Vermittlung von historischer, politischer und kultureller Bildung?

Stiftung Haus der Geschichte

Migration, Globalisierung, Digitalisierung – das sind nur einige Themen, die unsere Gesellschaft derzeit intensiv beschäftigen. Diese Phänomene erfordern eine kritische Auseinandersetzung und Diskussion, die in der heutigen Zeit wichtiger denn je sind. Der Schlüssel dazu ist Bildung – denn nur wer gut informiert ist, kann sich sachgerecht in die politische Willensbildung einmischen und einen Standpunkt fundiert vertreten. Zeithistorische Museen spielen bei der Vermittlung historisch-politischer Bildung eine wichtige Rolle, denn sie können eine Grundlage zur Diskussion und Urteilsbildung auch mit Blick auf aktuelle Geschehnisse schaffen.

 

Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland vermittelt deutsche Zeitgeschichte in vier Dauerausstellungen und vielseitigen Wechselausstellungen im Haus der Geschichte in Bonn, im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, im Tränenpalast sowie im Museum in der Kulturbrauerei in Berlin. Ausdrucksstarke Originalobjekte, Dokumente, Ton- und Filmaufzeichnungen machen durch ihre Kontextualisierung und ansprechende Präsentation Geschichte lebendig und nachvollziehbar. Sie führen vor Augen, welche Folgen nationalistisches, diktatorisches oder ideologisch-religiöses Denken haben. Die Ausstellungen der Stiftung sprechen damit den Besucher sowohl auf kognitiver als auch auf emotionaler Ebene an und fordern zu Kommunikation und Austausch auf. Ein umfangreiches Begleitprogramm aus Veranstaltungen, Publikationen, Workshops und Online-Angeboten ergänzt die Ausstellungen.

 

Vor allem der technische Fortschritt, das sich ändernde Rezeptionsverhalten der Besucher und neue Zielgruppen erfordern eine stetige Anpassung der Vermittlungsformate. Zudem erarbeitet die Stiftung zu allen Ausstellungen umfangreiche museumspädagogische Materialien. Dazu gehören neben speziellen Begleitunterlagen für Schulklassen und Familien auch Apps für Smartphones sowie Angebote für Migranten. Darüber hinaus erprobt die Stiftung derzeit in einer Wechselausstellung innovative inklusive Elemente, um Menschen mit Behinderung den Rundgang im Museum zu erleichtern.

Neben dem Besuch der stiftungseigenen Häuser können Interessierte auf dem „Weg der Demokratie“ durch das ehemalige Regierungsviertel in Bonn authentische Orte der ehemaligen Bundeshauptstadt entdecken. Die Stiftung Haus der Geschichte macht einige dieser vormaligen Schaltzentralen der Bundesrepublik zugänglich: Dazu gehören der Kanzlerbungalow, der Bundesrat, das Palais Schaumburg sowie das Kanzlerarbeitszimmer und der Kabinettsaal im ehemaligen Bundeskanzleramt (heute BMZ). Die Besonderheit des historischen Ortes für die Geschichtsvermittlung besteht darin, dass der Ort selbst das zentrale Objekt der Präsentation ist – dies gilt im Übrigen auch für den Tränenpalast in Berlin. So können beispielsweise Schülerinnen und Schüler im ehemaligen Bundesrat selbst ans Rednerpult treten und lernen am authentischen Ort einen zentralen Bestandteil der politischen Ordnung der Bundesrepublik kennen.

 

Kurzum: Die Vermittlung historisch-politischer Bildung ist eine wichtige Aufgabe der Stiftung Haus der Geschichte. Durch ihre Ausstellungen und vielfältigen ergänzenden Angebote will sie demokratische Prozesse verständlich machen und die Teilhabe am politischen Gemeinwesen stärken – denn eine aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit trägt auch zu einem kritischen Umgang mit der Gegenwart bei.

 

Hans Walter Hütter ist Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

 

Stasi-Unterlagen-Archiv

„Freiheit für meine Akte“ – das sprühte ein Demonstrant im Zuge der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg 1990 an ein Wachhäuschen. Diese Formel steht für den Wunsch, dem Staat die Kontrolle über das eigene Leben zu entziehen und es sich wieder zu eigen zu machen. Die „Akten“, die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, sie dokumentieren im Kern nämlich die Unterdrückung und Überwachung eines Volkes durch den Staat und die Manipulation von Abertausenden von Lebensläufen. Diese Akten also befreien zu wollen zeugt bis heute von dem Wunsch nach Demokratie und Transparenz politischen Handelns, aber auch nach Aufarbeitung der SED-Diktatur.

 

„Freiheit für meine Akte“ – diese Aufforderung steht damit auch für die Besonderheit des Stasi-Unterlagen-Archivs und seiner Entstehung. Es ist in dem Sinne zugleich ein Monument der Überwachung, ein Symbol der Friedlichen Revolution und ein Lernort für Demokratie. Es gehört zu den wesentlichen Einrichtungen in Deutschland, die der individuellen wie gesellschaftlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen.

 

Diese Entstehungsgeschichte ist zentraler Leitfaden für unsere Arbeit in der historischen, politischen und kulturellen Bildung zu den Inhalten des Archivs. Dabei gehören Öffentlichkeitsarbeit und politische Bildung zusätzlich auch zu den gesetzlich fixierten Aufgabenfeldern des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU), wie der offizielle Titel dieses einmaligen Archivs lautet. Wörtlich heißt es, dass der BStU die „Öffentlichkeit über Struktur, Methoden und Wirkungsweise der Staatssicherheit der ehemaligen DDR“ zu unterrichten hat.

 

Neben wissenschaftlichen Publikationen, Konferenzen oder Online-Recherchemöglichkeiten in den Beständen des Archivs, um den Zugang zu den komplexen Akten zu erleichtern, bietet der BStU auch ein vielfältiges Angebot zur Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit an. Dazu gehören Veranstaltungen, die vielfach in Kooperation mit anderen Aufarbeitungsinstitutionen, Einrichtungen zur politischen Bildung oder Partnern aus dem Kulturbereich konzipiert und durchgeführt werden. Die Palette der Informationsangebote, die sich insbesondere an die nächsten Generationen mit digitalen Angeboten wendet, erweitert sich stetig.

 

Seit Anfang 2015 sorgt so beispielsweise die „Stasi-Mediathek“ als „Schaufenster“ in das Archiv für einen multimedialen Zugang zu ausgewählten Dokumenten, Videos, Tonbandaufnahmen und Fotos. Durch die spezifisch gestaltete Suchmaschine, die auf exakter Beschreibung jedes Fotos und der Ton- und Videoaufnahmen sowie OCR-basierter Erfassung der Dokumente beruht, lassen sich vielfältige und neuartige Einblicke in das Wirken der Stasi gewinnen und Impulse an die digitale Geschichtsforschung vermitteln.

 

Aber auch der historische Ort, die Stasi-Zentrale, der sich in seinem Dreiklang von Repression, Revolution und Aufklärung insbesondere dafür eignet, ein Ort der Auseinandersetzung über die Werte heutiger Gesellschaften zu sein, etabliert sich seit einigen Jahren als „Campus für Demokratie“. Mitte Juni setzen wir die Arbeit dort mit einer Ausstellung über das Archiv fort. Mit „Einblick ins Geheime“ wollen wir die Unterlagen des Stasi-Unterlagen-Archivs mit interaktiven Medienstationen, Original-Objekten und einer überdimensionierten, begehbaren Akte sinnlich erfahrbar machen. Das „Monument der Überwachung“ hat viele Lektionen bereit: zu den Folgen von Repression, zum Verhältnis zwischen Bürger und Staat, zu den Werten einer Demokratie, zum Wert von Quellen und Archiven, zu den Mechanismen des Geheimen. Ziel ist es, das Stasi-Unterlagen-Archiv am historischen Ort im Heute lebendig zu machen, Angebote zu schaffen, die interessieren und es damit auch für zukünftige Generationen relevant zu machen, um den Wert von Freiheit und Menschenrechten schätzen zu können.

 

Roland Jahn ist Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

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