Offensive für kulturelle Erwachsenenbildung

Positionspapier des Deutschen Kulturrates zur kulturellen Erwachsenenbildung

Berlin, den 12.02.2019. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit dieser Stellungnahme erstmals zur kulturellen Erwachsenenbildung. Er füllt damit eine bestehende Leerstelle in seinen Positionierungen zur kulturellen Bildung. Dabei konzentriert er sich hier auf die allgemeine Erwachsenenbildung. Der beruflichen Weiterbildung für Fachkräfte in der kulturellen Bildung widmet er eine eigene Stellungnahme.

 

Erwachsene in unterschiedlichen Lebenslagen und Situationen machen den größten Teil der Bevölkerung in Deutschland aus. Von 82,8 Millionen in Deutschland lebenden Personen sind 72,78 Millionen Erwachsene. Zu den Erwachsenen zählen sowohl junge Erwachsene, die gerade mit einer Berufsausbildung oder einem Studium begonnen haben, als auch im Berufsleben Stehende wie auch Erwachsene in der nachberuflichen Phase sowie Hochbetagte. Erwachsene, die alleine leben, haben oft andere Bedürfnisse und Anforderungen als Erwachsene, die in Partnerschaft leben und gegebenenfalls sich in der Familienphase befinden. Erwachsene haben einen jeweils unterschiedlichen biografischen Hintergrund und jeweils eigene Bildungserfahrungen gesammelt. Die Erwachsenenbildung steht vor der Herausforderung für diese heterogene Gruppe entsprechende Angebote bereitzuhalten und zugleich Bedarfe zu wecken. Dabei muss die Diversität in der Gesellschaft berücksichtigt werden.

 

Kulturelle Bildung für Erwachsene trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei, sie ist somit ein wichtiger Bestandteil der Selbstbildung. Sie ermöglicht Teilhabe und wirkt durch ihre Bindungskraft der Vereinzelung entgegen. Erwachsene, die selbst die Vorzüge der kulturellen Bildung kennengelernt haben, sind offener für die kulturelle Bildung ihrer Kinder. Kulturelle Bildungsprozesse bergen enorme Potenziale. Sie ermöglichen Erwachsenen einen systematisch-rezeptiven Umgang mit der eigenen Umwelt, schaffen einen Raum selbsttätig kreativ zu werden und ermöglichen eine verstehend kommunikative Auseinandersetzung mit den Mitmenschen. Auf diese Weise fördert kulturelle Bildung die Kreativität, erleichtert den Umgang mit ästhetischen und medialen Produkten, unterstützt die Integration in einer Gesellschaft der Vielfalt, entwickelt interkulturelles Verständnis weiter und trägt zum Verständnis von Kunst und künstlerischen Prozessen sowie von Handwerk und handwerklichen Prozessen bei.

 

Kulturelle Erwachsenenbildung wird von verschiedenen Akteuren so auch den Kultureinrichtungen und Einrichtungen der kulturellen Bildung angeboten. Eine gesetzliche Grundlage der Erwachsenenbildung sind die Weiterbildungsgesetze der Länder sowie für Arbeitnehmer und Beamte die Vorschriften zum Bildungsurlaub. Bis auf Bayern und Sachsen haben alle Länder entsprechende Bildungsurlaubsgesetze verabschiedet. Anders als die berufliche Weiterbildung, die politische Bildung sowie Bildungsmaßnahmen für das Ehrenamt wird die kulturelle Bildung in den Bildungsurlaubsgesetzen der Länder nicht eigens erwähnt. Eine Ausnahme hiervon bilden die Vorschriften in Brandenburg, die die kulturelle Weiterbildung eigens benennen.

 

Kulturelle Erwachsenenbildung kann zwar dem beruflichen Fortkommen in den unterschiedlichen Berufen dienen, allerdings ist der Nutzen für den Beruf nicht das alleinige Ziel dieser Angebote. Die allgemeine kulturelle Erwachsenenbildung ist daher von der beruflichen Weiterbildung im Kultur- und Medienbereich zu unterscheiden. Sie ermöglicht vielmehr, dass Erwachsene sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen. Hierzu sind auf ihre Interessen abgestimmte kulturelle Bildungsangebote erforderlich, etwa zum Erwerb von praktischer Medienkompetenz oder zur Auseinandersetzung mit einer immer stärker ästhetisierten Umwelt.

 

In einer Gesellschaft, die aufgrund von verkürzten bzw. flexiblen Arbeitszeiten nicht mehr ausschließlich durch Erwerbsarbeit bestimmt ist, tragen gerade Angebote kultureller Bildung dazu bei, eine sinnstiftende Auseinandersetzung mit dem Alltag zu führen. Sie bieten Freiräume, sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen produktiv zu befassen.

 

Lebensbegleitendes Lernen

 

Die kulturelle Erwachsenenbildung ist ein wichtiger Bestandteil des lebensbegleitenden Lernens. Sie trägt zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bei. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht mit Nachdruck, dass sich die kulturelle Erwachsenenbildung an die gesamte Bevölkerung richtet. Für kulturelle Bildung ist es nie zu spät. Bei Erwachsenen die Begeisterung für Kunst und Kultur zu wecken, Entdeckungs- und Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, ist Aufgabe der Erwachsenenbildung.

 

Viele Erwachsene sind beruflich sehr eingespannt und arbeiten zu wechselnden Zeiten, sodass eine regelmäßige Teilnahme an Angeboten kultureller Bildung nur schwer zu realisieren ist. Hier sind die Anbieter und Förderinstrumente – wie auch in anderen Bildungsbereichen – gefordert, flexible Teilnahmemöglichkeiten anzubieten.

 

Generationsübergreifende Angebote bereichern Teilnehmende aus allen Generationen und tragen zum Dialog bei. Hier sind die Träger gefragt, entsprechende Angebote zu entwickeln. Die Förderpolitik muss solche generationsübergreifenden Angebote gerade auch für die kulturellen Bildungsangebote ermöglichen.

 

Vernetzung mit anderen

 

Kulturelle Erwachsenenbildung kann von der Vernetzung mit anderen Bildungsfeldern sowie mit anderen Trägern profitieren. Mit Blick auf andere Bildungsfelder ist beispielsweise an die Bildung für nachhaltige Entwicklung zu denken. Bildung für nachhaltige Entwicklung wird oft vor allem unter dem Fokus der Umweltbildung betrachtet. Mit Blick auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ist es aber deutlich mehr. Die Akteure der kulturellen Erwachsenenbildung sollten daher die Vernetzung im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gezielt fördern. In der Förderpolitik müssen solche bereichsübergreifenden Ansätze förderfähig sein.

 

Kulturelle Bildung im digitalen Zeitalter

 

Digitale Bildungsangebote gewinnen auch für Erwachsene an Bedeutung. Sie sind zeit- und ortsunabhängig. Für die kulturelle Medienbildung gilt es neue Formate für den künstlerisch-kreativen Umgang mit Medien und für eine kritische Auseinandersetzung mit Medien zu entwickeln. Eine besondere Herausforderung ist dabei die gemeinsame Gestaltung von analog und digital.

 

Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen staatsvertraglich zugewiesenen Bildungsauftrag. Dieser Bildungsauftrag erstreckt sich sowohl auf Angebote für Kinder und Jugendliche als auch auf Erwachsene. Dieser Bildungsauftrag wird im Radio in verschiedenen Programmen erfüllt. Im Fernsehen gibt es diverse Angebote in den Spartenprogrammen und den dritten Programmen. Im Hauptprogramm von Das Erste und dem ZDF sind Bildungsangebote allerdings ausbaufähig.

 

Forderungen zur Stärkung der kulturellen Erwachsenenbildung

 

Kulturelle Erwachsenenbildung in allen künstlerischen Sparten und Ausdrucksformen hat den gleichen Stellenwert wie die kulturelle Bildung für junge Menschen und braucht mehr Aufmerksamkeit. Kulturelle Erwachsenenbildung darf nicht als Teil freizeitorientierter Beschäftigung diskreditiert werden.

 

Der kulturellen Erwachsenenbildung muss insbesondere im ländlichen Raum besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Attraktivität ländlicher Räume hängt auch von Bildungsangeboten für Erwachsene ab. Weiter kommt Kooperationen unterschiedlicher Akteure in ländlichen Räumen ein besonders hoher Stellenwert zu.

 

Voraussetzung für nachhaltige Angebote in der öffentlich-finanzierten Erwachsenenbildung ist eine verlässliche Finanzierung der Infrastruktur, die so gestaltet ist, dass Innovationen und eine Weiterentwicklung der Infrastruktur möglich sind. Projekte haben eine Ergänzungsfunktion, können die Sicherung der Infrastruktur aber nicht ersetzen. Hier sind insbesondere die Länder und die Kommunen gefordert. Zur Weiterentwicklung dieses Feldes können von Projekten sinnvolle Impulse ausgehen. Im Rahmen von Projekten können zielgruppenspezifische Ansätze ebenso erprobt werden wie neue Vermittlungsformen oder Kooperationsmodelle. Hier sind insbesondere der Bund und die Länder gefordert.

 

Darüber hinaus kann die praxis-orientierte Forschung dazu beitragen, Innovationen in der Erwachsenenbildung voranzutreiben. Dabei kommt es darauf an, dass die Forschung in Verbindung mit der Praxis erfolgt. Gerade der Dialog beider Bereiche bietet viele Potenziale. Hier sind der Bund und die Länder gefordert.

Vorheriger ArtikelBerufliche Weiterbildung für Fachkräfte in der kulturellen Bildung
Nächster ArtikelDarstellende Künste für junges Publikum: Zugänge schaffen, Ensembles stärken und Strukturen implementieren