Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung“

Berlin, den 30.05.2018. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, nimmt im Folgenden zu o.g. Referentenentwurf Stellung. Er nimmt dabei Bezug auf seine Stellungnahme vom 29.10.2016. Er unterstreicht erneut, dass die Teilhabe von Seh- und Lesebehinderten am kulturellen Leben und ihr Zugang zu Werken von großer Bedeutung sind. Der jetzt vorlegte Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken begegnet im Grundsatz keinen Bedenken.

 

Zu einzelnen Punkten äußert sich der Deutsche Kulturrat wie folgt:

 

  1. Den befugten Stellen (vgl. § 45c UrhG-E) kommt bei der Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie eine zentrale Bedeutung zu. Es erscheint deshalb sinnvoll, diese Stellen der Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) zu unterstellen (vgl. § 45c Abs. 5 Nr. 3 UrhG-E). Grundsätzlich dürfte es auch sachgerecht sein, die Einzelheiten der Verpflichtungen der befugten Stellen sowie der Aufsicht durch das DPMA per Rechtsverordnung zu regeln. Die Reichweite der Aufsicht durch das DPMA bleibt allerdings unklar; das gilt insbesondere im Hinblick auf die Befugnis zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bei Verstößen der befugten Stellen gegenüber konkreten Verpflichtungen. Hier bittet der Deutsche Kulturrat zu prüfen, ob nicht zumindest insoweit weitergehende Konkretisierung in das Gesetz – und nicht in eine Rechtsverordnung – aufgenommen werden müssten.
  2. Der Deutsche Kulturrat begrüßt es, wie in seiner Stellungnahme vom 29.10.2016 bereits näher ausgeführt, dass für Nutzungen nach § 45c Abs. 1 und 2 UrhG-E eine angemessene Vergütung durch die befugten Stellen zu zahlen ist. Er begrüßt es ferner, dass der Vergütungsanspruch verwertungsgesellschaftspflichtig ausgestaltet ist. Wichtig ist allerdings, dass dieser Vergütungsanspruch das System der Geräte- und Speichermedienvergütung nach § 54 ff. UrhG unangetastet lässt. Das gilt sowohl für Nutzungen von Menschen mit einer als Seh- oder Lesebehinderung als auch von befugten Stellen. Denn die Vergütungen nach §§ 54 ff. UhG beziehen sich auf gesetzlich erlaubte Nutzungen nach § 53 UrhG, die von den Nutzungen nach §§ 45b und § 54c UrhG-E klar zu trennen sind.
  3. Die Höhe der Vergütung wird von den Verwertungsgesellschaften – ggf. in Gesamtverträgen mit Vertretern der befugten Stellen – festzulegen sein. Der Referentenentwurf weist insoweit auf einige Kriterien hin, die – zu Gunsten der Nutzer – bei der zu Vergütungsbestimmung zu berücksichtigen sind. Dagegen bestehen im Grundsatz keine Bedenken, allerdings muss sichergestellt sein, dass die Vergütung – auch nach Abzug der erforderlichen Verwaltungskosten bei den Verwertungsgesellschaften – nicht lediglich einen symbolischen Charakter hat, sondern den potentiellen Schaden der Rechtsinhaber tatsächlich ausgleicht.
  4. Der Deutsche Kulturrat verkennt dabei nicht, dass die befugten Stellen voraussichtlich häufig nur über begrenzte Mittel verfügen werden, um den Vergütungsanspruch zu erfüllen. Er bittet deshalb die Bundesregierung und die Landesregierungen dringend, sich für eine entsprechende Ausstattung dieser Stellen in geeigneter Weise einzusetzen.
  5. Der Deutsche Kulturrat regt an, die – widerlegbare – Vermutungsregelung für eine kollektive Rechtewahrnehmung nach § 49 Abs. 1 VGG entsprechend zu erweitern. Dadurch wäre sichergestellt, dass die Vergütungsansprüche zentral wahrgenommen werden könnten. Das ist insbesondere im Hinblick auf sogenannte „Außenseiter“ von Bedeutung, die ihre Vergütungsansprüche keiner Verwertungsgesellschaft übertragen haben. Der Verwaltungsaufwand würde damit sowohl für Verwertungsgesellschaften wie auch für die befugten Stellen gleichermaßen reduziert werden.
  6. In Bezug auf Verlage, die von den neuen Schrankenregelungen in ähnlicher Weise wie Urheber und sonstige Rechtsinhaber betroffen sind, fehlt es bedauerlicher Weise weiterhin an einer ausreichenden Regelung zur Beteiligung an Einnahmen aufgrund von gesetzlichen Schrankenregelungen auf europäischer Ebene. Der Deutsche Kulturrat bittet die Bundesregierung erneut, sich – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – für eine schnelle Verabschiedung der einschlägigen Regelung in der Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt einzusetzen.
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