Berufliche Bildung stärken

Bildung und Forschung in der aktuellen Legislaturperiode

 

Ich denke, Deutschland kann in dieser Welt einen wunderbaren Platz einnehmen. Doch dafür sollten wir aktiv werden, die Chancen nutzen und unsere Innovationen vorantreiben. Neue Ideen müssen schnell zu neuen Produkten werden: Das ist der Grund, warum wir eine Agentur für Sprunginnovationen gründen und eine Strategie für Künstliche Intelligenz vorgelegt haben. Und das ist der Grund, warum wir weiter intensiv in die Köpfe investieren wollen, in Bildung, denn Innovationsgesellschaft ist gleichbedeutend mit Wissensgesellschaft. Dazu gehört auch Chancengerechtigkeit: Der siebte Bildungsbericht im Juni hat wieder gezeigt, dass immer mehr Menschen nach guter Bildung streben – dass aber gleichzeitig die soziale Herkunft nach wie vor einen starken Einfluss auf den Bildungserfolg hat. Ich möchte mithelfen, das zu verbessern. Jedes Kind hat ein Recht darauf, den Weg zu gehen, der zu seinen Begabungen passt – unabhängig vom Geldbeutel, dem Bildungsstand, den Wurzeln oder dem Engagement der Eltern. Wir sollten jedes einzelne Kind da abholen, wo es steht. Deswegen werden wir die Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder ausbauen, eine Initiative für Brennpunktschulen starten und das BAföG reformieren.

 

Daher liegt mir auch die kulturelle Bildung so sehr am Herzen. Sie hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Bedeutungszuwachs bekommen. Ob es nun der Zirkuskurs nach Unterrichtsschluss für Kinder zwischen 10 und 14 Jahren an der Gesamtschule in Greven oder ob es der Theaterferienkurs für zugewanderte Kinder und Jugendliche in der Begegnungsstätte Hansaviertel ebenfalls in Greven ist, um nur zwei Beispiele aus meiner Heimatregion zu nennen, die von uns im Programm „Kultur macht stark“ gefördert werden. Junge Menschen in diesen Kursen stärken nicht nur ihre kognitiven Kompetenzen, sie lernen auch Offenheit für Neues, Gewissenhaftigkeit und Teamfähigkeit und werden sogar in der Schule besser, wie Forschungsergebnisse zeigen. Nicht zuletzt geht es auch bei kultureller Bildung um Zusammenhalt: Er wird durch ein gemeinsames kulturelles Verständnis gefestigt. Darum werden wir in dieser Legislaturperiode auch einen Schwerpunkt auf kulturelle Bildung in ländlichen Regionen legen.

 

Dabei ist kulturelle Bildung zunehmend auch digitale Bildung. Man denke nur an den Umgang mit den digitalen Medien, die längst den Alltag unserer Kinder und Jugendlichen bestimmen. Das gilt erst recht für die Schule: Unser vielleicht ambitioniertestes Projekt ist nicht ohne Grund der Digitalpakt. Mit ihm wollen wir unsere Schulen zukunftsfähig machen. Damit Schulen im digitalen Zeitalter ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen und Schüler auf das Leben gut vorbereiten können, brauchen sie gut ausgebildete Lehrkräfte, geeignete pädagogische Konzepte sowie eine leistungsfähige digitale Infrastruktur.

 

Die Erwartungen an den Digitalpakt sind also hoch. Bei kaum einem anderen Thema werden die Ergebnisse unserer Arbeit in der Fläche so sichtbar sein wie hier: Der Digitalpakt betrifft 40.000 allgemeinbildende und berufliche Schulen mit 11 Millionen Schülern. Ich glaube, dass es eine Verantwortungsgemeinschaft von Bund und Ländern gibt, um bestmögliche Bildung auch wirklich durchzusetzen. Schulen sind bekanntlich Ländersache. Aber es macht mir Sorgen, wenn viele Menschen in unserem Land dem Bildungsföderalismus zunehmend so skeptisch gegenüberstehen wie gegenwärtig. Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen.

 

Wir machen Politik für die Menschen. Auf sie müssen wir hören. Deswegen setze ich mich auch für den Nationalen Bildungsrat ein. Die Kinder in Cloppenburg müssen die gleichen Bildungschancen haben wie die in Füssen, die Kinder in Aachen die gleichen wie in Görlitz. Und Kinder, die von einem Bundesland ins andere ziehen, müssen schnell schulisch den Anschluss finden. Mit dem Nationalen Bildungsrat können wir, Bund und Länder gemeinsam, zeigen, dass wir die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und unser Bildungswesen gemeinsam voranbringen.

 

Denn die Welt wartet nicht auf uns. Globalisierung und Digitalisierung führen dazu, dass der weltweite Wettbewerb stärker wird. Allerdings haben Einzelkämpfer auf den Weltmärkten kaum Chancen, vorne mitzuspielen. Wir brauchen Freunde, enge Partner. Daher ist mir so viel an einem starken Europa, an gemeinsamen europäischen Initiativen in Bildung und Forschung gelegen. Konrad Adenauer hat in seiner Regierungserklärung am 15. Dezember 1954 gesagt: „Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wurde die Hoffnung für viele. Sie ist heute die Notwendigkeit für alle.“ Wenn man mich fragt, von welchen Prinzipien ich mich bei meiner Arbeit eigentlich leiten lasse, dann gehört diese Überzeugung auf jeden Fall dazu.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2018.

Anja Karliczek
Anja Karliczek, MdB ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
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