Nachhaltiges Wirtschaften mit sozialen Gewinnen

Das faire Modelabel ARMEDANGELS setzt "grüne" Trends

 

Viele große Modehäuser versuchen ihrer Verantwortung mit jährlichen sogenannten „Consciousness“-Kollektionen gerecht zu werden. H&M tut dies z. B. seit vielen Jahren. Mittlerweile macht auch Mango etwas Ähnliches. Wie beurteilen Sie das? Ist es eine gute Tendenz oder schnelles Greenwashing für ein Unternehmen, das sonst eher nicht „grün“ ist?
ARMEDANGELS gibt es seit zehn Jahren und diese Frage höre ich ebenso lang. In der Regel antworte ich: „Jeder Schritt in die richtige Richtung ist ein guter Schritt.“ Da stehe ich auch nach wie vor dazu. Aber man muss sich auch das Gesamtverhalten dieser Unternehmen ansehen. Ich war vor ein paar Wochen in Tokio, da steht groß über einer Filiale: „Bei uns kommen jeden Tag neue Produkte rein. Komm doch auch du jeden Tag.“ Das hat mit Nachhaltigkeit nicht viel zu tun. Insofern empfinde ich es mittlerweile auch als Greenwashing. Die Frage ist: Werden die sogenannten nachhaltigen Ziele wirklich umgesetzt? Was passiert, wenn der nächste CEO kommt, weil der aktuelle seine Profit-Targets nicht erreicht hat und deswegen ausgewechselt wird? Ändert man dann all seine Nachhaltigkeitsziele und sagt: „Jetzt geht es wieder um den Aktienwert“? Wir brauchen mehr Transparenz und nicht einfach nur Worte.

 

Lassen Sie uns darüber sprechen, wie überhaupt ein nachhaltig produziertes Kleidungsstück, z. B. ein T-Shirt, entsteht. Auf was muss geachtet werden?
Es gibt natürlich die Vorstellung eines idealen T-Shirts, das CO2-neutral produziert wurde und hinterher in ein wiederum neuwertiges Kleidungsstück upgecycelt werden kann. Da wollen wir gern hin. Deswegen tun wir alles dafür, so nachhaltig wie nur möglich zu produzieren und somit kommen wir diesem idealen Zustand tagtäglich einen Schritt näher. Am Anfang der Produktion steht die Auswahl der Rohstoffe. Für unsere T-Shirts benutzen wir vor allem Bio-Baumwolle, da es unserer Meinung nach momentan kein Ersatzmaterial mit gleichen Eigenschaften bezüglich Nachhaltigkeit, Tragekomfort und Nutzbarkeit gibt.
Unsere Baumwolle ist immer „organic“. Dadurch wird verhindert, dass genmanipuliertes Saatgut und chemische Düngemittel eingesetzt werden. Es ist klar nachgewiesen, dass das gesundheitsschädigend ist. Aber wenn das in Indien passiert, ist das aus dem Kopf des Konsumenten. Das finde ich falsch. Wir sollten viel globaler denken. Es geht dabei um das Gleichgewicht auf diesem Planeten.
Die organische Baumwolle wird dann zu einem Garn versponnen, dieses wird zu einem Stoff verstrickt, der Stoff wird gefärbt, dann konfektioniert und veredelt, z. B. bedruckt. Gerade im Färbe- und Druckprozess werden viele Chemikalien eingesetzt. Ganz ohne Chemie kommt man nicht aus. Diese sollten aber so umwelt- und gesundheitsschonend wie möglich sein. Wir arbeiten nach dem „Global Organic Textile Standard“, der an dieser weiterverarbeitenden Produktionskette ansetzt. Er gibt klare Richtlinien vor: Was darf in das Produkt rein und was nicht? Wie muss das Abwasser, das aus dem Prozess entsteht, hinterher geklärt werden? Was darf abgeleitet werden? Welche Materialien dürfen zusätzlich eingesetzt werden und welche Accessoires? Das ist ein großer Unterschied z. B. zum OEKO-TEX-Siegel. Hier wird nur darauf geachtet, dass am Ende die Chemikalien, die giftig sind, rausgewaschen werden. Diese werden aber wahrscheinlich in Flüsse, Seen und sonstige Natur abgeleitet. Das kann nicht die Lösung sein.
Uns ist besonders wichtig, dass ein T-Shirt auch nicht nur zweimal getragen wird, weil die Qualität nicht stimmt und es verzieht, verdreht, kleiner oder größer wird und schnell kaputt geht. Davon hat keiner was. Unsere Mode ist qualitativ hochwertig und lange haltbar. Das sind auch wichtige Aspekte nachhaltiger Produktion.

 

Mit T-Shirts hat es angefangen, heute ist ARMEDANGELS seit mehr als zehn Jahren mit ganzen Kollektionen erfolgreich, die „grün“ und modern sind. Was wollen Sie in Zukunft erreichen?
Unser Ziel ist es, das fairste Modelabel der Welt zu werden und möglichst viele Menschen mit unserer Message zum Umdenken in ihrem Kaufverhalten zu bewegen.
Wir wollen zeigen, dass sich Nachhaltigkeit und gutes Design nicht ausschließen.
Nachhaltigkeit ist ein Mehrwert, aber nicht der eigentliche Kaufgrund. Wir bestehen neben ganz normalen Brands und sind mittlerweile in fast 1.000 Point of Sales in Europa zu finden. Davon sind zehn Prozent tatsächlich Läden, die nachhaltigen Lifestyle zu ihrem Konzept gemacht haben. Die anderen 90 Prozent sind normale Modehändler – von kleinen Boutiquen bis zu größeren Ketten. Auch da verkaufen sich unsere Produkte gut.
Trotzdem gibt es noch eine ganze Menge zu tun – das ist uns klar. Je größer wir werden, desto mehr Herausforderungen erwarten uns. Das ist zwar anstrengend, aber gleichzeitig spornt es uns auch jeden Tag an. In den nächsten fünf Jahren wollen wir den Fair-Fashion-Markt in Europa erobern und in zehn Jahren wollen wir in allen relevanten Märkten der Welt vertreten sein, Eco & Fair als Fashion Standard in der Modewelt etablieren und möglichst viele Menschen mit unserer Message erreichen. Es sollen immer mehr Menschen erkennen, dass die Textilindustrie dafür mitverantwortlich ist, dass wir viel mehr Ressourcen verbrauchen, als der Planet uns geben kann. Wir müssen jetzt etwas tun und nicht noch ein paar Jahre weiter nachdenken und diskutieren.

 

Das ist ein sehr schöner Appell zum Schluss. Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 1/2018.

Martin Höfeler Theresa Brüheim
Martin Höfeler ist Gründer und CEO von ARMEDANGELS. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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