Arbeitslosenversicherung: Verbesserungen für Soloselbstständige sind dringend erforderlich

Deutscher Kulturrat fordert, Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und die Arbeitslosenversicherung perspektivisch weiterzuentwickeln

 

Berlin, den  16.01.2024. Im Dezember 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, hat der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, erforderliche Verbesserungen bei der freiwilligen Arbeitslosenversicherung[1] (Pflichtversicherung auf Antrag) für Selbstständige angemahnt.

 

Folgende Vorschläge sind weiterhin auf der Agenda:

 

  • dass die Eingangsvoraussetzung einer vorherigen abhängigen Beschäftigung bzw. des Bezugs von Entgeltersatzleistungen abgeschafft wird, da gerade im Kultur- und Mediensektor in vielen Feldern die selbstständige Tätigkeit typisch ist und aufgrund der Eingangsvoraussetzung jene Selbstständigen von vorneherein ausgeschlossen werden, die zuvor nicht abhängig beschäftigt oder erwerbslos waren
  • dass die Vorgabe, dass in den ersten drei Monaten der Selbstständigkeit die freiwillige Versicherung abgeschlossen werden muss, aufgegeben oder zumindest deutlich ausgeweitet wird, da diese Vorgabe diejenigen ausschließt, die sich im Laufe ihrer Selbstständigkeit entscheiden, sich zusätzlich freiwillig abzusichern
  • dass über die Option der freiwilligen Arbeitslosenversicherung bei der Gründungsberatung und in künstlerischen Hochschulen offensiver beraten werden sollte,
  • dass diejenigen Selbstständigen, bei denen der Leistungsfall bereits zwei Mal eingetreten ist, sich für dieselbe selbstständige Tätigkeit erneut versichern und neue Anwartschaften erwerben können.

 

Ergänzend fordert der Deutsche Kulturrat, dass vergleichbar dem Vorgehen während der Corona-Pandemie bei Selbstständigen, die Arbeitslosengeld beziehen, auf den Vorrang der Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis verzichtet wird, um den Erhalt der Selbstständigkeit zu ermöglichen.

 

SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie den Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung erleichtern wollen. Diese Änderungen müssen von der Bundesregierung daher zügig umgesetzt werden.

 

Perspektivisch fordert der Deutsche Kulturrat das Sozialgesetzbuch III so weiterzuentwickeln, dass Soloselbstständige in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind, um ungebrochene Versicherungsbiografien sicherzustellen – nicht zuletzt deshalb, weil viele Soloselbstständige auch aus dem Kultur- und Medienbereich hybrid erwerbstätig sind. D. h. sie sind sowohl abhängig beschäftigt als auch selbstständig erwerbstätig. Dann unterliegen sie mit beiden Erwerbstätigkeiten dem Versicherungsschutz.

 

  • Grundlage für die Bemessung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung aus der soloselbstständigen Tätigkeit sollte das diesbezügliche Erwerbseinkommen aus dem vorletzten Jahr sein. Dies könnte anhand des Steuerbescheids nachgewiesen werden. Gründerinnen und Gründer müssten ihr Erwerbseinkommen im Voraus schätzen und nach Vorlage des ersten Steuerbescheids, der die selbstständige Tätigkeit betrifft, anpassen.
  • Der Leistungsfall tritt jedenfalls dann ein, wenn die versicherten Soloselbstständigen ihre bisherige selbstständige Tätigkeit aufgeben. Die Betreffenden würden dann Arbeitslosengeld beziehen bzw. von Qualifizierungsmaßnahmen profitieren können, bis sie eine andere – abhängige oder selbstständige – Erwerbstätigkeit aufgenommen haben. Die Bundesagentur für Arbeit wäre ggf. in ihrer Funktion als Arbeitsvermittler und Anbieter von Qualifizierungsangeboten gefragt.
  • Darüber hinaus sollte ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. bei hybrid Erwerbstätigen Teilarbeitslosengeld bestehen, wenn das Erwerbseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit unter einen bestimmten Prozentsatz des Vorjahres fällt. Dieser Rückgang muss deutlich höher sein als die ansonsten in der selbstständigen Tätigkeit typischen Einkommensschwankungen. Das Teilarbeitslosengeld trägt bei hybrid Erwerbstätigen zum Erhalt der Selbstständigkeit bei.
  • Ferner sollte bei unvorhergesehenen Ereignissen, die unverschuldet zu Einnahmeausfällen führen, wie es beispielsweise in der Corona-Pandemie der Fall war, – äquivalent abhängig Beschäftigten aus den Mitteln der Bundesagentur für Arbeit – eine Art Kurzarbeitergeld gewährt werden.

 

Die Einbeziehung von Soloselbstständigen respektive hybrid Erwerbstätigen in die Arbeitslosenversicherung als Pflichtversicherung würde die soziale Absicherung dieser Gruppe verbessern. Die Arbeitslosenversicherung ist eine Risikoversicherung. Sie dient bei abhängig Beschäftigten dazu, Phasen von Erwerbslosigkeit zu überbrücken. Bei Soloselbstständigen hat sie die Funktion, Phasen starker Erwerbseinkommenseinbrüche abzufedern.

 

Damit die Arbeitslosenversicherung im Leistungsfall bei Soloselbstständigen Erwerbseinkommenseinbrüche auskömmlich überbrücken kann, muss die wirtschaftliche Lage von Soloselbstständigen aus der Kultur- und Medienbranche verbessert werden. Ein Instrument zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ist die flächendeckende Einführung von branchenspezifischen Mindesthonoraren für Soloselbstständige bei Förderungen der öffentlichen Hand, für die sich der Deutsche Kulturrat bereits seit mehreren Jahren einsetzt[2]. Damit würde zumindest ein unterster Honorarstandard gewährleistet werden, der nicht unterschritten werden darf. Der Deutsche Kulturrat begrüßt die aktuell laufenden Prozesse beim Bund und bei den Ländern, Mindesthonorare bei der Förderung zu implementieren.

 

[1] Siehe hierzu: https://www.kulturrat.de/positionen/arbeitslosenversicherung-zugang-fuer-selbstaendige-verbessern/?print=pdf

[2] Siehe hierzu: Freiberufliche Leistungen im Kulturbereich angemessen vergüten. Stellungnahme des Deutschen Kulturrates vom 26.06.2015 https://www.kulturrat.de/positionen/freiberufliche-leistungen-im-kulturbereich-angemessen-vergueten/

Deutscher Kulturrat plädiert für faire und angemessene Vergütung von Soloselbstständigen im Kulturbereich vom 07.07.2021 https://www.kulturrat.de/positionen/deutscher-kulturrat-plaediert-fuer-faire-und-angemessene-verguetung-von-solo-selbstaendigen-im-kulturbereich/

Basishonorare für Soloselbstständige im Kulturbereich jetzt umsetzen! Vom 22.03.2023 https://www.kulturrat.de/positionen/basishonorare-fuer-soloselbststaendige-im-kulturbereich-jetzt-umsetzen/

 

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