Gleichberechtigt und respektvoll

Grundsätze des interkulturellen Dialogs

„Good Citizenship“ ist eine weitere Voraussetzung zur Integration und damit auch zum interkulturellen Dialog. Ein „guter Bürger“ zu sein bedeutet neben der Akzeptanz von Regeln und Gesetzen, auch die „Würde des Menschen“ zu achten. Auch ein Flüchtling („Staatenloser“) hat das „Recht, Rechte zu haben“, so Hannah Arendt. Deutschland hat aus der Geschichte gelernt und spricht dieses Recht jedem Menschen zu. Damit einher gehen die Pflichten aller Bürger, die Freiheiten von offenen Gesellschaften, interreligiöse Toleranz, Gleichberechtigung etc. zu respektieren.

 

Für die praktische Integrationsarbeit wird empfohlen, sich bei ersten Begegnungen zunächst auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren und insbesondere die Bereiche „Politik“ und „Religion“ auszuklammern, da sie zu oft viele Widerstände hervorrufen und die eigentlichen Ursachen für Konflikte sind. „Kultur“ als „Ausdruck menschlicher Werte“ im Sinne der UNESCO zu verstehen, hilft bei dem Fokus auf das Verbindende im Dialog und bildet Brücken des Verständnisses. Unterschiede treten in den Hintergrund und das gemeinsame Menschliche wird deutlich.

 

Sechs Bereiche interkultureller Arbeit
In europaweiter Analyse von über 40 Beispielen wurden 2014 in einem Bericht über „(…) die Rolle öffentlicher Kunst- und Kulturinstitutionen bei der Förderung von kultureller Vielfalt und interkulturellem Dialog“ sechs Bereiche integrationsfördernder Arbeit dargestellt. Dabei wird eine selbstkritische Untersuchung empfohlen, wie das a) Programm und b) Personal zusammengesetzt ist und auf den Dialog ausgerichtet werden kann. In der Programmgestaltung kann beispielsweise eine Theateraufführung von „Death and the King’s Horseman“ vom nigerianischen Autor und Dramatiker Wole Soyinka ein erster Schritt in die richtige Richtung sein, während in der Personalpolitik nicht nur Diversität gefördert werden sollte – auch in den Führungspositionen, denn diese werden europaweit immer noch hauptsächlich von „weißen Männern mittleren Alters“ besetzt.

 

Der dritte Bereich ist c) „interkulturelle Kompetenz zu fördern und zu lehren“. Wie sehr dies auch in der Gesellschaft notwendig ist, zeigen die teilweise unsäglichen Debatten um „Özil“, „Seenotrettung“ oder #MeTwo.

 

Interkulturelle Kompetenz beginnt mit den Fundamenten Menschenwürde und (kulturelle) Gleichberechtigung im Dialog auf Augenhöhe. Kultur kann Vorbild sein. Es geht darum, Sensibilität und Verständnis in der Gesellschaft zu erhöhen, während gleichzeitig auch die generelle Expertise in den Organisationen verbessert wird.

 

Weitere Bereiche des interkulturellen Dialogs sind: d) „Begegnungsräume schaffen“, e) „audience development“ und f) „kulturelle Teilhabe fördern“. Räume der Begegnung kann jedes Museum bieten, während jede (Film-, Theater-, Tanz-, Oper-) Aufführung Gelegenheit zu einer fachlichen Einführung und/oder anschließenden Diskussion bietet. Wie essenziell e) „audience development“ für den Erfolg ist, weiß jeder Kulturmanager. Die Integration möglicher neuer Besuchergruppen erfordert andere Angebote. Wie das oben erwähnte Beispiel aus Dublin zeigt, sind dabei der kreativen Umsetzung keine Grenzen gesetzt.

 

Der Begriff f) „kulturelle Teilhabe“ wird oft nur als die Möglichkeit verstanden, passiv am Leben der Gesellschaft teilzunehmen. Bedeutsamer ist aber die andere Seite, nämlich das Bedürfnis von Vertriebenen nach Ausdrucksformen der eigenen Kultur und Traditionen – ein „Heimatgefühl fern von der Heimat“. Konsequenterweise bedeutet „kulturelle Teilhabe“ also auch Möglichkeiten der Präsentation anderer (Welt-) Kulturen und ein Beitrag zur (bereits) existierenden „kulturellen Vielfalt“. Denn so die UNESCO: „kulturelle Vielfalt (ist) für die Menschheit ebenso wichtig wie die biologische Vielfalt für die Natur“.

 

Der Kompetenzverbund Kulturelle Integration und Wissenstransfer (KiWit) listet seit 2016 eine Vielzahl von Veranstaltungen auf, die „Teilhabe an Kunst und Kultur als wichtigen Baustein einer zeitgemäßen Einwanderungsgesellschaft“ betrachten – vom „Brückenklang-Workshop“ im Orchesterzentrum Dortmund bis zum „Yiddish Summer“ in Weimar.
Interkultureller Dialog kann als funktionierendes „Instrument der nationalen Integrationspolitik“ wirken, wenn der allgemeine Kulturbetrieb auch dabei unterstützt wird. Einige Organisationen, wie z. B. das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa), haben den Begriff bereits in ihren Auftrag übernommen. Uns, die wir im Bereich Kultur arbeiten, fällt die besondere Rolle zu, den interkulturellen Dialog zu fordern und fördern. Wir können positiv zum Verständnis zwischen Kulturen beitragen, indem wir Einzelne aufklären, die Vorteile des kulturellen Austauschs darstellen, die Tatsache der kulturellen Vielfalt aufzeigen und gleichzeitig die Bedeutung der Grundwerte für alle Menschen betonen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.

Wigbert Boell
Wigbert Boell ist Kulturberater und Publizist.
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