Forderungskatalog zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

 

Gleiche Einkommenschancen durch Überwindung des Gender-Pay-Gap

 

Nach wie vor besteht ein erschreckend großer Unterschied im Einkommen Künstlerinnen aller Sparten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Besonders gravierend ist dabei, dass vielfach bereits die unter 30-Jährigen in der Künstlersozialversicherung versicherten Künstlerinnen ein geringeres Einkommen erzielen als Künstler. Diese Diskrepanz zwischen den Geschlechtern setzt sich im Berufsverlauf fort.

Bei Angestellten im Kultur- und Medienbereich greift das Entgelttransparenzgesetz sehr oft nicht, da es sich bei der Mehrzahl der Arbeitgeber um kleinere Unternehmen handelt.

 

Der Gender-Pay-Gap ist eine Ursache für Altersarmut von Frauen. Ihn zu beseitigen, ist daher das Gebot der Stunde.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert darum, dass

  • Verbände der Urheberinnen und Urheber sowie der ausübenden Künstlerinnen und Künstler bestehende Honorarempfehlungen weiterentwickeln und, wo sie noch nicht vorhanden sind, entsprechende auf den Weg bringen,
  • diese genannten Verbände auf die Unzulässigkeit der Geheimhaltungsklausel in Arbeitsverträgen aktiv hinweisen,
  • Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die Transparenz der Gehälter und Honorare befördern, indem beispielsweise anonymisierte Spannen der Gehalts- und Honorarstruktur zugänglich gemacht werden,
  • Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft die Vergütungsstruktur regelmäßig auf geschlechterspezifische Ungleichheiten überprüfen.
  • die Honorarempfehlungen in Förderrichtlinien von Bund, Ländern und Kommunen, in Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kreativwirtschaft berücksichtigt und umgesetzt werden.

 

Kein Raum für Vorurteile und Rollenklischees in frühkindlicher Bildung, an allgemeinbildenden Schulen, in der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung sowie in der Studien- und Berufsberatung

 

Bereits bei der frühkindlichen Bildung, außerschulischen Angeboten der kulturellen Kinder- und Jugendbildung sowie in der Schule geht es darum, Kindern und Jugendlichen einen kritischen Umgang mit geschlechtsstereotypischen Identitätsbilder zu vermitteln.

 

In allgemeinbildenden Schulen sowie in der Berufsberatung werden Vorstellungen von Berufen mitgeprägt. So gelten einige Berufe im Kulturbereich eher als „Frauenberufe“ wie z. B. Masken- oder Kostümbildnerin und andere als „Männerberufe“ wie z. B. Tonmeister oder Kameramann. Um hier einen Bewusstseinswandel zu befördern und geschlechtsspezifische Zuweisungen aufzubrechen, ist gängigen Rollenklischees entgegenzuwirken, so z. B. in Schulen bei der Wahl der Musikinstrumente, Sportarten und sonstigen Freizeitbeschäftigungen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert deshalb, dass

  • in der frühkindlichen und außerschulischen Bildung sowie an den allgemeinbildenden Schulen bei jeglichem Lehrmaterial – sowohl mit Blick auf den Inhalt als auch die Gestaltung – sowie der pädagogischen Methodik darauf geachtet wird, nicht stereotypisierte Vorbilder zu präsentieren. Hier sind besonders die Autorinnen und Autoren von Lehrwerken sowie die Verlage von Bildungsmedien gefordert,
  • sämtliche Lehrpläne ihrerseits auf Vorurteile und Rollenklischees überprüft werden,
  • in den allgemeinbildenden Schulen über künstlerische sowie technisch-kreative Berufe und die damit verbundenen Berufschancen verstärkt informiert wird, um die geschlechtsspezifischen Zuweisungen aufzubrechen,
  • in der Studien- und Berufsberatung Heranwachsenden alle Berufe genderneutral nahegebracht und zur Wahl von Genres und Fächern (Klassik versus Jazz, Instrument versus Dirigat oder Komposition) ebenso beraten wird,
  • bei der Aus- und Fortbildung aller Lehrkörper darauf geachtet wird, die hier aufgeführten, genderneutralen Bildungsideale zu integrieren sowie die Kollegien möglichst geschlechterausgewogen zu besetzen; hier sind u.a. die Fortbildungseinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie die Schulen und zuständigen Ministerien gefordert.

 

Etablierung von Parität an Hochschulen

 

In den künstlerischen Hochschulen oder entsprechenden Studiengängen an Universitäten werden nicht nur Fertigkeiten, Fähigkeiten und die künstlerische Persönlichkeit von Studierenden ausgebildet, sondern es geht auch darum, sie auf den künstlerischen Beruf vorzubereiten und künstlerische Tätigkeit vorzuleben. Durch das an vielen künstlerischen Hochschulen und Universitäten bestehende Klassenprinzip entsteht eine besonders enge Verbindung zwischen Lehrenden und Studierenden. Umso wichtiger ist es, dass Studierende in ihrer Ausbildung positive und vorurteilsfreie Rollenmodelle erleben und ihre Ausbildungsstätte als Ort wahrnehmen, an dem Geschlechtergerechtigkeit gelebt wird.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert darum, dass

  • Aufnahmegremien und Besetzungskommissionen an künstlerischen Hochschulen und Universitäten durchgängig paritätisch besetzt werden,
  • die Besonderheiten des Arbeitsmarktes Kultur (Gender-Pay- und Gender-Show-Gap, geschlechterspezifische Typisierungen von Genres und Berufsfeldern etc.) Teil des Lehrangebots an Kunst- und Musikhochschulen werden, so dass die Studierenden über ihre Chancen und die Herausforderungen im Beruf ein realistisches Bild bekommen,
  • geschlechtsspezifische Coachingangebote zur Stärkung der Verhandlungskompetenzen eingeführt werden,
  • die Programme zur Förderung von Professorinnen fortgesetzt und mehr Professorinnen an Kunst- und Musikhochschulen berufen werden, aber auch im Mittelbau und bei der Vergabe von Lehraufträgen die Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigt wird, mehr Frauen in Leitungsfunktionen gewählt werden, um Parität herzustellen und den Studierenden vermehrt weibliche Vorbilder zu geben, auch für Führungspositionen die Arbeitsbelastung auf ein lebensfreundliches Maß begrenzt wird, z. B. durch mehr Teamarbeit, paritätisch besetzte Doppel- oder Mehrfachspitzen und flexible Karriere- sowie Arbeitszeitmodelle,
  • es Möglichkeiten für Studierende und Lehrende gibt, Kleinkinder uninah oder uniintern betreuen zu lassen.
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