Einzelaspekte bei der Umsetzung des Urheberrechts-Wissenschaftsgesellschafts-Gesetzes

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 13.06.2018. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, weist im Folgenden auf einige Unklarheiten bei der Umsetzung des im Sommer 2017 verabschiedeten Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes (UrhWissG) hin und schlägt bei einigen Punkten konkrete Gesetzesänderungen vor. Er bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob diese Änderungen bereits im laufenden Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie berücksichtigt werden können.

 

Wiedergaben im Klassenverband

Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum UrhWissG wurde diskutiert, inwieweit Wiedergaben im Klassenverband – beispielsweise von Filmen – nach § 60a UrhG als „öffentliche“ Wiedergaben anzusehen sind. Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass sich durch das UrhWissG an dem Begriff der „Öffentlichkeit“ im UrhG nichts geändert hat. Das gilt insbesondere für Nutzungen im Klassenverband, die – wie bereits in der Vergangenheit – explizit von einer vergütungspflichtigen Schrankenreglung erfasst werden.

 

Nutzungsumfang bei Sammelwerken

Es ist unklar, ob sich der konkretisierte Nutzungsumfang – beispielsweise 15 Prozent nach § 60a Abs. 1 UrhG – bei Sammelwerken auf das Gesamtwerk oder den einzelnen Beitrag bezieht. Eine Nutzung von 15 Prozent eines Sammelwerks kann bei umfangreichen Werken mit dem Drei-Stufen-Test nur schwer zu vereinbaren sein. Der Deutsche Kulturrat hält es aber für denkbar, dass in den zu verhandelnden Gesamtverträgen eine Obergrenze – beispielsweise in Hinblick auf die Seitenzahl – für Nutzungen von Werkteilen festgelegt wird. Sollte dies nicht gelingen, wäre allerdings der Gesetzgeber aufgerufen, eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen.

 

Geräte-, Speichermedien- und Betreibervergütung
Das UrhWissG geht davon aus, dass Vervielfältigungen nach dem System der Geräte-, Speichermedien- und Betreibervergütung vergütet werden. Dieser Ansatz passt nicht durchgängig:

 

a) Vervielfältigungen nach § 60b UrhG und nach § 60d UrhG fallen weder unter die Geräte- noch unter die Betreibervergütung, weil es sich – jedenfalls bisher – zumeist nicht um vergütungspflichtige Vervielfältigungsgeräte im Sinne des § 54 UrhG handeln dürfte. Es erscheint auch weder sachgerecht noch möglich, zukünftig von den Herstellern und Importeuren von Druckmaschinen (§ 60b UrhG) oder Großrechnern (§ 60d UrhG) eine entsprechende Vergütung zu erhalten. Die einschlägigen Nutzer – wie insbesondere Schulbuchverlage im Fall des § 60b UrhG – sind im Übrigen auch keine Betreiber im Sinne des § 54c UrhG. Hier erscheint es deshalb sinnvoll und dringend geboten, dass die Nutzer – oder die Einrichtung (vgl. § 60h Abs. 5 UrhG) – auch die erlaubten Vervielfältigungen vergüten müssen. Dies sollte im Gesetz entsprechend klargestellt werden.

 

b) Die Betreibervergütung nach § 54c UrhG erfasst nur Ausdrucke auf Papier, aber keine digitalen Abspeicherungen. Dies sollte dringend geändert werden, weil ansonsten digitale Abspeicherungen, wie sie insbesondere § 60e Abs. 4 UrhG im Zusammenhang mit Terminalnutzungen in Bibliotheken ermöglicht, über die Betreibervergütung nicht erfasst werden. Die – sehr niedrige – Speichermedienvergütung kann dieses Defizit nicht ausgleichen.

 

c) Durch das UrhWissG wurde der Klammerzusatz „Bildungseinrichtungen“ in § 54c UrhG gestrichen. Das führt mit Blick auf die frühkindlichen Bildungseinrichtungen zu Schwierigkeiten, weil diese zwar explizit in § 60a Abs. 4 UrhG erwähnt werden, nicht aber in § 54c UrhG. Hier sollte ebenfalls eine entsprechende Klarstellung im Gesetz vorgenommen werden.

 

d) § 60h Abs. 3 UrhG sieht vor, dass zumeist bei gesetzlich erlaubten Nutzungen eine Pauschalvergütung oder repräsentative Stichprobe bei der Abrechnung ausreichend ist. Der Deutsche Kulturrat geht davon aus, dass diese Regelung es nicht verhindern sollte, dass – ähnlich wie bei der Bibliothekstantieme – im Rahmen von Stichproben nutzungsbezogene Daten erfasst werden, um den Verwertungsgesellschaften eine möglichst genaue Verteilung zu ermöglichen.

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