Forderungskatalog zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

 

Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen und öffentlich-rechtlicher Rundfunk müssen der Geschlechtergerechtigkeit in besonderer Weise verpflichtet sein

 

Öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind wichtige Arbeitgeber[2] im Kultur- und Medienbereich. Sie sind aufgrund der öffentlichen Finanzierung beziehungsweise der öffentlich-rechtlichen Rechtsform in besonderer Weise der Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • öffentlich finanzierte Kultureinrichtungen und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Geschlechtergerechtigkeit als personalpolitisches Ziel formulieren und dieses Ziel konsequent verfolgen – zum Beispiel durch vermehrte Teilzeitangebote auch für Führungspositionen, flexible Karrieremodelle, mehr Teamarbeit oder Doppel- und Mehrfachspitzen und die Überwindung des Gender-Pay-Gap,
  • Aufsichts- und Beratungsgremien sowie Rundfunk- und Verwaltungsräte in allen öffentlich-rechtlichen Anstalten verbindlich geschlechtergerecht besetzt werden; zentrale Instrumente sind dabei die Landesrundfunkgesetze, der ZDF-Staatsvertrag, der Deutschlandfunk-Staatsvertrag sowie das Deutsche-Welle-Gesetz,
  • die geschlechtergerechte Besetzung beispielsweise durch den Beschluss eines Gleichstellungskodexes oder die Verabschiedung eines Gremienbesetzungsgesetzes, das ein Reißverschlussverfahren oderparitätisch besetzte Vorschlagslisten auf Bund- und Länderebene vorsieht, realisiert wird,
  • diese Zielvorgaben mit einem festen Zeitrahmen versehen und Sanktionen im Falle einer Nichtbeachtung formuliert werden.

 

Kultur- und Medienverbände setzen sich Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel

 

Kultur- und Medienverbände bündeln die Interessen ihrer Mitglieder und vermitteln diese der Öffentlichkeit und Politik. Viele Kultur- und Medienverbände entsenden selbst Mitglieder in Aufsichts- oder Beratungsgremien, unterhalten eigene Jurys und sind Arbeitgeber. Sie sind daher gefordert, sich verbindlich und durch konkrete Maßnahmen für Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen einzusetzen.

 

Der Deutsche Kulturrat hat sich hierzu bereits 2016 verpflichtet und wirbt bei seinen Mitgliedern für die geschlechtergerechte Entsendung in die Gremien des Deutschen Kulturrates. Viele Mitgliedsverbände haben die Geschlechtergerechtigkeit zu ihrem eigenen Anliegen gemacht. Sie sind bestrebt, ihre Gremien bei Neuberufungen paritätisch zu besetzen. Sie widmen sich der gendersensiblen Sprache in ihren Veröffentlichungen und auf Websites, formulieren ihre Satzungen neu oder beraten über mögliche Quotenregelungen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert deshalb, dass

  • Personenzusammenschlüsse aus dem Kultur- und Medienbereich sich aktiv um eine geschlechtergerechte Zusammensetzung in der Zusammensetzung der Vorstände und Präsidien bemühen sollten,
  • die ehrenamtlichen Strukturen so gestaltet werden, dass das zivilgesellschaftliche Engagement mit Beruf und Familie vereinbar ist,
  • bei der Besetzung hauptamtlicher Stellen gendergerechte Bewerbungsverfahren etabliert werden; weiter können anonymisierte Auswahlverfahren und transparente Personalentwicklungspläne zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen.

 

Verpflichtendes Monitoring und entsprechende Evaluationen sind notwendig

 

Die eingangs erwähnte Studie des Deutschen Kulturrates „Frauen in Kultur und Medien“ nimmt einen Zeitraum von zwanzig Jahren in den Blick. Dies war Voraussetzung, um eine Entwicklung aufzeigen zu können. Um Veränderungen zeitnah nachzuvollziehen und möglichen Fehlentwicklungen entgegenzusteuern, sind Berichte in kürzeren Intervallen erforderlich. Dazu zählen zum einen empirische Analysen zum Thema selbst und zum anderen eine kontinuierliche Evaluation ergriffener Maßnahmen. Hier hat der Deutsche Kulturrat im Juni 2020 eine neue Studie vorgelegt. Die amtliche Statistik erlaubt keine non-binären Auswertungen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • öffentlich finanzierte Einrichtungen der individuellen Künstlerinnen- und Künstlerförderung über die Gewichtung ihrer Förderung von Frauen und Männern Auskunft geben und dabei auch Fördersummen ausweisen,
  • in den Jahresberichten von öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit Auskunft gegeben, über die Gremienbesetzung berichtet und über die Anteile von Frauen und Männern in den unterschiedlichen Positionen informiert wird,
  • in den Jahresberichten der künstlerischen Hochschulen und Universitäten die Anteile der weiblichen und männlichen Studierenden sowie Lehrenden gegenübergestellt sowie Maßnahmen, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, dargestellt werden,
  •  Verbände durch finanzielle Förderungen in die Lage versetzt werden, eigene statistische Analysen vorzunehmen, um die empirische Kulturforschung zu stärken und hin zu non-binären Betrachtungsweisen weiterzuentwickeln, denn geschlechter­spezifisches Monitoring sowie größerer Transparenz und Zugänglichkeit.

 

Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in die Verantwortung einbinden

 

Auch die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind gefordert, sich strukturellen Geschlechterungerechtigkeiten in ihren Betrieben zu stellen und Bedingungen zu schaffen, die eine gleichberechtigte Teilhabe ihrer Beschäftigten ermöglichen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass

  • Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die diverse Repräsentation ihrer Beschäftigten auf allen Hierarchieebenen fördern und eine aktive und strategische Personalplanung umsetzen, die bei Karriereschritten die Lebenslaufperspektive berücksichtigt; d. h. unterschiedliche Zeitpunkte für Bildungsphasen, Familienpausen, Wiedereintritt usw. dürfen kein Hinderungsgrund für Karrierewege und Aufstiegswünsche der Beschäftigten sein,
  • Maßnahmen zur Umsetzung von familienfreundlichen Arbeitsmodellen, Führung in Teilzeit, geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen und Transparenz der Gehälter zur Verringerung des Gender-Pay-Gaps auch von der Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem festen Zeitrahmen und verbindlichen Regeln versehen werden.
  • die Unternehmen obligatorische Trainings zur Erhöhung der Genderkompetenz aller Beschäftigten durchführen, um über unbewusste Stereotype und Rollenvorstellungen aufzuklären und gendersensibles Verhalten zu fördern.

 

[2] Arbeitgeber ist der gültige Fachbegriff und wird deshalb hier nicht gegendert.

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