Bayern: „Land der wunderbaren Neger“

Zur Kulturpolitik in Bayern

Den erwartbaren Reaktionen auf seine Äußerung entgegnete Herrmann später, er habe ja nur einen Begriff aus einer kurz vorher in der Sendung gezeigten Straßenumfrage aufgenommen. Roberto Blanco selbst gab zu Protokoll, er fühle sich von Herrmanns Worten jedenfalls nicht diskriminiert oder beleidigt. Doch sie zeigen den Blick eines Ministers auf die Welt, der zu den prominentesten Mitgliedern der bayerischen Staatsregierung zählt. Und das nicht zum ersten Mal, denn nur eine Woche zuvor war er bereits in diesem Sinne auffällig geworden. In der Runde von Plasbergs ZDF-Kollegin Maybrit Illner hatte Herrmann auf den Vorschlag von Spiegel-Kolumnist Sascha Lobo, die Flüchtlinge von heute der Ehrlichkeit halber doch besser Vertriebene zu nennen geantwortet, das sei eine „Beleidigung für die vor 70 Jahren echt Vertriebenen“.

 

Wer so denkt und redet, bei dem – oder der – sind nicht nur die Ursachen der aktuellen Fluchtbewegungen, sondern ist auch die Tatsache der Einwanderungsgesellschaft immer noch nicht angekommen, weder intellektuell, noch emotional. Konsequenterweise ist auch von den Ideen, Konzepten und Strategien der Interkultur auf Landesebene keine Rede, nicht in den kulturpolitischen Strategien der Regierung und nicht in Haushaltstiteln. In einem de facto multikulturellen Deutschland des Jahres 2016 und seiner in unterschiedlichen Abstufungen migrantisch geprägten Gesellschaft ist das aber schlicht keine tragfähige Option mehr; heute nicht, und erst recht nicht in Zukunft.

 

Und es kann auch nicht durch die vielen konkreten interkulturellen Aktionen der Kultureinrichtungen im Land – wiederum vor allem in München – ausgeglichen werden, dass die Landesregierung in einer Art restaurativem Gestern-Modus lebt. Der Sturm der Globalisierung wird diese Haltung sehr bald als Kartenhaus entlarven und einfach wegpusten. Wer wo wie viele Konzertsäle, Häuser der Geschichte und Landesmuseen baut, unterhält und organisiert, ist vor diesem Hintergrund eigentlich sehr egal.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/16.

Peter Grabowski
Peter Grabowski ist kulturpolitischer Reporter.
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