Berlin, den 26.06.2024. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich zuletzt im Jahr 2019 zum Status von Selbstständigen im Kulturbereich[1] positioniert und dabei deutlich gemacht, dass im Kultur- und Medienbereich beides, die abhängige Beschäftigung und die Selbstständigkeit, gebraucht werden. Darüber hinaus sind viele Erwerbstätige hybrid tätig, d. h. alternierend oder auch parallel abhängig beschäftigt und selbstständig.
Bereits 2019 wies der Deutsche Kulturrat darauf hin, dass es im Kultur- und Medienbereich, auch in öffentlich geförderten Kultur- und Medienbetrieben, Scheinselbstständigkeit gibt und dieser entschieden entgegengetreten werden muss. Der Deutsche Kulturrat hatte Bund, Länder und Kommunen aufgefordert, den öffentlich geförderten Kultur- und Bildungseinrichtungen ausreichend Personalmittel zur Verfügung zu stellen, damit dem Bedarf entsprechend mit abhängig Beschäftigten gearbeitet werden kann. Er unterstrich gleichzeitig, dass dies nicht ausschließt, mit Selbstständigen, die ihr Spezialwissen einbringen, zusammenzuarbeiten.
Angesichts aktueller kulturpolitischer Debatten um die Beauftragung von Selbstständigen in Bildungseinrichtungen, so auch in der kulturellen Bildung, unterstreicht der Deutsche Kulturrat: Die Hinzuziehung von Selbstständigen für spezielle Aufgaben in der kulturellen Bildungsarbeit und Weiterbildung ist selbstverständlich. Kulturelle Bildungseinrichtungen sowie Fort- und Weiterbildungseinrichtungen aus dem Kultursektor können weder alle speziellen Fragestellungen durch abhängig Beschäftigte abdecken, noch wäre dies wünschenswert. Die hohe Qualität von Bildungsangeboten wird auch durch spezialisierte Fachkräfte gesichert, die auf Honorarbasis unterrichten und als Selbstständige gemäß § 2 Sozialgesetzbuch VI rentenversichert sind. Darüber hinaus ist die Erteilung von Unterricht oft ein zweites berufliches Standbein in der Selbstständigkeit von Künstlerinnen und Künstlern, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz kranken-, pflege- und rentenversichert sind.
Nach dem sogenannten Herrenberg-Urteil[2] aus dem Jahr 2022 haben sich die Sozialversicherungsträger (GVK-Spitzenverband, Deutsche Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit) in einem Gemeinsamen Besprechungsergebnis vom 04.05.2023[3] auf die „Versicherungsrechtliche Beurteilung von Lehrern und Dozenten“ verständigt. Das Besprechungsergebnis trat am 01.07.2023 in Kraft und dient nun als Grundlage für die Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung.
Die Umsetzung des Besprechungsergebnisses führt aktuell zu einer großen Verunsicherung in der kulturellen Bildung sowie der Weiterbildung.
Der Deutsche Kulturrat erneuert daher seine Forderung, dass öffentlich geförderte Einrichtungen der kulturellen Bildung und der Weiterbildung von den Ländern und den Kommunen sowohl mit Blick auf die Sach- als auch die Personalkosten adäquat ausgestattet werden müssen. Dies gilt auch für den Bund bzw. nachgeordnete Behörden, die Weiterbildungseinrichtungen z. B. mit der Durchführung von Integrationskursen betrauen.
Da sowohl in den öffentlichen Haushalten Stellen- und Haushaltspläne nicht so schnell geändert werden können bzw. der politischen Entscheidungen durch die jeweiligen Parlamente bedürfen als auch Bildungsanbieter in freier Trägerschaft Zeit für die Veränderung ihrer Finanzierungspläne benötigen, fordert der Deutsche Kulturrat von den Sozialversicherungsträgern ein Stillhalteabkommen in der Umsetzung des o. g. Besprechungsergebnisses. Aktuell steht im Raum, dass für die nächsten drei Monate die Prüfung gemäß Besprechungsergebnis vom 04.05.2023 ausgesetzt werden soll. Der Deutsche Kulturrat begrüßt dies, hält die Frist aber für zu knapp bemessen.
Öffentlich geförderte Kultur- und Bildungseinrichtungen und die Haushaltsverantwortlichen sind gefordert, die Entscheidungen und ggfs. erforderlichen Aufstockungen in den Haushaltsplänen zügig auf den Weg zu bringen. Gleichzeitig muss der Zeitrahmen mit Blick auf die erforderlichen parlamentarischen Entscheidungen realistisch bemessen sein.
Der Deutsche Kulturrat wird eine Arbeitsgruppe einrichten, in der unter Einbindung von Fachverbänden die Abgrenzungskriterien von abhängiger Beschäftigung und Honorartätigkeit für den Kultur- und Medienbereich, einschließlich der kulturellen Bildung, praxisnah erarbeitet werden. Ein solcher Abgrenzungskatalog, ggfs. ein Positiv- statt eines Negativkatalogs, ist unverzichtbar, um den Besonderheiten gerecht zu werden, die Wirksamkeit zu erhöhen und Verbindlichkeit sowie Rechtssicherheit für Bildungsanbieter und Fachkräfte, die auf Honorarbasis unterrichten, herzustellen. In die Erarbeitung sollen die Sozialversicherungsträger einbezogen werden.
[1] Selbstständigkeit sichern – Scheinselbstständigkeit entgegentreten. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates vom 09.01.2019 https://www.kulturrat.de/positionen/selbstaendigkeit-sichern-scheinselbstaendigkeit-entgegentreten/
[2] Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 2022 (Az: B 12 R 3/20 R),
[3] https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/summa-summarum/Besprechungsergebnisse/besprechungsergebnisse.html