Kultur für Europa, Kultur in Europa gestalten

 

Berlin, den 05.05.2024. Vom 6. bis 9. Juni 2024 finden die Wahlen zum Europäischen Parlament in den 27 EU-Mitgliedstaaten statt. Das Europäische Parlament ist eine wichtige Instanz, wenn es um die Gestaltung der Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur in Europa geht. Hier werden Weichen für die Steuer- und die Urheberrechtspolitik in den Mitgliedstaaten gestellt. Hier wird vorgeprägt, unter welchen Rahmenbedingungen mit Künstlicher Intelligenz in Europa gearbeitet werden kann. Hier kann die Regulierung internationaler Plattformen zur Sicherung europäischer kultureller Inhalte und Vielfalt vorangetrieben werden. Hier wird über künftige Kulturförderprogramme und ihr Budget entschieden. Hier geht es darum, die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Erbe in Europa zu fördern und zu schützen.

 

Aufgrund der Bedeutung des Europäischen Parlaments für die Kultur in Europa und in Deutschland hat der Deutsche Kulturrat die nachfolgenden sechs Forderungen formuliert.

 

  1. Kulturerbe

Der Schutz des kulturellen Erbes Europas wird in Art. 3 des EU-Vertrags festgeschrieben. Angesichts aktueller Gefährdungen durch den Klimawandel und Krieg gewinnt der Kulturgutschutz an Bedeutung. Der Deutsche Kulturrat fordert verstärkte Anstrengungen auf europäischer Ebene zum Schutz des kulturellen Erbes Europas. Dabei sollten auch Synergien zwischen den Mitgliedstaaten gehoben werden.

 

  1. Kulturförderung und Kulturwirtschaftsförderung

Die regelmäßige Zusammenarbeit von Kultur- und Bildungsakteuren aus den EU-Mitgliedstaaten stärkt das Verständnis von und das Zusammenwachsen in Europa. Gerade für junge Menschen werden neue, kreative Lernformen und Kooperationen in Programmen von den ausrichtenden zivilgesellschaftlichen Organisationen entwickelt und erprobt. Es fehlt jedoch eine EU-Strategie entsprechende Kooperationen zu stärken, wie sie jüngst auch im UNESCO-Framework zur künstlerischen und kulturellen Bildung eingefordert wurden. Ebenso gehen von der EU-Kulturwirtschaftsförderung wichtige Impulse für den kulturellen Austausch und die europaweite Zusammenarbeit von Anbietern von Kunst- und Kulturgütern sowie -dienstleistungen aus. Der Deutsche Kulturrat fordert eine adäquate Mittelausstattung der originären EU-Kulturprogramme und unbürokratische Antragsmöglichkeiten. Ferner gilt es Kultursektor auch in anderen Programmen (Wirtschaft, Forschung, Innovation) angemessen zu berücksichtigen.

 

  1. Kultur- und Kreativwirtschaft

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftszweig in Europa. Sie ist insbesondere durch klein- und mittelständische Betriebe geprägt. Sie wird durch Bürokratie unverhältnismäßig belastet. Das betrifft zahlreiche Dokumentations-, Compliance- und Nachweispflichten. Hier sind die Anforderungen in den letzten Jahren immens angewachsen, was zu erheblichen Kostensteigerungen geführt hat. Der Deutsche Kulturrat fordert, die Kultur- und Kreativwirtschaft zu stärken, sie von Bürokratie zu entlasten und bei künftiger Gesetzgebung den Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft Rechnung zu tragen.

 

  1. Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz ist eine Herausforderung und eine Chance für Kreative, für Kultureinrichtungen und Kulturunternehmen. Sie wird rasant weiterentwickelt und im Kulturbereich eingesetzt. Mit dem AI-Act wird auf europäischer Ebene ein erstes Rahmenwerk für den Umgang mit KI geschaffen. Dessen ungeachtet stellt sich weiterhin eine Vielzahl rechtlicher Fragen, wie insbesondere im Bereich des Urheberrechts oder des Persönlichkeitsrechts, die mit dem AI-Act nicht beantwortet wird. Der Deutsche Kulturrat fordert, weiteren gesetzlichen Änderungsbedarf im Zusammenhang mit KI zu prüfen und sicherzustellen, dass die Grundsätze des Urheberrechts und des Persönlichkeitsrechts ebenso gewahrt und weiterentwickelt werden wie eine angemessene Vergütung der Kreativen.

 

  1. Plattformökonomie

Trotz steigender Nutzungszahlen partizipieren viele Kreative bisher kaum am Erfolg des Musikstreamings. Mit Blick auf Musikschaffende wurde dies auch von Seiten des Europäischen Parlaments kritisiert. Weiter werden Plattformen zunehmend Gatekeeper zu Kultur- und Medienangeboten. Kulturelle Nischen und Werke aus Europa haben es zunehmend schwerer, bei den internationalen Plattformen wahrgenommen zu werden. Die Sicherstellung von Auffindbarkeit, Signalintegrität und Herkunftskennzeichnung gewinnt für Mediendienste an Bedeutung. Der Deutsche Kulturrat fordert im Sinne der Vielfalt, Auffindbarkeit, Sichtbarkeit und Fairness, Transparenz und Vielfalt bei Plattformen zu stärken und hierfür ggfs. legislative Maßnahmen zu ergreifen.

 

  1. Falsch- und Desinformation

Falsch- und Desinformation, etwa auch in Form sog. Deep Fakes, untergraben das Vertrauen in die Richtigkeit von Medieninhalten und in die Verlässlichkeit von Mediendiensteanbietern. Damit geht oftmals ein Vertrauensverlust in gesellschaftliche Prozesse und Institutionen, über die in den Medien berichtet wird, einher. Das Vertrauen in die Demokratie und staatliches Handeln wird dadurch untergraben. Der Deutsche Kulturrat fordert, dass diejenigen, die Falsch- und Desinformation verbreiten, zur Verantwortung gezogen werden und hierfür ggfs. der rechtliche Rahmen geändert wird.

 

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