Zu viel Selbstbezüglichkeit

Marina Münkler zum Reformprozess der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Reform versus Auflösung: Der Literaturwissenschaftlerin Marina Münkler gehen die Reformen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) aktuell nicht weit genug. Im Interview mit Hans Jessen bezieht sie Stellung zum Gutachten des Wissenschaftsrates, der im vergangenen Jahr die Stiftungsstruktur evaluierte, und den aktuellen SPK-Reformbestrebungen.

 

Hans Jessen: Frau Münkler, vor gut einem Jahr stellte der Wissenschaftsrat in einem fast 300 Seiten starken Gutachten der SPK ein vernichtendes Urteil aus: Die Stiftung sei in ihrer derzeitigen Struktur nicht reformfähig, man solle sie auflösen und die einzelnen Bereiche eigenständig weiterführen.

Die Studie wurde unter Ihrer Leitung verfasst. Was hatte Sie zu diesem radikalen Vorschlag veranlasst?

Marina Münkler: Wir haben uns mit allen Einrichtungen der Stiftung befasst. Uns ist aus den Häusern sehr viel schlechte Stimmung entgegengeschlagen. Die Klagen waren so vielfältig, dass wir zu dem Ergebnis kamen, die Governance-Strukturen seien eher hinderlich für die Arbeit in der Stiftung. Es gab ja schon Reformversuche innerhalb der SPK, parallel zu unserer Untersuchung lief z. B. ein Personalberatungsprozess. Wir sind aber letztlich zu dem Ergebnis gekommen, dass in Sonderheit die Museen sehr viel besser agieren könnten, wenn es eine „Stiftung Staatliche Museen zu Berlin“ gäbe, in der die Museen durch Planungs-, Budget- und Personalhoheit verselbständigt arbeiten könnten. Das wäre nach unserer Auffassung in der derzeitigen Stiftungsstruktur nicht leistbar – deswegen haben wir die Auflösung vorgeschlagen.

 

Ein Jahr später legte die eingesetzte Reformkommission ein Konzept vor, dass alles andere als Auflösung bedeutet: Neuorganisation der Zusammenarbeit, aber weiterhin unter dem gemeinsamen Dach der SPK. Ist das aus Ihrer Sicht ein Schritt zurück, Angst vor dem eigenen Mut – oder ein Schritt nach vorn: vor uns die Mühen der Ebenen?

Ich begreife es nicht als Schritt nach vorn. Es ist das Zurückschrecken vor der eigentlichen Aufgabe. Sehr viel von der Selbstbezüglichkeit, die wir als ein starkes Problem der Stiftung gesehen haben, ist erhalten geblieben.

 

Was meinen Sie mit „Selbstbezüglichkeit“?

Man erkennt sie jetzt wieder in dem, was in der Reformkommission beraten und beschlossen wurde. Beispielsweise, dass die Kooperation der einzelnen Museen bzw. Stiftungseinrichtungen untereinander verbessert werden müsse.

Das war für uns aber gar nicht der zentrale Punkt. Wir hielten für viel wichtiger, dass die Museen sich stärker an ihren jeweiligen Publika orientieren. Sie müssen die Kooperation nach außen stärken, nicht nur nach innen. Diese Art von Selbstbeschäftigung hat die Stiftung über lange Zeiträume gelähmt. Deswegen sehe ich gerade diesen Vorschlag durchaus kritisch.

 

Der Reformvorschlag sieht immerhin größere Eigenständigkeit der einzelnen SPK-Institutionen vor, mit mehr Finanzhoheit und Wegfall von zwischengeschalteten Verwaltungsstrukturen – wird damit nicht einem Grundgedanken der letztjährigen Fundamentalkritik Rechnung getragen? So sehen es der derzeitige SPK-Präsident Hermann Parzinger und wohl auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Diese Vorschläge treffen nicht den zentralen Punkt. Wir hatten vorgeschlagen, Personalstellen aus der Hauptverwaltung in die einzelnen Einrichtungen zu verlegen.

 

Die Hauptverwaltung wird jetzt aufgelöst …

Sie wird umbenannt. Aus der „Hauptverwaltung“ wird nun ein „Servicezentrum“. Das trifft einen Teilaspekt unserer Kritik an mangelnder Serviceorientierung, ganz besonders den Umgang mit eingeworbenen Forschungsmitteln:

Da haben die Prozesse innerhalb der Hauptverwaltung teilweise so lang gedauert, dass am Ende ein Teil der Personalmittel schon wieder verfallen war. Aber auch hier war der zentrale Punkt ein anderer: Die Organisationsstruktur hat nicht gestimmt. Durch die Umbenennung in „Servicezentrum“ ändert man das nicht wirklich.

 

Die Hoffnung, dass durch die stärkere Selbständigkeit Einzelner mehr Eigeninitiative und Kooperation nach außen erfolgen werde, wie sie aus den Äußerungen Hermann Parzingers herausklingt, teilen Sie nicht?

Nein. Nach meinem Kenntnisstand werden zwar einige Museumsdirektoren einbezogen und sollen in der künftigen Leitung vertreten sein – de facto soll es aber eine Rotation geben. Das bedeutet, sie werden untereinander sehr viele Aushandlungsprozesse führen müssen, um festzulegen, was in der Leitung aus den Museen eingebracht werden soll. Die Stiftungsleitung dagegen bleibt immer dieselbe. Das ist definitiv eine Asymmetrie von Macht und Aufgabenverteilung, die die Sache nicht besser machen wird.

 

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt war: Die finanzielle und personelle Ausstattung reiche nicht, um die Aufgaben bewältigen zu können. Wird der jetzige Vorschlag dieser Kritik gerecht?

Wir hatten darauf hingewiesen, dass vor allem für die Aufgaben der Digitalisierung die Ausstattung unzureichend ist und verbessert werden muss. Aber auch hier gilt: Im Zentrum der Kritik steht die Governance. Es ist z. B. sehr viel Geld geflossen in den Markenbildungsprozess „SPK – Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, der aus unserer Sicht nicht zielführend war. Er hat nicht dazu geführt, dass man mit diesem Namen nun weltweit etwas Besonderes verbindet. Man denkt in der Welt weder an Preußen noch an das auch jetzt wieder hervorgehobene Konglomerat der Einrichtungen, sondern in erster Linie an die Staatlichen Museen zu Berlin mit ihren herausragenden Sammlungen. Die müssten eine viel höhere Dynamik entwickeln, und dafür brauchen sie größere Selbständigkeit.

Marina Münkler
Marina Münkler ist Professorin für Ältere und frühneuzeitliche deutsche Literatur und Kultur an der TU Dresden. Sie leitete die Arbeitsgruppe im Wissenschaftsrat, die das Gutachten zur Struktur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) erarbeitete. Hans Jessen ist freier Publizist und ehemaliger ARD-Hauptstadtkorrespondent.
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