Gemeinnützigkeitsrecht nicht für politische Auseinandersetzungen missbrauchen

Diskussion über die Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe, von attac und Campact sind Alarmzeichen

Die Deutsche Umwelthilfe hatte vor Gerichten in mehreren deutschen Städten Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge erstritten und sich damit nicht nur den Zorn von Dieselfahrern zugezogen, sondern auch Politiker wollen durch Gesetzesänderungen erreichen, dass der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit entzogen wird. „Der Gesetzgeber muss die Kriterien der Gemeinnützigkeit überarbeiten“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, im März. Die CDU hatte bereits bei ihrem Parteitag im Dezember beschlossen, prüfen zu lassen, ob die Deutsche Umwelthilfe weiterhin als gemeinnützige Organisation anerkannt werden sollte. Die FDP unterstützt Überlegungen in der CDU, der Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Liberalen im Bundestag, Michael Theurer. Die AfD fordert den sofortigen Entzug der Gemeinnützigkeit der Deutschen Umwelthilfe.

 

Immer mehr Politiker denken immer lauter darüber nach, wie der missliebigen Deutschen Umwelthilfe die Gemeinnützigkeit entzogen werden kann. Wobei das Problem mit den Grenzwertüberschreitungen von Dieselfahrzeugen eindeutig kein Problem der Deutschen Umwelthilfe ist, sondern der Automobilindustrie, deren Produkte die gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte nicht einhalten. Die Deutsche Umwelthilfe besteht nur auf die Einhaltung der von der Politik beschlossenen Vorgaben.

 

So richtig Fahrt nahm die Diskussion zum Gemeinnützigkeitsrecht auf, als der Bundesfinanzhof im Februar dieses Jahres entschied, dass die Tätigkeit des Fördervereins der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation attac nicht gemeinnützig ist. Dem Urteil ging ein jahrelanger Rechtsstreit voraus. In erster Instanz wurde dem Trägerverein von attac noch die Gemeinnützigkeit beschieden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofes muss sich nun, da der attac-Trägerverein seinen Sitz in Hessen hat, das Hessische Finanzgericht mit der Frage befassen. Der Bundesfinanzhof hatte laut attac in seiner Urteilsbegründung festgestellt, dass die „Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung (…) keinen gemeinnützigen Zweck erfüllt“.

 

Nachdem das Urteil ergangen war, begann eine rege Diskussion, inwiefern hier ein politisches Urteil gegenüber einer missliebigen Organisation gefällt wurde und ob in der Zukunft gemeinnützige Organisationen, die sich politisch äußern und positionieren, generell befürchten müssen, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Attac wetterte, dass zu erleben sei, „wie Regierung und Parteien immer öfter versuchen, politisch missliebige Organisationen über das Gemeinnützigkeitsrecht mundtot zu machen“ und weiter „Gemeinnützigkeit dürfe nicht auf apolitische Wohltätigkeit beschränkt werden“.

 

Zuletzt stellte die Online-Kampagnen-Plattform Campact bis auf Weiteres vorsorglich keine Zuwendungsbestätigungen für Spenden mehr aus, da sie Angst hat, rückwirkend den Status als gemeinnützige Organisation zu verlieren – und damit das Recht, Spendenbescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt an Spender auszugeben sowie für bereits ausgestellte Bescheinigungen in Regress genommen zu werden. Die Diskussion über die Gemeinnützigkeit der Deutsche Umwelthilfe, von attac und Campact sind Alarmzeichen, die sehr ernst genommen werden müssen.

 

Gemeinnützigkeit, was ist das?

Ob eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit einer Organisation, eines Vereins oder einer Stiftung gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinn ist, wird in der Abgabenordnung, einem der wichtigsten Steuergesetze, geregelt. In der Abgabenordnung ist klar und schnörkellos beschrieben, was eine gemeinnützige Körperschaft ausmacht. Sie zeichnet sich dadurch aus, „die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“.

 

Eine Förderung der Allgemeinheit liegt nicht vor, „wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist“. In Absatz 2 Paragraf 52 der Abgabenordnung werden gemeinnützige Zwecke aufgeführt (siehe Infokasten). So gehört die Förderung von Kunst und Kultur ebenso zu den gemeinnützigen Zwecken wie beispielsweise die Förderung der Erziehung und Volksbildung, die Förderung von Umwelt- und Naturschutz oder die Förderung des demokratischen Staatswesens. Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft sind:

 
• die Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke,
• die selbstlose, ausschließliche und unmittelbare Verfolgung der Zwecke,
• die Nennung der gemeinnützigen Zwecke in der Satzung,
• die tatsächliche Geschäftsführung entsprechend der Satzung sowie
• die Regelung in der Satzung, dass das Vermögen der Körperschaft bei

 

Auflösung oder Wegfall der Steuerbegünstigung auch künftig für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird.

 

Die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft ist in der Regel eine der Voraussetzungen, um öffentliche Mittel beantragen zu können. Ebenso sind Spenden an eine Körperschaft nur dann steuerlich abzugsfähig, wenn diese gemeinnützig ist.

 

Das Gemeinnützigkeitsrecht ist ein zentraler Baustein zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Darin kommt zum Ausdruck, dass sich Körperschaften für die Allgemeinheit, letztlich das Gemeinwohl, stark machen. Dieses bürgerschaftliche Engagement als Spende von Zeit oder von Geld ist eine wesentliche Grundlage unseres Gemeinwesens. Es zeugt davon, dass nicht der Staat alles richtet, sondern die Bürgerinnen und Bürger selbst für ein gelingendes Zusammenleben verantwortlich sind, sich hierfür stark machen und füreinander einstehen.

 

Die Feststellung, ob eine Körperschaft als gemeinnützig anerkannt ist, obliegt den Finanzämtern. Sie prüfen nicht nur die Satzung, sondern anhand der Jahresberichte auch, ob die tatsächliche Geschäftsführung den gemeinnützigen Zwecken entspricht.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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