Vermittlung von historischer, politischer und kultureller Bildung?

Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Zwangsmigrationen – Flucht vor bewaffneten Konflikten oder politischer Verfolgung, Vertreibungen, Deportationen, Verschleppungen – besonders von ethnischen und religiösen Minderheiten sind eine bittere Realität dieser Welt und werden es bleiben. Für das erste Ausstellungs- und Dokumentationszentrum in Deutschland und wohl auch in Europa, das diesem Thema gewidmet ist, errichtet die Bundesrepublik Deutschland am Askanischen Platz in Berlin ein neues Gebäude. Eine Dauerausstellung, Sonderausstellungen, ein öffentlicher Lesesaal, Veranstaltungen und ein »Raum der Stille« zur persönlichen Reflexion bilden zukünftig ein neues Forum für historisches Lernen. Kulturelle Bildung bedeutet für die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung vor allem historisch-politische Bildung, die durchaus mit künstlerischen Vermittlungsformen einhergehen kann und sollte. Hauptaufgabe ist es, Zwangsmigrationen als ein bisher einem breiten Publikum nur wenig bekanntes Kapitel der Geschichte des 20. Jahrhunderts in die Öffentlichkeit zu tragen. Insbesondere die politische Ordnungsvorstellung von ethnisch homogenen Nationalstaaten, die Weltkriege und die Dekolonialisierung nach 1945 machten viele Millionen Menschen gegen ihren Willen heimatlos. Flucht und Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges, als bis zu 14 Millionen Menschen die verlorenen Ostgebiete des Deutschen Reichs und ihre Siedlungsgebiete in Ostmittel- und Südosteuropa verlassen mussten, stellt einen Schwerpunkt der Bildungsarbeit dar. Vor allem die Dauerausstellung, welche diese Geschichte auf ihre Ursachen zurückführt und gleichzeitig in einen europäischen und globalen Kontext einordnet, bietet dafür ein tragfähiges Fundament. Im ersten Teil werden Themen wie Krieg und Gewalt, Nationalstaaten und Minderheiten, Recht und Verantwortung, Verlust und Neuanfang sowie Erinnerung und Kontroverse verhandelt – vor allem in historischer Perspektive, aber durch Fallbeispiele bewusst auch in den Resonanzraum der Gegenwart gestellt. Im zweiten Teil geht es um Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen im Kontext des Zweiten Weltkrieges als Instrumente der ethnischen Neuordnung Europas – eine chronologische Darstellung, die 1933 mit der Vertreibung der Juden beziehungsweise 1938 mit der Expansion des NS-Staates einsetzt. Der dritte Teil zeigt, dass die Aufnahme und Integration von Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen im Nachkriegsdeutschland gelang, führt aber zugleich die damit verbundenen sozialen und politischen Konflikte vor Augen, die teilweise bis heute nachwirken. Kulturelle Bildung ist für die Stiftung eine Haltungsfrage.

 

Erstens: Flucht und Vertreibung der Deutschen durch die Siegermächte ist ohne den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg und insbesondere den NS-Rasse- und Vernichtungskrieg und die Besatzungspolitik im Osten nicht zu verstehen. Zweitens: Zwangsmigrationen und Genozid sind kategorial zu unterscheiden, weisen jedoch Berührungspunkte auf. Drittens: Die leidvollen Verlusterfahrungen der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen ebenso wie der Vertriebenen und Flüchtlinge heute verdienen unser Mitgefühl. Momentan organisiert die Stiftung Workshops, um unterschiedliche Zielgruppen in die Konzeption des Bildungsprogramms einzubinden. Besonders die Beschäftigung mit Exponaten von universeller Symbolkraft gibt Betroffenen Anlass, über ihre Erfahrungen zu sprechen.

 

Flüchtlinge mit einem völlig anderen kulturellen Hintergrund zeigen dabei lebhaftes Interesse an der Geschichte der Deutschen – kostbares Potenzial für eine wechselseitige Annäherung. Das neue Haus der Stiftung soll ein offener Ort sein, besonders auch für Jugendliche. Ihre Fragen zu einem gesellschaftlich brisanten Thema, ihre Lebenswelt und die ausgeprägte Affinität für das Digitale bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für maßgeschneiderte Bildungsangebote. Gerade das oftmals umstrittene Thema Zwangsmigrationen verlangt Reflexionsvermögen, die Bereitschaft, andere Standpunkte zu respektieren und die Fähigkeit zur Empathie – zivile Tugenden, die wir dringender brauchen denn je. Besucherinnen und Besucher unabhängig vom Alter und von der kulturellen Herkunft darin zu unterstützen, ist ein wesentliches Anliegen der zukünftigen Bildungsarbeit.

 

Gundula Bavendamm ist Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

 

Militärhistorisches Museum

Nach zehnjähriger Neukonzeption eröffnete im Oktober 2011 das Militärhistorische Museum (MHM)der Bundeswehr in Dresden seine neue Dauerausstellung. Bei der Überarbeitung der bis dato existierenden Sammlung löste man sich vom klassischen Muster eines Militärmuseums und stellt von nun an Militärgeschichte in seiner facettenreichen Bandbreite bis zur heutigen Zeit mit zahlreichen Verästelungen in die politik-, sozial-, mentalitäts- und kulturgeschichtliche Forschung dar. Die Attraktivität des Museums basiert auf mehreren Säulen und ermöglicht auf eine ganz besondere Art den Besuchern den Zugang zur historischen, politischen sowie kulturellen Bildung.

 

Das Haus bietet mit dem spektakulären Neubau von Daniel Libeskind ein in Dresden einmaliges Architekturerlebnis. Gleichsam als Bildnis für die vielen Brüche in der deutschen Geschichte wurde der keilförmige Neubau durch das sächsische Arsenalgebäude aus dem späten 19. Jahrhundert getrieben. Im Innern setzen schräge Wände und hohe Schächte das Bild fort und zeugen von zahlreichen Verwerfungen, die die Vergangenheit hervorgerufen hat. Kein rechter Winkel gibt das Maß vor. Einschnitte und neue Sichtachsen laden den Museumsbesucher zur Veränderung seines Standorts, zum Perspektivwechsel mit neuen Erkenntnissen ein. Themen, die man eher weniger mit Militär in Verbindung bringt, wie z. B. Sprache, Mode und Tiere, werden hier in den Mittelpunkt der Ausstellung gerückt. Mithilfe vertikaler Durchbrüche ist es dem Museum gelungen, geschossübergreifende Räume von bis zu 28 Metern Höhe zu schaffen, in denen Großexponate wirkungsvoll in Szene gesetzt werden. Des Weiteren können Verbindungen zwischen Militär und Gesellschaft sowie zwischen Politik und Gesellschaft aufgegriffen werden. Im Erdgeschoss des Keils befindet sich eine 14 Meter hohe „V2 Rakete“ aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Spitze dieser ragt in den Ausstellungsbereich »Krieg und Spiel« im Zweiten Obergeschoss, wo sich eine Puppenstube eines kleinen Mädchens aus London befindet. Das Kind veränderte das klassische Spielzeug, in dem es Gasbettchen für seine Puppenkinder aufstellte, die Fenster verdunkelte und einen Schutzraum, einen sogenannten Anderson-Shelter, im Vorgarten aufbaute. Das Spielzeug wurde kriegstauglich gemacht und spätestens hier wird erkennbar, dass aus Spiel Ernst geworden ist und der reale Krieg selbst im Kinderzimmer wahrgenommen wurde.

Zurzeit geht man mit der Sonderschau „Gewalt und Geschlecht. Männlicher Krieg – Weiblicher Frieden“ der Frage nach, ob Gewalttätigkeit und Gewaltfähigkeit eine Frage des Geschlechts darstellt. Mithilfe von Abendveranstaltungen unter dem Leitspruch „Forum Museum“ schafft das Haus eine Plattform für öffentliche Diskussionen zu aktuellen politischen Themen oder es wird der gegenwärtige Bezug zu historischen Ereignissen sowie Fakten aufgegriffen und debattiert. Die Besucher und Besucherinnen haben bei freiem Eintritt die Möglichkeit, hochkarätige Gäste zu erleben und mit diesen in Diskussion zu treten.

 

Da es sich bei der Bundeswehr um eine Parlamentsarmee handelt, werden die Abstimmungskarten von Angela Merkel und Gerhard Schröder als Beispiel für die Entscheidungsverfahren im Bundestag ausgestellt. Die Beteiligung der Bundeswehr in Afghanistan wurde vom Deutschen Bundestag in zwei Abstimmungen im November und Dezember 2001 nach Antrag des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder durchgeführt. Daneben ist ein bei einem Anschlag in Kunduz angesprengtes Kraftfahrzeug vom Typ »Wolf« aus dem Jahr 2004 ausgestellt. Das MHM setzt sich durch die Abbildung der aktuellen Einsätze der Bundeswehr somit auch mit der gegenwärtigen Geschichte des (deutschen) Militärs auseinander. Unter anderem wird der vor Kurzem um 13 weitere Monate verlängerte Einsatz in Mali thematisch aufgegriffen.

Museen haben den Anspruch, Geschichte erfahrbar und damit auch leichter verständlich zu machen. Häufig beschränken sie sich dabei auf optische und auditive Mittel. In der Dauerausstellung wurden mithilfe von 25 Stationen spezielle Lernstationen geschaffen, die zur Interaktion einladen. So beschäftigt sich eine dieser Stationen mit dem Schuhwerk von Soldaten der Napoleonischen Kriege und vermittelt so einen Einblick in ihren Alltag. Auf einer Europakarte können die Besucher deren Marschstrecke über mehrere Tausend Kilometer nachvollziehen. Diese körperlichen Strapazen mussten die damaligen Soldaten in Schuhen bestehen, die nicht an die Fußform angepasst waren. Aus Kostengründen waren rechter und linker Schuh gleich geformt, was zahlreiche Fußleiden bewirkte. Die Exponate sowohl in den Vitrinen als auch in den pädagogischen Stationen stehen in einem historischen, kulturellen und politischen Kontext, welcher den Besuchern vermittelt wird. Zu allen Sonderausstellungen sowie zur Dauerausstellung gibt es Vermittlungsangebote speziell für Schulen und Familien. Darüber hinaus werden an ausgewählten Terminen besondere Programmangebote im Rahmen der Schulferien, am Internationalen Museumstag oder auch in der Dresdner Museumsnacht angeboten.

 

Die Museumspädagogik innerhalb des Bereichs Ausbildung bietet darüber hinaus zahlreiche Führungen für unterschiedliche Altersstufen und Schultypen zu verschiedensten Schwerpunkten an. Das MHM als Dienststelle der Bundeswehr ist aber nicht nur für die Öffentlichkeit da. Im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen »Historisch-politischen Bildung« für Soldatinnen und Soldaten leistet das Museum einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung dieser Aufgaben für viele Dienststellen der Bundeswehr. Zusätzlich ist das Museum elementarer Bestandteil in der Ausbildung von Feldwebel- und Offizieranwärtern in der Vorbereitung auf ihre spätere Führungsaufgabe.

Die Bundeswehr selbst unterhält aber nicht nur das MHM in Dresden und dessen auf die Geschichte der militärischen Luftfahrt in Deutschland konzentrierte Außenstelle in Berlin-Gatow. In mehr als 90 Standorten in Deutschland werden mehr oder weniger umfangreiche Lehrsammlungen, militärgeschichtliche Sammlungen und regionale Ausstellungen für die »Historisch-politische Bildung« der Angehörigen der Streitkräfte sowie für die Öffentlichkeit betrieben. Das MHM betreut und berät diese Ausstellungen und Sammlungen, und bildet das Personal dieser Einrichtungen weiter. Mit einer museumsfachlichen Jahrestagung bietet das MHM auch eine Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen den Ausstellungen und Sammlungen der Bundeswehr.

 

Cindy Düring ist Lehroffizier Streitkräfte im Bereich Ausbildung im Militärhistorischen Museum der Bundewehr.

Stiftung Haus der Geschichte

Migration, Globalisierung, Digitalisierung – das sind nur einige Themen, die unsere Gesellschaft derzeit intensiv beschäftigen. Diese Phänomene erfordern eine kritische Auseinandersetzung und Diskussion, die in der heutigen Zeit wichtiger denn je sind. Der Schlüssel dazu ist Bildung – denn nur wer gut informiert ist, kann sich sachgerecht in die politische Willensbildung einmischen und einen Standpunkt fundiert vertreten. Zeithistorische Museen spielen bei der Vermittlung historisch-politischer Bildung eine wichtige Rolle, denn sie können eine Grundlage zur Diskussion und Urteilsbildung auch mit Blick auf aktuelle Geschehnisse schaffen.

 

Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland vermittelt deutsche Zeitgeschichte in vier Dauerausstellungen und vielseitigen Wechselausstellungen im Haus der Geschichte in Bonn, im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig, im Tränenpalast sowie im Museum in der Kulturbrauerei in Berlin. Ausdrucksstarke Originalobjekte, Dokumente, Ton- und Filmaufzeichnungen machen durch ihre Kontextualisierung und ansprechende Präsentation Geschichte lebendig und nachvollziehbar. Sie führen vor Augen, welche Folgen nationalistisches, diktatorisches oder ideologisch-religiöses Denken haben. Die Ausstellungen der Stiftung sprechen damit den Besucher sowohl auf kognitiver als auch auf emotionaler Ebene an und fordern zu Kommunikation und Austausch auf. Ein umfangreiches Begleitprogramm aus Veranstaltungen, Publikationen, Workshops und Online-Angeboten ergänzt die Ausstellungen.

 

Vor allem der technische Fortschritt, das sich ändernde Rezeptionsverhalten der Besucher und neue Zielgruppen erfordern eine stetige Anpassung der Vermittlungsformate. Zudem erarbeitet die Stiftung zu allen Ausstellungen umfangreiche museumspädagogische Materialien. Dazu gehören neben speziellen Begleitunterlagen für Schulklassen und Familien auch Apps für Smartphones sowie Angebote für Migranten. Darüber hinaus erprobt die Stiftung derzeit in einer Wechselausstellung innovative inklusive Elemente, um Menschen mit Behinderung den Rundgang im Museum zu erleichtern.

Neben dem Besuch der stiftungseigenen Häuser können Interessierte auf dem „Weg der Demokratie“ durch das ehemalige Regierungsviertel in Bonn authentische Orte der ehemaligen Bundeshauptstadt entdecken. Die Stiftung Haus der Geschichte macht einige dieser vormaligen Schaltzentralen der Bundesrepublik zugänglich: Dazu gehören der Kanzlerbungalow, der Bundesrat, das Palais Schaumburg sowie das Kanzlerarbeitszimmer und der Kabinettsaal im ehemaligen Bundeskanzleramt (heute BMZ). Die Besonderheit des historischen Ortes für die Geschichtsvermittlung besteht darin, dass der Ort selbst das zentrale Objekt der Präsentation ist – dies gilt im Übrigen auch für den Tränenpalast in Berlin. So können beispielsweise Schülerinnen und Schüler im ehemaligen Bundesrat selbst ans Rednerpult treten und lernen am authentischen Ort einen zentralen Bestandteil der politischen Ordnung der Bundesrepublik kennen.

 

Kurzum: Die Vermittlung historisch-politischer Bildung ist eine wichtige Aufgabe der Stiftung Haus der Geschichte. Durch ihre Ausstellungen und vielfältigen ergänzenden Angebote will sie demokratische Prozesse verständlich machen und die Teilhabe am politischen Gemeinwesen stärken – denn eine aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit trägt auch zu einem kritischen Umgang mit der Gegenwart bei.

 

Hans Walter Hütter ist Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

 

Stasi-Unterlagen-Archiv

„Freiheit für meine Akte“ – das sprühte ein Demonstrant im Zuge der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg 1990 an ein Wachhäuschen. Diese Formel steht für den Wunsch, dem Staat die Kontrolle über das eigene Leben zu entziehen und es sich wieder zu eigen zu machen. Die „Akten“, die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, sie dokumentieren im Kern nämlich die Unterdrückung und Überwachung eines Volkes durch den Staat und die Manipulation von Abertausenden von Lebensläufen. Diese Akten also befreien zu wollen zeugt bis heute von dem Wunsch nach Demokratie und Transparenz politischen Handelns, aber auch nach Aufarbeitung der SED-Diktatur.

 

„Freiheit für meine Akte“ – diese Aufforderung steht damit auch für die Besonderheit des Stasi-Unterlagen-Archivs und seiner Entstehung. Es ist in dem Sinne zugleich ein Monument der Überwachung, ein Symbol der Friedlichen Revolution und ein Lernort für Demokratie. Es gehört zu den wesentlichen Einrichtungen in Deutschland, die der individuellen wie gesellschaftlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen.

 

Diese Entstehungsgeschichte ist zentraler Leitfaden für unsere Arbeit in der historischen, politischen und kulturellen Bildung zu den Inhalten des Archivs. Dabei gehören Öffentlichkeitsarbeit und politische Bildung zusätzlich auch zu den gesetzlich fixierten Aufgabenfeldern des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU), wie der offizielle Titel dieses einmaligen Archivs lautet. Wörtlich heißt es, dass der BStU die „Öffentlichkeit über Struktur, Methoden und Wirkungsweise der Staatssicherheit der ehemaligen DDR“ zu unterrichten hat.

 

Neben wissenschaftlichen Publikationen, Konferenzen oder Online-Recherchemöglichkeiten in den Beständen des Archivs, um den Zugang zu den komplexen Akten zu erleichtern, bietet der BStU auch ein vielfältiges Angebot zur Unterrichtung der breiten Öffentlichkeit an. Dazu gehören Veranstaltungen, die vielfach in Kooperation mit anderen Aufarbeitungsinstitutionen, Einrichtungen zur politischen Bildung oder Partnern aus dem Kulturbereich konzipiert und durchgeführt werden. Die Palette der Informationsangebote, die sich insbesondere an die nächsten Generationen mit digitalen Angeboten wendet, erweitert sich stetig.

 

Seit Anfang 2015 sorgt so beispielsweise die „Stasi-Mediathek“ als „Schaufenster“ in das Archiv für einen multimedialen Zugang zu ausgewählten Dokumenten, Videos, Tonbandaufnahmen und Fotos. Durch die spezifisch gestaltete Suchmaschine, die auf exakter Beschreibung jedes Fotos und der Ton- und Videoaufnahmen sowie OCR-basierter Erfassung der Dokumente beruht, lassen sich vielfältige und neuartige Einblicke in das Wirken der Stasi gewinnen und Impulse an die digitale Geschichtsforschung vermitteln.

 

Aber auch der historische Ort, die Stasi-Zentrale, der sich in seinem Dreiklang von Repression, Revolution und Aufklärung insbesondere dafür eignet, ein Ort der Auseinandersetzung über die Werte heutiger Gesellschaften zu sein, etabliert sich seit einigen Jahren als „Campus für Demokratie“. Mitte Juni setzen wir die Arbeit dort mit einer Ausstellung über das Archiv fort. Mit „Einblick ins Geheime“ wollen wir die Unterlagen des Stasi-Unterlagen-Archivs mit interaktiven Medienstationen, Original-Objekten und einer überdimensionierten, begehbaren Akte sinnlich erfahrbar machen. Das „Monument der Überwachung“ hat viele Lektionen bereit: zu den Folgen von Repression, zum Verhältnis zwischen Bürger und Staat, zu den Werten einer Demokratie, zum Wert von Quellen und Archiven, zu den Mechanismen des Geheimen. Ziel ist es, das Stasi-Unterlagen-Archiv am historischen Ort im Heute lebendig zu machen, Angebote zu schaffen, die interessieren und es damit auch für zukünftige Generationen relevant zu machen, um den Wert von Freiheit und Menschenrechten schätzen zu können.

 

Roland Jahn ist Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Deutsches Hygiene-Museum

Glänzende Besucherzahlen in den deutschen Museen – können wir uns als Museumsleute also zufrieden zurücklehnen? Nicht aus unserer Sicht. Internationale politische Instabilitäten, globale ökologische und ökonomische Herausforderungen und die erstarkenden populistischen Bewegungen in der Mitte Europas sind keine abstrakten Bedrohungen, sondern reale Gefährdungen auch für die Freiheit der Kultur. Die aggressive Rückbesinnung auf das Eigene und Nationale, die zynische Umwertung von Werten, das Erodieren von Sprachkultur und Umgangsformen – warum sollten diese Tendenzen ausgerechnet vor den Türen der Kulturinstitutionen haltmachen? Auch die Museen müssen sich diesen politischen und kulturellen Herausforderungen stellen, wenn sie weiter eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen wollen – und sie müssen ihre Stärken als Bildungseinrichtungen selbstbewusst nutzen.

 

Wenn ich unserem Haus ein Etikett anheften müsste, dann vielleicht das eines „Themen-Museums“ in Abgrenzung zum klassischen Sammlungsmuseum. Aufgrund unseres überschaubaren Sammlungsbestandes stehen bei uns nicht wertvolle Exponate im Vordergrund, sondern die Themen der Ausstellungen selbst. In einem ungewöhnlich breiten Spektrum können wir so die unterschiedlichsten Inhalte aufgreifen und immer wieder andere Zielgruppen ansprechen. Bei der Themenwahl haben wir folgende Leitlinien: Der Mensch steht im Mittelpunkt, der Zugang muss multidisziplinär sein und der Fokus soll – auch bei historisch argumentierenden Ausstellungen – immer in der Gegenwart liegen. Und noch etwas: Unsere Themen müssen „relevant“ sein, ein zugegeben schwer objektivierbares Kriterium, über das jedenfalls eher außerhalb als innerhalb des Museums entschieden wird.

 

Gerade wenn es um Fragen unserer Gegenwart geht, lassen sich kulturelle, historische und politische Bildung nicht voneinander trennen. Unsere aktuelle Sonderausstellung „Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen“ ist ein Beispiel für diese Einschätzung. Sie rekonstruiert den verhängnisvollen Begriff der „Rasse“ aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der menschlichen Vielfalt im 18. und 19. Jahrhundert, überblendet diesen historischen Hintergrund aber immer wieder mit aktuellen Kunstwerken, mit eindringlichen Interviews zum Alltagsrassismus oder mit Interventionen politischer Aktivistinnen und Aktivisten. Nach einem Exkurs zur Rolle des Deutschen Hygiene-Museums als Propagandaeinrichtung der nationalsozialistischen Rassenhygiene und einem Kapitel zum Kolonialrassismus endet die Ausstellung in einem Raum, der ausschließlich mit Videofilmen bespielt wird, die eigens für die Ausstellung produziert wurden. Historisches Wissen und die Sensibilisierung für ein zentrales politisches Problemfeld unserer postmigrantischen Gesellschaft gehen in diesem Projekt Hand in Hand.

 

In unserem Museum setzen wir auf das Prinzip des Kuratorischen. Ausstellungen müssen sich positionieren, sie tragen eine Handschrift, sie sind Verbindungen von Wissenschaft und Kunst. Dieses Prinzip hat auch eine handwerkliche Seite: Partizipation, Austausch und Diskussion verhindern, dass kuratorische Entscheidungen willkürlich getroffen werden. Die Form einer Ausstellung folgt nicht ihrer Funktion, sondern ist mit ihr schon im Entstehen aufs Engste verschränkt. So trägt jede unserer Ausstellungen ein ganz individuelles Gesicht, überrascht unsere Besucher und fordert sie stets neu heraus.

 

Im „Museum vom Menschen“ spielt die personale Vermittlung nach wie vor eine zentrale Rolle. Gelingt sie, handelt es sich nicht um die Erläuterung von schönen Objekten, sondern um eine Einladung zur Kommunikation. Ausstellungen sind nämlich nicht per se ein diskursives Medium, aber sie bieten Anlässe für Gespräche und Diskussionen, mit denen die Teilhabe an den Diskursen zu relevanten Fragestellungen unserer Gesellschaft befördert wird. Aber Vorsicht: Museen sollten sich weder durch alleraktuellste Themensetzung noch durch den heftigen Einsatz neuester Medien hervortun, da ist das Internet am Ende immer schneller – und besser.

 

Klaus Vogel ist Direktor des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden.

 

Die Texte sind zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2018.

Vorheriger ArtikelDemokratie braucht Demokraten
Nächster ArtikelDemokratie braucht politische Bildung