in eng begrenzten Bereichen der Online-Übermittlung von Werken wirksam sind. Auch auf längere Sicht, wenn die Digital Right-Management-Systeme ausgereift sind, wird nach Auffassung des Deutschen Kulturrates die Notwendigkeit der pauschalen Vergütung für die private Vervielfältigung von Werken erforderlich bleiben.

 

3. Vergütungshöhe (§ 54 a, Abs. 3 UrhG)

Der Deutsche Kulturrat ist bestürzt über die geplante Neufassung des § 54 a Abs. 3 UrhG und lehnt die Vorschläge des Referentenentwurfs ab. Mit dem neuen § 54 a Abs. 3 UrhG wird das verfassungsrechtliche und auch in § 11 S. 2 UrhG postulierte Gebot einer angemessenen Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten in sein Gegenteil verkehrt. Die Bundesregierung selbst hat in ihren beiden Vergütungsberichten darauf hingewiesen, dass die Abgabesätze dringend erhöht werden müssen. Zuletzt hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage am 27.9.2001 erneut darauf hingewiesen, dass diese Vergütungssätze seit 1985 nicht erhöht worden sind und es nicht einmal einen „Inflationsausgleich“ gab (BT-Drucks. 14/6993 S. 34, Frage 54). Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Bundesregierung, nachdem sie sich in der vergangenen Legislaturperiode ausdrücklich für eine angemessene und notwendige Anhebung der Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten ausgesprochen hat, nunmehr eine angemessene Vergütung in Abhängigkeit von Preisniveau eines Speichermediums oder Gerätes festlegen will und zusätzlich einschränkt, dass deren Absatz nicht beeinträchtig werden dürfe. Dieses führt die Idee der angemessenen Vergütung bei der Vergütungspflicht für private Vervielfältigungen ad absurdum. Gänzlich unakzeptabel ist die im Referentenentwurf enthaltene Begründung, wonach sich das Verhältnis zum Gerätepreis auf die Preisbestandteile beschränken soll, die dem Anteil der privaten Vervielfältigungsvorgänge entsprechen. Wenn fälschlicherweise bei der Frage der angemessenen Vergütung sachfremd Wettbewerbserwägungen im Binnenmarkt Berücksichtigung finden, können sich diese immer nur auf die gesamten Geräte, nicht aber auf fiktive Bestandteile beziehen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, § 54 a Abs. 3 des Referentenentwurfs für ein Zweites Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft zu streichen.

 

Darüber hinaus bedauert der Deutsche Kulturrat, dass der Referentenentwurf keine klare Regelung hinsichtlich der Abgabenhöhe vorsieht, die bisher in der Anlage zu § 54d UrhG festgelegten gesetzlichen Tarife vielmehr de facto aufgehoben werden. Der Deutsche Kulturrat sieht den Staat in der Verantwortung, ein schnelles und klares Verfahren vorzuschlagen, dass Rechtssicherheit sowohl für die Rechteinhaber als auch die Nutzer gewährleistet. Dazu gehört auch die Festlegung der Vergütungshöhe durch Gesetz oder Verordnung. Ferner bedauert der Deutsche Kulturrat, dass der Gedanke eines „Gerichts des geistigen Eigentums“, das zur Rechtssicherheit einen wesentlichen Beitrag leisten könnte, nicht weiter verfolgt wird. Das statt dessen vorgeschlagene Schiedsverfahren entspricht weitestgehend dem Schiedsverfahren, wie es bis 1985 praktiziert wurde. Da sich dieses Modell seinerzeit als unpraktikabel und ineffizient erwiesen hat, raten wir von der Wiedereinführung dringend ab.

 

4. Verwertung von Archivbeständen

In seiner „Stellungnahme zur Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat die Bundesregierung aufgefordert, eine Lösung der Archivproblematik unter Berücksichtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts herbeizuführen.

Der Deutsche Kulturrat hat darauf hingewiesen, dass in den Archiven bedeutende kulturelle „Schätze“ in Form von Aufzeichnungen insbesondere musikalischer und literarischer Werke und Darbietungen liegen. Mit Hilfe der neuen technischen Mittel könnte und sollte dieses wichtige kulturelle Erbe einem breiteren Publikum on- und offline zur Verfügung gestellt werden. Das Urheberrecht muss dabei dazu dienen, den Rechteinhabern für solche Nutzung eine angemessene Vergütung zu sichern.

Der Deutsche Kulturrat ist der Auffassung, dass der vorgelegte Entwurf keine Lösung der Archivproblematik bringt. Entgegen der Begründung des Referentenentwurfes ist die Änderung von § 31 Abs. 4 für die Archivproblematik untauglich. Denn die Archivproduktionen enthalten fast immer Werke oder geschützte Leistungen, die im Wege einfacher Nutzungsrechte erworben wurden, so z.B. Musik in Fernsehfilmen. Für diese Nutzungsrechte gilt der neue § 137 l nicht. Ebenso wenig hilft diese Regelung bei der Retrodigitalisierung alter Zeitschriftenjahrgänge (vgl. § 38 UrhG).

 

5. Verbesserung der Position Bildender Künstler

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass im vorgelegten Referentenentwurf keine Gesetzesänderungen zur Verbesserung der Position Bildender Künstler vorgeschlagen werden. Im Vergleich zu Urhebern anderer künstlerischer Sparten besteht eine strukturelle Benachteiligung Bildender Künstler, deren Werke ebenso wie die Werke musikalischer Autoren der Öffentlichkeit überall zugänglich gemacht werden, ohne allerdings hierfür Vergütungen zu erhalten. Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung im jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren auf, diese strukturelle Benachteiligung zu beseitigen. Darüber hinaus sollte in § 59 I UrhG eine Vergütungspflicht für Kunstwerke im öffentlichen Raum eingeführt werden, wenn die dadurch privilegierte Nutzung zu gewerblichen Zwecken erfolgt.

 

6. Elektronische Pressespiegel

Obwohl elektronische Pressespiegel an Bedeutung gewinnen, wurde im vorliegenden Referentenentwurf keine gesetzliche Regelung getroffen. Der Deutsche Kulturrat würde sich wünschen, dass im anstehenden Gesetzentwurf eine entsprechende Regelung erfolgt.

 

Der Deutsche Kulturrat hat bereits 1998 auf die verstärkte Nutzung elektronischer Pressespiegel hingewiesen. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.7.2002 „Elektronischer Pressespiegel“ (ZUM 2002, 740) ausdrücklich bestätigt, dass elektronische Pressespiegel – bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen – der Privilegierung von § 49 unterliegen. Aufgrund dieses Urteils ist es zwischenzeitlich zu einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Presse Monitor GmbH (als Vertreter der Zeitungsverlage) und der VG WORT gekommen. Dennoch könnte dieses Urteil zum Anlass genommen werden, um in § 49 UrhG abschließend auch das Recht der elektronischen Pressespiegel zu regeln. Dabei sollte eine bisher bestehende Lücke geschlossen und Abbildungen – auch wenn es hierfür in der Praxis befriedigende vertragliche Regelungen gibt – in die gesetzliche Regelung einbezogen werden.

 

7. Schadensersatz bei Verletzungen

Handlungsbedarf besteht aus Sicht des Deutschen Kulturrates ebenfalls nach wie vor hinsichtlich des Schadensersatzes bei Urheberrechtsverletzungen. Bei Urheberrechtsverletzungen hat der Verletzer nach derzeit geltender Regelung in Deutschland nur die übliche Lizenzgebühr zu bezahlen, die er auch bei entsprechend ordnungsgemäßem Erwerb der Rechte zu bezahlen gehabt hätte. Das deutsche Urheberechtsgesetz sollte – ausländischen Beispielen folgend – jedenfalls bei vorsätzlichen Urheberrechtsrechtsverletzungen insbesondere bei Verletzungen des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts mindestens die doppelte Lizenzgebühr als Schadensersatz zum Regelfall machen. Der Deutsche Kulturrat fordert das Bundesministerium der Justiz auf, in den Gesetzesentwurf eine entsprechende Regelung aufzunehmen.

 

Der Deutsche Kulturrat betrachtet das nun beginnende Gesetzgebungsverfahren als Chance, dass die angemahnten Veränderungen noch in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden. Das Urheber- und Leistungsschutzrecht dient dazu den Urhebern und Leistungsschutzberechtigten sowie sonstigen Rechteinhabern eine angemessene Vergütung aus der Verwertung kreativer Leistungen zu ermöglichen. Diese Grundidee des Urheberrechts muss auch bei der anstehenden Urheberrechtsnovelle handlungsleitend sein.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Bundesregierung auf, diese und die weiteren geforderten dringenden Änderungen jetzt durchzuführen. Den Urhebern, Leistungsschutzberechtigten und sonstigen Rechteinhabern ist ein abermaliges Zuwarten auf eine nächste Urheberrechtsnovelle nicht mehr zuzumuten.

 


 

[1] Die Stellungnahme wurde veröffentlicht in Politik & Kultur 01/2004, S. 17 und kann hier abgerufen werden.

 

[2] In seiner Stellungnahme „Urheber- und Leistungsschutzrecht in der Informationsgesellschaft“ vom September 1998 hat der Deutsche Kulturrat hervorgehoben, dass für eine positive Entwicklung der Informationsgesellschaft ein funktionierendes Urheberrecht unabdingbare Voraussetzung ist. Im Schreiben des Deutschen Kulturrates an das BMJ vom 24.2.1999 wurde zum „Diskussionsentwurf eines 5. Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes“ ausführlich Stellung bezogen. Dabei wurde betont, dass eine 5. Urheberrechtsnovelle nicht nur der Umsetzung der beiden WIPO-Verträge dienen dürfe, sondern weitergehende, dringende Änderungen des Urheberrechtsgesetzes notwendig sind. Dies gilt unverändert. In der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat bereits zu wichtigen Aspekten bei Umsetzung der genannten EU-Richtlinie Stellung bezogen. In der Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat der Deutsche Kulturrat, einige wesentliche Gesichtspunkte zur Umsetzung der EU-Richtlinie herausgegriffen und die Regelung weiterer Fragestellungen angemahnt.

 

[3] Die Stellungnahme wurde in Politik & Kultur 04/2004, S. 24 veröffentlicht und kann hier abgerufen werden.

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