Zu viel Selbstbezüglichkeit

Marina Münkler zum Reformprozess der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Die komplizierte Struktur der SPK ist auch historisch bedingt: Das Land Preußen gab es nach 1947 nicht mehr, seine Kulturschätze und Institutionen aber waren noch da. So wurde 1959 beschlossen, diese im kulturföderalen System der Bundesrepublik in Form einer Bund-Länder-Stiftung zu organisieren. Mit solch komplizierten Formen müssen Kulturinstitutionen in London, Paris oder Rom sich nicht auseinandersetzen. Das macht eine Reform nicht leichter.

Die Stiftung wurde mit der Perspektive gegründet, dass sie bei einer Wiedervereinigung ihre Funktion verlieren würde. Die haben wir seit geraumer Zeit. Da hätte man sich schon lange etwas überlegen müssen. Die Stiftung hat gewaltige Anstrengungen unternommen, um die Bestände, die in der DDR waren, zu integrieren. Da wurde viel geleistet, das haben wir gewürdigt. Andererseits muss man sagen, dass auch die Finanzierungsstruktur der Stiftung ausgesprochen schwierig ist. Das hat etwas mit den föderalen Bedingungen zu tun: Der Bund gibt den Löwenanteil, das Land Berlin trägt in Relation zu den anderen Ländern einen größeren Anteil, die Anteile der restlichen Länder sind seit Jahren gedeckelt, und ihr Interesse ist nur mäßig. Das machte sich auch im Stiftungsrat bemerkbar. Zu Sitzungen wurden häufig Mitarbeitende entsandt, die keine Entscheidungsbefugnisse hatten, dadurch wurden Entscheidungen verzögert.

Immerhin soll laut dem überarbeiteten Reformvorschlag der Stiftungsrat anders zusammengesetzt werden, nicht mehr alle Länder sollen vertreten sein, sondern nur noch einige; plus Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen. Das hatten wir empfohlen. Dazu interessierte Bürgerinnen und Bürger, die äußern sollen, was sie von ihren Museen erwarten.

Wenn man sich Museen in Paris, London etc. anschaut, dann findet man genau solche Beiräte, in denen Menschen aus der Wirtschaft oder Wissenschaft sitzen, ebenso Leiter weiterer Museen, die andere Perspektiven mitbringen. Das ist ein zentraler Gesichtspunkt, damit eine Stiftungsleitung sich mit Erwartungen konfrontiert sieht und sich nicht abschotten kann.

 

Die Kritik an den SPK-Einrichtungen läuft vielfach auf den Punkt hinaus, dass die eine Art „Dornröschendasein“ führen. Woran liegt das? 

Es gibt leider sehr wenige glanzvolle Ausstellungen. Es ist schon bezeichnend, wenn es eines „Gastspiels“ des New Yorker Museum of Modern Art bedarf, damit sich Besucherschlangen um die Neue Nationalgalerie winden. Meines Erachtens liegt es daran, dass die SPK viel zu sehr an einer Binnenorientierung arbeitet, anstatt dass die Häuser sich auf ihre eigenen Aufgaben besinnen.

Dabei gibt es Beispiele, wie es besser laufen kann: Der Direktor des Museums für Islamische Kunst machte sich auf die Suche nach Geldgebern, fand sie in islamischen Ländern und konnte gute Ausstellungen machen. Die Staatsbibliothek hat eine höhere Selbständigkeit als die anderen Einrichtungen. Deswegen unsere Meinung: Die Staatsbibliothek braucht die Stiftung nicht, sie kann sehr gut alleinstehen.

Umgekehrt sieht es anders aus: Die Staatsbibliothek erbringt sehr viele Dienstleistungen für andere SPK-Einrichtungen. Es erschien uns fragwürdig, ob das ein sinnvoller Ressourceneinsatz ist.

 

Nun gibt es aber dieses neue Reformkonzept. Angenommen, das wird die Grundlage der zukünftigen Organisation bilden: Sehen Sie Stellschrauben, um Elemente Ihrer ursprünglich radikaleren Lösung noch wirksam werden zu lassen: mehr Autonomie, Orientierung an Publikumsinteressen, Digitalisierung?

Ich gehe davon aus, dass das, was jetzt aufgeschrieben wurde, nicht 1:1 so kommen muss. In einem solchen Reformprozess können sich immer noch Änderungen ergeben. Aber selbst wenn man das mal als „gesetzt“ annimmt, ist eines unabdingbar: Die Museen und auch die Staatsbibliothek müssen stärker selbständig nach außen auftreten können – und der Präsident der SPK müsste sich, was die Außenvertretung der Einrichtungen betrifft, deutlich zurücknehmen.

Schauen Sie sich die Presseerklärungen an, auch die nach unserer Analyse: Über Neuerungen der Staatsbibliothek berichtet der Präsident der Stiftung. Warum eigentlich? Die Leiterin oder der jetzt kommende neue Leiter der Staatsbibliothek könnte das gut allein. Das gilt auch für die Museen. Es wäre wichtig, dass sie ihre eigenen Einrichtungen nach außen vertreten und der Präsident nur die Gesamtstiftung repräsentiert.

 

Sie hoffen auf Modifikationen im weiteren Prozess der Reformumsetzung – welche Möglichkeiten sehen Sie?

Man kann noch überlegen, wie man das Verhältnis zwischen den einzelnen Einrichtungen und dem Präsidium der Stiftung gestaltet. Derzeit werden zwar einzelne Kooperationen vereinbart, aber mir scheint, der Prozess läuft sehr stark auf die  Beibehaltung der alten Struktur hinaus. Ich hoffe darauf, dass die Museumsdirektorinnen und -direktoren die Chance ergreifen, die in der Reformankündigung liegt. Wir haben bei unserer Untersuchung von niemandem mehr Klagen über die Verhältnisse gehört als von den Direktorinnen und Direktoren. Es wäre wichtig, dass sie selbst diese „Occasio“ ergreifen und die Chance nicht vorbeigehen lassen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, dass die in den einzelnen Häusern vorhandene Expertise der Mitarbeitenden in den Reformprozess eingebracht werden solle. Welche Bedeutung kann das haben?

Natürlich ist es immer wichtig, die Expertise auf allen Ebenen einzubeziehen. Aber es bringt wenig, wenn man keine Strukturen schafft, die klare Zuständigkeiten produzieren.

Man muss dann schon sagen: Hier gibt es fünf Punkte, in denen wir uns bewegen müssen – wir brauchen mehr Ausstellungen, wir brauchen stärkere Publikumsorientierung, wir brauchen mehr Digitalisierung, wir brauchen stärkere Kommunikation mit der Öffentlichkeit, und wir brauchen eine Governance-Struktur, die das alles ermöglicht.

Man muss überlegen, was wollen wir? Und von diesem definierten Wollen her die Aufstellung entscheiden. Dazu gehört auch der Austausch mit London, Paris, New York – wie werden die Aufgaben dort angegangen und gelöst. Es gibt in den SPK– Einrichtungen einzelne gute Projekte. Aber das Ganze ist nicht groß genug gedacht.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.

Marina Münkler
Marina Münkler ist Professorin für Ältere und frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der TU Dresden. Sie leitete die Arbeitsgruppe im Wissenschaftsrat, die das Gutachten zur Struktur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erarbeitete. Hans Jessen ist freier Publizist und ehemaliger ARD-Hauptstadtkorrespondent.
Vorheriger ArtikelGute Nachricht aus Berlin
Nächster ArtikelReform statt Auflösung