Grünes Drehen

Studio Hamburg produziert nachhaltig

Und tschüß toxische Filmrollen, schmutzige Plastikbecher, papierene Drehbücher – Studio Hamburg dreht „grün“. Theresa Brüheim spricht mit dem Herstellungsleiter Marcus Kreuz darüber, was das genau bedeutet.

 

Theresa Brüheim: Herr Kreuz, bei der Studio Hamburg Production Group wird überwiegend „grün“ gedreht. Was heißt das?
Marcus Kreuz: Beim „Grünen Drehen“ geht es um die Nachhaltigkeit, um den CO2-Ausstoß, um ökologisches Produzieren. Das „Grüne Drehen“ kann mit einem „Grünen Drehpass“ ausgezeichnet werden. Dieser geht auf eine Initiative der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2011 zurück, die damals die Idee hatte, ein Gütesiegel zu erstellen, mit dem nachhaltige Produktionen ausgezeichnet werden. Um dies zu befördern, gibt die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein Handlungsempfehlungen, wie man „grüner“ produzieren kann, bietet aber auch viele Workshops und Fortbildungen an. Letzte Woche war ich wieder zwei Tage auf einer solchen. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein begleitet auch dieses Unterfangen, es gibt aber keinen festen Regelkatalog oder dauerhafte Kontrolle am Drehort. Es finden zudem natürlich Besuche der Filmförderung statt. Da erhalten wir besonders von Christiane Dopp, die für die Filmförderung in grüner Mission unterwegs ist, Unterstützung – vor allem im Vorfeld, bevor die Dreharbeiten beginnen. Das meiste muss sowieso im Vorhinein geschehen, denn ist die Produktion im Gange und sind die ersten Aufträge vergeben, ist es schwer, einen größeren „grünen“ Output zu erzielen.

 

Als Produktionsleiter haben Sie das „Grüne Drehen“ bei der Fernsehserie „Notruf Hafenkante“ eingeführt. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Erstmal bin ich darauf aufmerksam geworden, weil mein Kollege Joerg Pawlik vom „Großstadtrevier“ ein Jahr zuvor den „Grünen Drehpass“ bekommen hat. Daraufhin bin ich mit Christiane Dopp in Kontakt getreten, die mir gezeigt hat, welche Möglichkeiten es gibt und wie man das am besten angeht. Von Anfang an habe ich geschaut, was können wir schon umsetzen, was müssen wir noch anschaffen – und ganz wichtig: Ich habe gleich mit meinem Team gesprochen und von dem Vorhaben erzählt. Das Wichtigste ist, eine gewisse Motivation zu generieren. Wenn man das nur von oben aufdrückt, ist es immer schwierig. Man muss alle auf die Reise mitnehmen. Das bedurfte einiger Gespräche. Gerade am Anfang ist die Sorge groß: „Wie soll man das alles schaffen?“ Aber in der Umsetzung haben alle gemerkt, dass das wirklich gut zu schaffen ist und haben richtig Lust bekommen, weiterzumachen. Das ist kein Prozess, der irgendwann aufhört, sondern man findet immer wieder etwas Neues. In allen Bereichen gibt es ständig Neuerungen und Verbesserungen. In einem nächsten Schritt haben wir uns alle Bereiche angesehen. Das geht im Büro los über das Catering, die Technik, die Transporte bis hin zu Ausstattung, Kostüme, Maske. Dann haben wir kurz-, mittel- und langfristige Ziele definiert. Vor allem haben wir schnell viel verändert, was die Kolleginnen und Kollegen sehr motiviert hat.

 

Was haben Sie konkret geändert?
Es geht los beim Catering – ein neu­ralgisches Thema. Wir haben mit dem Caterer gesprochen, dass wir regional und saisonal einkaufen. Wir brauchen im Winter keine Erdbeeren usw. Dann haben wir am Set die Mülltrennung eingeführt – mehrere Mülleimer mit Fotos drauf, die genau zeigen, was wo reinkommt. Wir haben das Papp- und Plastikgeschirr gegen Mehrweggeschirr getauscht. Auch die Transporte haben wir nachhaltiger gestaltet. Wir versuchen möglichst Flüge zu vermeiden. Die Schauspieler kommen in der Regel mit der Bahn. Das ist aber nicht immer möglich, denn manche arbeiten am Vortag z. B. in München und müssen dann abends nach Hamburg reisen. Aber im Allgemeinen war die Bereitschaft groß – vor allem nachdem wir alle informiert haben, warum wir das machen. Die Schauspieler warten nun am Drehort, bis ein anderer fertig ist, damit die zu zweit, zu dritt ins Hotel oder in die Stadt gebracht werden. Ein anderer großer Punkt ist die Technik: Wir versuchen vermehrt mit LED-Lampen zu drehen. Außerdem versuchen wir, keine Stromaggregate zu benutzen, sondern feste Anschlüsse zu legen. In der Ausstattung wird darauf geachtet, dass die Requisiten wiederbenutzt werden. Hier in Hamburg gibt es die Hamburgische Materialverwaltung. Das ist ein von der Stadt gefördertes Projekt, wo Produzenten ihre Requisiten, die sie für ihren Film gebaut und benutzt haben, abgeben, sodass sie dann für kleineres Geld an Theaterprojekte oder andere Filmaufnahmen weitervermietet werden. Weiterhin versuchen wir, Drehbücher nicht mehr auszudrucken. Mittlerweile hat fast jeder Schauspieler ein iPad, sodass sie die nur noch per Mail bekommen. Und und und …

 

Sie sprechen schon die Digitalisierung an. Inwieweit ist diese ein Katalysator für „Grünes Drehen“?
Digitalisierung ist natürlich ein großer Gewinn für die Nachhaltigkeit. Das geht beim Filmmaterial los, was einfach schwer zu recyceln war. Dann natürlich dieser aufwendige Entwicklungsprozess mit den ganzen Chemikalien, die in den Bädern oder in den Wannen lagen. Das ist durch digitale Speichermedien alles weggefallen, die sehr, sehr viel hintereinander benutzt werden können. Die Muster, also die „Dailies“ von dem Drehtag, werden online zur Verfügung gestellt. Früher wurden sie auf DVDs oder auf Videobändern festgehalten, die dann mehrere Male kopiert und an zehn, fünfzehn Leute versendet wurden. Früher hat man Ansichtsexemplare verschickt. Heute ist das alles auf einem Server und man schickt einen Link, sodass man sich eine Folge vorab für eine Woche anschauen kann. Es hat ganz, ganz viel gebracht in dem Bereich. Und da geht es immer noch weiter: Durch diese neue Technik, braucht man beim Nachtdreh nicht mehr so viel Licht wie früher, weil die Kameras viel feiner geworden sind.

Marcus Kreuz und Theresa Brüheim
Marcus Kreuz ist Herstellungsleiter bei der Studio Hamburg Production Group. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
Vorheriger ArtikelNachhaltiges Wirtschaften mit sozialen Gewinnen
Nächster ArtikelDem Gemeinwohl verpflichtet