Arbeitsbedingungen für Fachkräfte der Kulturellen Bildung deutlich verbessern

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu besseren Rahmenbedingungen für Fachpersonal in der Kulturellen Bildung

Berlin, den 23.03.2023. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, positioniert sich mit dieser Stellungnahme zu den Arbeitsbedingungen und zur Qualifizierung in der Kulturellen Bildung.

 

Die Bedeutung Kultureller Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Menschen, für die Gewinnung des künstlerischen und kreativen Nachwuchses wie auch ihre gesellschaftliche Relevanz als identitäts- und orientierungsstiftender Prozess ist allgemein anerkannt. Dennoch fehlt es an geeigneten Rahmenbedingungen für das Fachpersonal in der Kulturellen Bildung. Dies ist angesichts des aktuell hohen Bedarfs an pädagogischem Fachpersonal im gesamten Bildungsbereich besonders zu bedauern.

 

In verschiedenen Feldern des Kultur- und Mediensektors wird über den Bedarf an Fachkräften – auch aus Nicht-EU-Staaten – diskutiert. Der Deutsche Kulturrat hat sich zum aktuellen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung positioniert[1]. Er plant darüber hinaus, sich umfassend zum Fachkräftebedarf im Kultur- und Medienbereich zu positionieren. Diese Stellungnahme konzentriert sich daher ausschließlich auf die Arbeitsbedingungen und die Qualifizierung des Fachpersonals in der Kulturellen Bildung und schließt damit unmittelbar an die Stellungnahmen zum Bedarf an pädagogischem Personal für die künstlerischen Fächer an allgemeinbildenden Schulen sowie bei der Ganztagsbetreuung in der Primarstufe an[2].

 

In dieser Stellungnahme, die sich vor allem an die Länder und Kommunen, in Einzelaspekten aber auch an den Bund richtet, spricht der Deutsche Kulturrat in erster Linie folgende Aspekte an:

  • Qualifizierung
  • Beschäftigungsformen in der Kulturellen Bildung
  • Bezahlung der Erwerbstätigen
  • Marginalisierung des Feldes

 

Kulturelle Bildung umfasst sowohl non-formale als auch formale Bildung und findet in verschiedenen Kontexten, Institutionen und für unterschiedliche Altersgruppen statt. Zur Kulturellen Bildung gehören die Kulturvermittlung in Kultureinrichtungen, die Kulturelle Bildung in der Schule sowie die außerschulische Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, die künstlerische Bildung einschließlich der Vorbereitung auf einen künstlerischen Beruf und die Kulturelle Erwachsenenbildung und das umfangreiche Feld des Amateurschaffens. Kulturelle Bildung umschließt die rezeptive und partizipative Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, das eigene kreative Schaffen sowie kommunikative Zugänge, um sich mit kultureller Differenz im Medium der Künste zu befassen. Die Breite des Feldes bedingt zugleich ein heterogenes Zielgruppenspektrum, das sich stetig weiter ausdifferenziert. Gleichfalls sind die unterschiedlichen institutionellen Kontexte zu berücksichtigen. Diese beispielhaft genannten Aspekte müssen mit Blick auf die Arbeitsbedingungen und die Qualifizierung des Fachpersonals berücksichtigt werden.

 

Das Fachpersonal in der Kulturellen Bildung, außerhalb des Fächerkanons in der Schule, hat unterschiedliche Ausbildungs- und berufliche Hintergründe. Grob können folgende Gruppen unterschieden werden:

  • Künstlerinnen und Künstler sowie Kreativschaffende, die eine entsprechende Ausbildung absolviert haben, selbst künstlerisch tätig sind und ein zweites Standbein in der Kulturellen Bildung haben; viele von ihnen sind soloselbstständig und auf Honorarbasis in der Kulturellen Bildung tätig
  • Künstlerinnen und Künstler sowie Kreativschaffende, die sich beruflich in der Kulturellen Bildung neu orientiert und hierfür qualifiziert haben; viele sind als Angestellte oder Soloselbstständige tätig
  • Beschäftigte in Kultureinrichtungen, die als Fachwissenschaftler bzw. -wissenschaftlerinnen tätig sind und zusätzlich Aufgaben in der Kulturvermittlung übernehmen sowie akademisch ausgebildete Kulturvermittler und -vermittlerinnen, die ausschließlich im Bereich Vermittlung tätig sind; die meisten von ihnen sind als Angestellte in Kultureinrichtungen tätig
  • Kulturpädagogen und -pädagoginnen, die vornehmlich pädagogisch tätig sind und teilweise eine künstlerische Ausbildung absolviert haben; einige von ihnen sind als Angestellte – befristet oder unbefristet – in Einrichtungen der Kulturellen Bildung oder in Kultureinrichtungen tätig, andere arbeiten als Soloselbstständige auf Honorarbasis
  • leitendes Personal in Kultur-, in kulturellen Bildungs- oder in Erwachsenenbildungseinrichtungen, das kulturelle Bildungsangebote und den Einsatz von Fachpersonal plant

 

Die Aufzählung zeigt, dass es sich beim Fachpersonal in der Kulturellen Bildung um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Diese Heterogenität spiegelt sich in unterschiedlichen Anforderungen an die Qualifizierung, den beruflichen Status sowie die Bezahlung.

 

Mehr Qualifizierung zur Weiterbildung des Fachpersonals und für Quereinsteiger

 

In vielen Feldern der Kulturellen Bildung bestehen kaum Möglichkeiten der beruflichen Weiterqualifizierung, obwohl sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Feld der Kulturellen Bildung kontinuierlich verändern. Im Zuge heterogener Teilnehmendengruppen, im Umgang mit Diversität, durch die Digitalisierung oder auch den Nachhaltigkeitsdiskurs entstehen neue Aufgaben und Kompetenzansprüche. Die Berufsbilder und die Ansprüche an das Fachpersonal der Kulturellen Bildung ändern sich.

 

Für die Attraktivität des Feldes wird die Chance der beruflichen Weiterentwicklung zunehmend wichtiger. Im Feld der Kulturellen Bildung obliegt es weitgehend den Erwerbstätigen, ob sie in diesen Bereich persönlich investieren, Fortbildungsgebühren zahlen und Freizeit opfern. Dies gilt weitgehend für Festangestellte wie für Soloselbstständige, die sich kulturpädagogisch weiterentwickeln wollen, da bestehende Einrichtungen der Kulturellen Bildung oder Kultureinrichtungen sowie Programme der Kulturellen Bildung vielfach keine zusätzlichen Ressourcen für Weiterbildung ermöglichen können.

 

Die Wahrnehmung von Weiterbildungen ist auch sehr wichtig für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, damit sie bei dem Berufswechsel in die Kulturelle Bildung pädagogische, methodische und didaktische Kompetenzen erwerben können. Fach- und Berufsverbände, Hochschulen, Landes- und Bundesakademien bieten entsprechende Weiterbildungen an, damit das Fachpersonal die Qualitätsstandards im Handlungsfeld erfüllen kann.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher:

 

  • Unterstützungsanreize für die Wahrnehmung von Weiterbildungen für alle im Feld der Kulturellen Bildung Tätigen zu schaffen, damit sie den Handlungsanforderungen im Feld gerecht werden können
  • Ermöglichung von kostenfreien Weiterbildungsmaßnahmen für Soloselbstständige, die sich im Feld der Kulturellen Bildung qualifizieren wollen
  • Einrichtungen im Handlungsfeld personell und finanziell so auszustatten, dass diese dem Weiterbildungsbedarf ihrer Beschäftigten nachkommen können
  • teambildende Angebote zu verstärken, um die Qualität des Angebots zu sichern und der Abwanderung aus dem Handlungsfeld entgegenzutreten
  • bei Weiterbildungsmaßnahmen die Heterogenität des Fachpersonals der Kulturellen Bildung im Blick zu halten

 

Attraktivere Beschäftigungsformen in der Kulturellen Bildung schaffen

 

Im letzten Jahrzehnt wurden in der Kulturellen Bildung viele Impulse durch Programme und Projekte gesetzt. Sie wurden bzw. werden von den Ländern oder auch vom Bund initiiert. Ein Beispiel hierfür ist das bundesgeförderte Programm „Kultur macht stark“. Die Impulse durch diese Programme haben der Kulturellen Bildung Aufmerksamkeit und Schubkraft verliehen. Für die Weiterentwicklung des Feldes sind sie wertvoll. Die Kehrseite der Programme ist die befristete Beschäftigung von Fachpersonal oder Einbindung von Honorarkräften. Dies erschwert die Personalentwicklung, führt zu Verlusten im Wissenstransfer und ermüdet die Institutionen, die die Mittel beantragen. Hochqualifiziertes, motiviertes und eingearbeitetes Fachpersonal kehrt dem Arbeitsbereich den Rücken, weil es für sich zu wenig berufliche Aussichten erkennt. Hierzu gehören fehlende Perspektiven mit Blick auf die Beschäftigungsdauer und eine berufliche Weiterentwicklung. Verstärkt wird diese Entwicklung durch teilweise ungünstige Arbeitszeiten.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher:

 

  • die Infrastrukturförderung im Feld der Kulturellen Bildung deutlich zu stärken, mehr unbefristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und damit verlässliche Perspektiven für die Erwerbstätigen zu schaffen
  • bestehende Programmstrukturen so zu gestalten, dass die Beteiligung und Abwicklung von Programmen nicht zu einer Überlastung des vorhandenen Fachpersonals in den Einrichtungen und Organisationen führt
  • bei innovativen Modellprogrammen die Einbindung von bestehendem Personal der Einrichtungen zu ermöglichen und zusätzlich Honorarkräfte für weitere Aufgaben einzubinden
  • in den Institutionen der Kulturellen Bildung flexiblere Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen

 

Bezahlung der Erwerbstätigen

 

In vielen Feldern der Kulturellen Bildung erfolgt keine tarifgerechte Bezahlung der Angestellten oder aber die Einstufung entspricht nicht der langen und hochwertigen Qualifikation. Dies führt dazu, dass ausgebildete Angestellte das Feld der Kulturellen Bildung verlassen und sich anderen Arbeitsfeldern zuwenden. Einrichtungen der Kulturellen Bildung haben es daher zunehmend schwer, Stellen zu besetzen oder Honorarkräfte zu finden.

 

In Kooperationsbereichen, wie dem Ganztag oder auch dem zunehmend größer werdenden Bereich der Projektförderung werden Vergütungssätze angesetzt, die in keiner Weise den Tarifen der Festangestellten im Handlungsfeld entsprechen. Dies führt dazu, dass statt mit Festangestellten mit Soloselbstständigen gearbeitet wird. Sie erhalten häufig Stundensätze, die weder der erforderlichen Qualifikation noch dem Arbeitseinsatz, zu der auch die Vor- und Nachbereitungszeit gehört, noch den Bedingungen selbstständigen Arbeitens entsprechen. Darin drückt sich auch eine Geringschätzung der Arbeit aus. Viele Soloselbstständige nutzen daher aktuell die Chancen in anderen Beschäftigungsbereichen und gehen damit der Kulturellen Bildung verloren.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher:

 

  • Kooperationsbereiche, Programme und Projekte finanziell so auszustatten, dass eine angemessene Vergütung des Fachpersonals sichergestellt ist; das gilt sowohl für die Angestellten als auch für die zumeist auf Stundenbasis tätigen Honorarkräfte

 

Marginalisierung der Kulturellen Bildung entgegenwirken

 

Kulturelle Bildung hat eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung, um den Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen, Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern und den künstlerischen und kreativen Nachwuchs zu fördern. Obwohl Politik und Verwaltung auf der einen Seite die Kulturelle Bildung als wichtiges gesellschaftliches Handlungsfeld entsprechend positiv hervorheben, wird Kulturelle Bildung auf der anderen Seite innerhalb des Bildungskanons und in Kultureinrichtungen marginalisiert. Dies führt neben den bereits genannten Aspekten dazu, dass junge Menschen in der Kulturellen Bildung kein attraktives Berufsfeld sehen und sie andere Berufswege einschlagen. Um die Zukunft der Kulturellen Bildung zu sichern, ist es daher dringend erforderlich, dass mit Hilfe der oben genannten Maßnahmen die Rahmenbedingungen für die Kulturelle Bildung deutlich verbessert werden.

 


 

[1] Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

[2] Stellungnahme zu pädagogischem Personal für die künstlerischen Schulfächer

Stellungnahme zum Ganztag in der Primarstufe

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