Über politische Bildung wird wieder gesprochen! So hat z. B. der 15. Kinder- und Jugendbericht, den die Bundesregierung am Ende der letzten Legislatur veröffentlicht hat, die politische Bildung ins Zentrum seiner Ausführungen gestellt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat mit über 100 Millionen Euro eines der größten Sonderprogramme aller Zeiten, „Demokratie leben!“, in dem es im Kern um politische Bildung geht, aufgelegt. Und nun hat sich auch der Deutsche Kulturrat entschieden, eine Ausgabe seiner Zeitung Politik & Kultur diesem Arbeitsfeld zu widmen. Endlich, ist man versucht zu sagen, endlich wird über politische Bildung wieder gesprochen, es wurde höchste Zeit, diesem Teil der Bildungsarbeit wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken als in den letzten Jahren.
Aber über was wird da eigentlich gesprochen? Was ist politische Bildung? Politische Bildung mit jungen und erwachsenen Menschen beruht auf den Prinzipien Freiwilligkeit, Partizipation, Wertorientierung, Lebensweltbezug, Teilnehmendenorientierung und, wenn sie nicht Unterrichtsfach ist, und davon soll hier die Rede sein, dann findet sie an einem außerschulischen Lernort statt wie z. B. der Bildungsstätte. Auf der Grundlage dieser Prinzipien will politische Bildung Menschen dabei unterstützen, gesellschaftliche Strukturen und politische Verfahren zu verstehen, ihre Interessen zu klären und zu formulieren und sie will sie befähigen und motivieren, sich zu engagieren, um diese Interessen selbst vertreten zu können. Achim Schröder hat im Handbuch außerschulische Jugendbildung folgende tragfähige Definition dafür angeboten: „Politische Jugendbildung ist die Unterstützung und Förderung von selbsttätigem Handeln durch pädagogisch reflektierte Angebote mit dem Ziel, sich mit den Angelegenheiten des demokratischen Gemeinwesens zu beschäftigen, sich selbst im Politischen zu verorten und auf diese Weise Zusammenhänge herzustellen.“
Es geht also in der außerschulischen politischen Bildung nicht ausschließlich darum, Wissen zu vermitteln über „die“ Politik, sondern, anknüpfend an die Lebenswelt der Teilnehmenden, den Zusammenhang zwischen ihrer Lebenssituation und den gesellschaftlichen Bedingungen deutlich zu machen und die Motivation sowie die Kompetenzen zu vermitteln, sich selbst aktiv einzubringen.
Das kann z. B. in Form eines Alternate Reality Games sein, das spielerisch und spannend dazu führt, politische Verhältnisse zu bedenken und die eigene Wahrnehmung und gewohnte Nutzung von Medien kritisch zu hinterfragen. Oder im Rahmen einer Ausstellung zum Thema Heimat und Fremde, die Geflüchtete gemeinsam mit deutschen Teilnehmenden erarbeitet und erstellt haben, nachdem sie eine Exkursion in das Auswanderermuseum nach Hamburg unternommen haben. Oder in einer Zukunftswerkstatt mit aktiven Klassensprecher/-innen, die Demokratie- und Partizipationsprojekte für ihre Schulen entwickeln. Oder im internationalen Sommercamp, in dem junge Menschen aus acht Nationen gemeinsam Strategien gegen den Rechtsruck in Europa diskutieren.
Dieser ganz kurze Blick auf aktuelle Projekte politischer Bildung will deutlich machen, dass sich politische Bildung entwickelt hat, vielseitig aufgestellt und immer daran interessiert ist, neue Themen aufzugreifen, veränderte Formate anzubieten, Methoden weiterzuentwickeln. Diese Vielfalt, die Innovationsfreude und der Ideenreichtum politischer Bildung sind nicht bei allen angekommen. Immer wieder wird das Vorurteil von politischer Bildung als gymnasialem Stuhlkreis vermittelt, bei dem es um die Aneignung von Techniken oder Verfahrensweisen politischer Entscheidungsfindung in Parlamenten und Gremien geht. Wenn dies die Realität außerschulischer politischer Bildung beschreiben würde, dann hätten Bildungsstätten und andere Einrichtungen und Träger politischer Bildung schon vor Jahren – zu Recht – schließen müssen, denn selbst hoch motivierte Gymnasiasten würden sich einem solchen Angebot nicht freiwillig unterwerfen.
Nein, das Arbeitsfeld und die Angebote sind interessant, vielfältig und ausdifferenziert. Freie Träger wie Bildungsstätten und Bildungswerke, Jugendverbände, kirchliche Einrichtungen wie katholische und evangelische Akademien, Gewerkschaften und gewerkschaftsnahe Organisationen wie z. B. die Verbände von Arbeit und Leben, Migrantenvereine, Volkshochschulen, Initiativen und Vereine und nicht zu vergessen die parteinahen Stiftungen halten ein breites Angebot politischer Bildung vor. Sie tun dies in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den staatlichen Akteuren, der Bundeszentrale und den Landeszentralen für politische Bildung, mit denen sie gemeinsam Verantwortung für die politische Bildung der Bürgerinnen und Bürger tragen. So hat z. B. die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) schon vor Jahren den sogenannten „Runden Tisch“ ins Leben gerufen, an dem sich zweimal im Jahr die freien Träger mit den Verantwortlichen der bpb treffen, um gemeinsam über gesellschaftspolitische Themen, Herausforderungen und Entwicklungen zu diskutieren sowie Förderfragen zu beraten.