Reform statt Auflösung

Ausblick nach einem Jahr Reformprozess der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK)

Im Juli 2020 legte der Wissenschaftsrat sein Gutachten zur Zukunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) vor. Die Empfehlungen waren durchaus radikal, sahen sie doch eine Auflösung der Stiftung vor, weil angeblich nur so den Einrichtungen die notwendige Autonomie eingeräumt werden könne. Diese Vorschläge wurden damals intensiv diskutiert, auch der Deutsche Kulturrat hatte sich mit einer Stellungnahme zu Wort gemeldet und Bedenken angemeldet.

 

Dabei gab es weitgehende Einigkeit, dass es erstens in der SPK dringender Reformen bedürfe, um diesen einzigartigen Kosmos der Kunst und Kultur mit seinen Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten zukunftsfähig zu machen. Zweitens wurde überwiegend große Skepsis geäußert, ob eine Auftrennung der Stiftung entlang längst überholter Spartengrenzen wirklich zeitgemäß sei, wo es im digitalen Zeitalter doch gerade um Verknüpfung und Vernetzung gehe. Und drittens wurde die drastische finanzielle und personelle Unterausstattung bei immer neu hinzukommenden Großaufgaben als eine entscheidende Schwachstelle ausgemacht.

 

Seit einem Jahr ist viel geschehen. Der Stiftungsrat der SPK hat eine Reformkommission eingesetzt, und zwar unter der Leitung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters und mit Beteiligung der Länder Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Hamburg auf Ministerebene. An den regelmäßigen Sitzungen nahmen ferner der Präsident und der Vizepräsident der Stiftung und – je nach Tagesordnung – auch die jeweils betroffenen Einrichtungsleitungen teil. Ferner wurden Gespräche mit den Personalvertretungen der Stiftung geführt, um auch deren Perspektive in den Prozess einzubeziehen. Die Betrachtung war dabei von Anfang an bewusst ergebnisoffen, d. h. sämtliche Prüfungen stellten jeweils den Erhalt und die Auflösung der Stiftung mit allen Konsequenzen in ihrer Betrachtung gegenüber.

 

Das Ergebnis war am Ende eindeutig, und die von der Reformkommission erarbeiteten Eckpunkte wurden am 29. Juni 2021 vom Stiftungsrat der SPK mit Bund und allen 16 Ländern ohne Gegenstimme beschlossen. Diese Richtungsentscheidung war von zentraler Bedeutung, weil nach einem Jahr Debatte über Auflösung oder Fortbestand der SPK bei ihren 2.000 Mitarbeitenden große Unsicherheit entstanden war und damit nun ein klarer Weg in die Zukunft vorgezeichnet ist. Und doch stehen wir erst am Anfang: Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, wenn es darum geht, ausgehend von diesen Eckpunkten die Struktur der SPK grundlegend umzubauen.

 

Zu den Eckpunkten im Einzelnen. Das prioritäre Ziel der Reform muss die größere Autonomie der Einrichtungen der SPK sein, vor allem in Budget- und Personalfragen; dies war auch die vordringliche Forderung des Wissenschaftsrats. Sie soll jedoch innerhalb eines grundlegend reformierten Stiftungsverbundes umgesetzt werden, weil offensichtlich ist, dass die Schaffung mehrerer rechtlich eigenständiger Einrichtungen einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungs- und Ressourcenbedarf ohne hinreichenden Mehrwert zur Folge hätte.

 

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird also erhalten bleiben, allerdings tiefgreifend verändert. Die einzelnen Einrichtungen und Museen sollen stärker mit ihren eigenen Profilen an die Öffentlichkeit treten und gezielter ihre Publika ansprechen. Die Orientierung auf die jeweiligen Zielgruppen der Besucherinnen und Nutzer steht eindeutig im Vordergrund. Der Mehrwert der SPK als spartenübergreifender Kultur- und Wissenschaftsverbund muss allerdings noch stärker genutzt werden. Der Erhalt des Stiftungsverbundes ist also mit der klaren Erwartung verbunden, dass die Einrichtungen der SPK deutlich aktiver zusammenarbeiten und ein lebendiges und funktionierendes Netzwerk von Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten entwickeln.

 

Entscheidend ist dafür die gemeinsame strategische Steuerung des Stiftungsverbundes. Wir begrüßen deshalb den Gedanken eines Kollegialorgans – Präsidium oder Vorstand –, in dem neben einem Präsidenten oder einer Präsidentin mehrere Vizepräsidentinnen bzw. Vizepräsidenten aus den Einrichtungen mitwirken, die diese Aufgabe im Nebenamt wahrnehmen; nur so sind aktive Mitwirkung und auch Mitverantwortung zu gewährleisten. Die Einzelheiten dieser Governance sind noch zu erarbeiten, doch entspricht dies einem Führungsmodell, wie es sich an Universitäten oder großen Wissenschaftseinrichtungen durchaus bewährt hat. Einvernehmen bestand weiterhin, dass Führungspositionen in der SPK und in ihren Einrichtungen künftig nur mehr zeitlich befristet besetzt werden sollen.

 

Die bisher beim Präsidenten angesiedelte Hauptverwaltung soll zukünftig in ein Servicezentrum verwandelt werden, das nicht hierarchisch über den Einrichtungen steht, sondern neben ihnen und sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt. Zahlreiche Verwaltungsaufgaben, besonders in Budget- und Personalfragen, sollen an die Einrichtungen verlagert werden. Im Servicezentrum verbleiben solche Verwaltungsdienstleistungen, die zentral verantwortet werden. Externe Organisationsfachleute werden bei der weiteren Ausdifferenzierung von zentralen und dezentralen Aufgaben beratend unterstützen, um auf diese Weise ein möglichst agiles, effektives, eigenverantwortliches und zugleich rechtskonformes Handeln der Einrichtungen und der Stiftung insgesamt zu ermöglichen.

Hermann Parzinger
Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
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