Die gute Nachricht zuerst. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bleibt erhalten. Dieser in der Welt einzigartige Verbund von Museen, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen wird nicht zerschlagen, wie es das Gutachten des Wissenschaftsrats nahegelegt hat. Die Schockwellen, die das damals auslöste, scheinen sich im Innern der Stiftung in positive Energie verwandelt zu haben. Dort versucht man sich jetzt, am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, an dessen Rändern sich bereits die üblichen Unken niedergelassen hatten. Zu groß, zu schwerfällig, zu unübersichtlich sei diese Stiftung, die interne Hierarchie war vielen ein Graus. Man findet kaum einen verantwortlichen Mitarbeiter, der nicht darunter gelitten hat. Entmündigt sei man gewesen, für jeden Bleistift habe man eine Genehmigung gebraucht.
Doch das soll sich jetzt alles ändern. Der Stiftungsrat gab vor wenigen Wochen grünes Licht. Und als Erstes wird wohl die Generaldirektion verschwinden, unter der die Arbeit der Museen am meisten gelitten hat. Mehr Autonomie für die Häuser, größere Spielräume, eigene Entscheidungsgewalt und Finanzhoheit – im Grunde alles Selbstverständlichkeiten einer modernen Verwaltungsstruktur. Man fragt sich schon, warum diese Defizite von den verantwortlichen Aufsichtsgremien so lange hingenommen wurden. Bei der Ursachenforschung stößt man auf immer dieselben Namen, auf Abschottung, Intransparenz und vor allem eine zentralistische Führungsstruktur, die zu einer zeitgemäßen Institution nicht mehr passt. Das soll jetzt alles verschwinden. Der Generationenumbruch beginnt.
Das Überraschende an diesem Vorgang ist, dass die Kraft zur Veränderung aus der Stiftung selbst kommt; dass es keines neuen Prisenkommandos von außen bedurfte, um den Kurs zu justieren; kein weiterer politischer Druck, keine fachfremden Gutachter oder selbst ernannte Berater. Die Fehler, die andere, vergleichbare Einrichtungen so häufig gemacht haben, wiederholen sich in der Preußenstiftung nicht. Aus eigener Kompetenz hat man die Reformpläne entwickelt und eine integrative Führungskultur entsteht dabei auch.
Das ist in erster Linie einer kleinen Gruppe aus der jüngeren Direktorenschaft zu verdanken; man spricht vom Direktorenmodell. Aber auch der Präsident spielte dabei eine wichtige Rolle. Er gilt inzwischen als die unbestrittene Integrationsfigur. Das hört man auf den Fluren jetzt immer wieder.
Es war auch allerhöchste Zeit für diesen Selbstheilungsprozess. Denn die Gegner der Stiftung, die das Konstrukt am liebsten abschaffen wollten, waren gerüstet. Die Strukturmängel wären ihnen nur Anlass gewesen. Der tiefere Beweggrund war ein anderer. Ein Dreivierteljahrhundert nach dem berühmten Kontrollratsgesetz sollte das Kapitel Preußen wohl endgültig zugeklappt werden. Dazu ist es zum Glück nicht gekommen. Die langen Linien der deutschen Geschichte waren am Ende doch stärker gewesen als solche Bestrebungen.
Diese Stiftung ist eben kein hundsgewöhnlicher Sanierungsfall. Man muss sie eher wie einen historischen Resonanzkörper behandeln. Sie folgte wie ein Echo der Nachkriegsentwicklung. Vielleicht ist das trotz aller unleugbaren strukturellen und organisatorischen Mängeln das Grundmissverständnis der aktuellen Kritik. Es geht bei der Preußenstiftung eben nicht nur darum, dass sie gut funktioniert – was eigentlich selbstverständlich sein müsste; es ging immer schon darum, welche Rolle sie hat und welche politische Bedeutung. Man kann das an ihrer Geschichte gut ablesen.
Schon die Gründung war ein Ausnahmetatbestand. Damals wollte man die Spolien und Trümmer auffangen, die von Preußens Glanz und Gloria noch übrig geblieben waren. Die Stiftung als die Kohlensammlerin in der Nachkriegszeit. Nur wenige Zeitgenossen werden sich überhaupt noch daran erinnern, wie mühsam und ungelitten diese Aufgabe war – gegen den Zeitgeist der alten Westrepublik. Preußen war doch erledigt, warum sollte sein herrenloses Gut noch eine Rechtsform bekommen?
Auch die deutsche Wiedervereinigung mit all ihren Hoffnungen und Problemen fokussierte sich brennglasartig in dieser Stiftung. Man schob damals zusammen, was wohl zusammengehört. Dann wurde darüber ein Hochamt gefeiert. Aber genau das machte den Charme nach der Wende aus: Das gewaltige Wiederaufbauprojekt auf der Museumsinsel, die Wiederverknüpfung der zerrissenen Strukturen, die Neuordnung der Bestände und der Liegenschaften – all das erschien wie eine deutsche Einheit im Kleinen. Wer wollte den Verantwortlichen da noch einen Vorwurf machen.
Peter-Klaus Schuster hat die wiederentstehende Museumsinsel mit glühendem Pathos beschrieben. München, Frankfurt, Köln oder auch Weimar verblassten dagegen.
Inzwischen sind die Berliner Feuer erloschen, die Einheit ist mühsamer Alltag geworden und die um ihren Zusammenhalt ringende Preußenstiftung scheint ein weiteres Mal zum Echo auf diese Gesellschaft zu werden; einer Gesellschaft, die auseinanderzudriften droht. Doch eine solche in der Welt einzigartige Sammlungs- und Forschungslandschaft zerteilt man nicht ohne Not. Diese Erkenntnis hat sich jetzt durchgesetzt. Und dass auch die Länder im Stiftungsrat bleiben wollen, wird sich als Segen erweisen.
Den anderen Fall darf man sich gar nicht ausmalen wollen: eine zerschlagene Stiftung als Spielball Berliner Stimmungen und Interessen. Man kann am Humboldt Forum studieren, welche Konsequenzen das hat. Die berühmten Sammlungen würden wohl bald zur Kulisse für alle möglichen Spektakel.
Man würde sich dann doch lieber die knarzenden Museumsdielen von früher zurückwünschen. Dass es dazu nicht kommen wird, hat man der Stiftung selbst zu verdanken. Dort will man Treuhänder bleiben für ein ganz großes Erbe. Das ist die gute Nachricht jetzt aus Berlin.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.