Berlin, den 27.08.2023. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass mit dem Referentenentwurf des KRITIS-Dachgesetzes ein Vorschlag zur Identifizierung kritischer Infrastruktur vorgelegt wird. Zunehmende Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren, die Coronapandemie (2020 – 2023) sowie der Ukraine-Krieg zeigen, dass eine bessere Risikoanalyse und Vorsorge erforderlich sind, um die Resilienz in der Kultur zu stärken. Auch Kultureinrichtungen sowie speziell Kulturgut bewahrende Institutionen müssen sich auf Katastrophen unterschiedlichster Art besser vorbereiten, um ggfs. adäquat reagieren und damit die Folgen begrenzen zu können.
In den aktuell geltenden zwischen Bund und Ländern abgestimmten Regelungen wird Kultur als kritische Infrastruktur geführt, weil ihr mit Blick auf die Identitätsstiftung eine besondere Rolle zukommt wie z. B. Theatern oder Konzerthäusern. In Kulturorten, wie Archiven, Bibliotheken und Museen, werden identitätsstiftende Kulturgegenstände und Dokumente aufbewahrt.
Mit dem KRITIS-Dachgesetz soll eine bundesweite Regelung zur Identifizierung kritischer Infrastruktur geschaffen werden. Hierzu gehört, dass sich Betreiber kritischer Anlagen beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) registrieren und alle vier Jahre auf Grundlage einer zu erlassenden Rechtsverordnung Risikoanalysen und -bewertungen durchführen.
Kultur wird im vorliegenden Referentenentwurf des KRITIS-Dachgesetzes nicht unter der kritischen Infrastruktur geführt, sondern es wird lediglich darauf verwiesen, dass Bund und Länder im Rahmen ihrer Zuständigkeiten resilienzsteigernde Maßnahmen festlegen können. Dies ist aus Sicht des Deutschen Kulturrates mit Blick auf den Sektor Kultur ein Rückschritt gegenüber der bisherigen Regelung mit Folgewirkungen für den öffentlichen Stellenwert der Kultur und ihrer Einrichtungen.
Die konsequente Beibehaltung bisheriger Verantwortlichkeiten speziell für den Kulturgutschutz auf Bundesebene würde nicht zuletzt völkerrechtliche Realitäten anerkennen: Unter Federführung des BBK setzen die Kulturgut bewahrenden Institutionen in Bund und Ländern mit der Langzeitarchivierung von (mikroverfilmten) Dokumenten zur deutschen Geschichte die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten um. Bei dieser Regelung muss es nicht nur bleiben, im Sinne eines zukunftsweisenden Kulturgutschutzes ist sie um die Langzeiterhaltung von digitalisiertem und genuin digitalem Kulturgut in Bund und Ländern zu erweitern.
Darüber hinaus ist das BBK für die Umsetzung des Sendai-Rahmenwerks verantwortlich, dem von den Vereinten Nationen verabschiedeten Rahmenwerk für die Katastrophenvorsorge 2015-2030, in dem der Kultursektor ausdrücklich Erwähnung findet.
Der Deutsche Kulturrat fordert daher, Kultur entsprechend der bisherigen Praxis als kritische Infrastruktur unter den in § 2 genannten „Besonders wichtige Einrichtungen“ und „Wichtige Einrichtungen“ des KRITIS-Dachgesetzes aufzunehmen und entsprechend zu verankern. Damit würde Kultur wie bisher als kritische Infrastruktur geführt werden, dass Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wäre weiter für den Kultursektor zuständig und müsste entsprechende Informationen vorhalten bzw. Beratungsaufgaben übernehmen. Weiter fordert der Deutsche Kulturrat in die Aufzählung (§ 15 KRITIS-DG) von Bundesministerien mit denen das Bundesministerium des Innern und für Heimat einvernehmlich bestimmt, welche Infrastrukturen und Einrichtungen als kritisch anzusehen sind, die Beauftragte für Kultur und Medien aufzunehmen.
Da die bisherige Nennung von Kultur gemäß einer Bund-Länder-AG erfolgt, sieht der Deutsche Kulturrat keinen Anlass für Einwände der Länder. Die Nennung von Kultur im KRITIS-Dachgesetz enthebt Bund und Länder nicht, ggfs. zusätzliche einzelgesetzliche Regelungen z. B. in Archivgesetzen zu treffen. Einzelgesetzliche Regelungen können aber den bundesweiten Ansatz des KRITIS-Dachgesetzes nicht ersetzen.