Demokratie braucht politische Bildung

Die Arbeit Freier Träger

Mit an diesem Runden Tisch sitzen auch die Dachverbände auf Bundesebene, von denen einige aktuell ein großes gemeinsames Projekt unter dem Titel „Empowered by Democracy“ umsetzen. Dazu gehören der Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB), die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB), der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben (AL), der Verband der Bildungszentren im ländlichen Raum (VBLR) und die Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung (ET). Träger des Projektes ist der Bundesausschuss politische Bildung.

 

Am Anfang des Projektes stand die Frage „Wie wollen wir in dieser Gesellschaft zusammenleben?“ sowie die Überzeugung, dass Partizipations- und Bildungsangebote auch diejenigen erreichen müssen, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. Die Träger haben sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrungen frühzeitig zu einer aktiven Wahrnehmung der Mitsprache- und Teilhabemöglichkeiten in Schule, Beruf, Kommune und Gesellschaft zu befähigen. Umgekehrt können, so die Überlegungen, die vielfältigen Erfahrungen dieser Zielgruppe die demokratische Kultur in unserer Gesellschaft bereichern und allen Menschen neue Perspektiven und Lernerfahrungen ermöglichen.

 

Seit einem Jahr bereits lädt das Projekt „Empowered by Democracy“ vor allem junge Menschen mit Fluchterfahrung ein, sich in Seminaren und Workshops mit dem Zusammenleben in der Demokratie auseinanderzusetzen. Es fördert darüber hinaus den Austausch unter den Fachkräften, die Entwicklung einer diversitätsbewussten Praxis und den Aufbau neuer Kooperationen z. B. mit Geflüchtetenorganisationen. Dabei bleibt das Projekt aber nicht stehen. Es will die politische Bildung von einem Angebot für Geflüchtete zu einem Angebot mit Geflüchteten ausbauen. D. h., junge Geflüchtete werden aktuell erfolgreich ermutigt und befähigt, Teamerin oder Teamer zu werden, um in selbst gewählten Formaten Projekte der politischen Bildung für andere Jugendliche anzubieten.

 

Das Projekt „Empowered by Democracy“ ist ein gutes Beispiel, wie He­rausforderungen durch freie Träger politischer Bildung aufgegriffen und neue Zielgruppen integriert werden, wie aber auch neue Kooperationen geschlossen werden, um die Bildungsarbeit zu bereichern. Solche Entwicklungen haben es nicht verdient, wenn Vorurteile wie das von der angestaubten Institutionenlehre herhalten müssen, um die durchaus berechtigte Frage nach der Weiterentwicklung, also der Suche nach attraktiven Formen der Vermittlung, nach interessanten und für Teilnehmende bedeutsamen Themen, die Frage nach der Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen, der Gestaltung von Lernsettings oder der Ansprache und Kommunikation nach außen zu stellen. Denn die Frage nach der Weiterentwicklung muss sich die politische Bildung, wie im Übrigen auch die kulturelle Bildung, immer stellen, und sie tut das auch. Politische Bildung will in Bewegung bleiben, sich immer wieder neu erfinden, um dem Anspruch von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen auch in Zukunft gerecht zu werden.

Bei diesem Bemühen steht sie aktuell vor großen Herausforderungen, die mit der Veränderung der politischen Situation in Deutschland und Europa zu tun haben: Einrichtungen wurden und werden angefeindet wegen ihrer queeren Jugendarbeit, Bildungsstätten mussten Absagen anderer Teilnehmenden hinnehmen, weil sie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen hatten, in diversen Landesparlamenten wurden und werden Anfragen gestellt zu angeblich linksextremistischen Umtrieben von Einrichtungen, und internationale Maßnahmen mit Polen oder Russland konnten gar nicht erst stattfinden wegen der angeblichen Gefahr durch Geflüchtete, der sich die Teilnehmenden aus den genannten Ländern nicht aussetzen wollten. Alle Träger und Einrichtungen – nicht nur der politischen Bildung – sind vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen gefordert, Haltung zu zeigen, sich eindeutig und engagiert gegen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und jede Form Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu positionieren und Solidarität mit den angefeindeten Einrichtungen und Trägern zu zeigen.

 

Politische Bildung wird in der Demokratie gebraucht, um Gelegenheiten zu schaffen, Fragen und Probleme offen ansprechen zu können, um Fremde und Fremdes kennenzulernen, um sich in demokratischen Formen der Auseinandersetzung zu üben. Diese Einsicht ist bei vielen angekommen. Über politische Bildung wird wieder gesprochen – sie hat es verdient.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/2018.

Ina Bielenberg
Ina Bielenberg ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises deutscher Bildungs-stätten (AdB), ein Fachverband der außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung.
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