Das Schulfach Kunst

Im Zentrum des Schulfaches Kunst stehen Wahrnehmung, Gestaltung und Reflexion bezogen auf die künstlerisch-ästhetische Vielgestaltigkeit von Kultur und Lebenswirklichkeit. Der Kunstunterricht leistet innerhalb des Fächerkanons der Schule seinen Beitrag im Sinne einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung durch die Vermittlung einer ästhetischen Grundbildung. Das besondere Lern- und Erfahrungsfeld des Faches ist die visuelle Kultur. Entsprechend leiten sich die Unterrichtsgegenstände aus der gesamten sinnlich erfahrbaren, ästhetisch gestalteten und primär visuell vermittelten Wirklichkeit ab, die sich in unterschiedlichen Bildwelten konkretisiert. Diese Bildwelten weisen unterschiedliche inhaltliche und formale Zusammenhänge auf und zeigen sich in vielfältigen medialen Formen.

 

Die zentrale Aufgabe des Faches Kunst ist es, das Wahrnehmungs- und Ausdrucksvermögen der Schülerinnen und Schüler anzuregen, zu entwickeln, zu erweitern und ästhetisches Denken und Handeln auszubilden. Die ästhetische Art der Welterfahrung bezieht sich besonders auf die individuelle Ausreifung von Wahrnehmungs- und Erlebnisfähigkeit sowie auf die Fähigkeit zur persönlichen Reflexion dieser Erfahrungen. Wahrnehmen und Reflektieren sind unmittelbar aufeinander bezogene und nicht voneinander zu trennende Tätigkeiten. Sinnliche Erfahrung und begriffliches Denken verhalten sich in diesen Zusammenhängen komplementär zueinander und fördern sich wechselseitig. Hier kommt der Auseinandersetzung mit künstlerischen Bildwelten, Bildwelten der Alltagskultur und der eigenen künstlerischen Gestaltung ein besonderer Stellenwert zu. Bilder haben eine spezifische Sprache, die den Jugendlichen ständig begegnet. Diese Bildsprache muss in ihren Strukturen, Wirkungen und ihrer Bedeutung erkannt und verstanden werden, um deren komplexes Zusammenspiel zu durchschauen und für eigene gestalterische Mitteilungen zu nutzen.

 

Indem Schülerinnen und Schüler lernen, Bilder (hier als Überbegriff zu verstehen, der Malerei, Zeichnung, Plastik/Skulptur, Objekt/Installation, Architektur, Fotografie, Film, elektronische Bildgestaltung, Graffiti, Gebrauchsgegenstände und viele andere Erscheinungsformen umfasst) kontextbezogen zu deuten und zu gestalten, entwickeln sie Bild-Sachverständigkeit, die sie zur selbstbestimmten und aktiven Teilhabe an vielfältigen Formen von Kunst und Kultur aus Vergangenheit und Gegenwart, aber auch zu einem kritischen und kreativen Wahrnehmungsvermögen gegenüber der persönlichen Umwelt und der Alltagsrealität befähigen.

 

Das Fach Kunst thematisiert soziale, ökonomische, ökologische und politische Phänomene und Probleme der nachhaltigen Entwicklung und trägt dazu bei, wechselseitige Abhängigkeiten zu erkennen und Wertmaßstäbe für eigenes Handeln sowie ein Verständnis für gesellschaftliche Entscheidungen zu entwickeln. Deshalb ist – wo immer möglich – die Verbindung zu anderen Disziplinen und Fächern zu suchen, um zu verdeutlichen, dass Kunst und künstlerische Fähigkeiten nicht isoliert und abgehoben von der Lebenswirklichkeit existieren. Durch Museums- und Ausstellungsbesuche wird eine Teilhabe am kulturellen Leben hergestellt. Sie ermöglichen die Begegnung mit originalen Werken und machen die Lernenden mit den öffentlichen Formen des Kulturbetriebes vertraut. Begegnungen mit Künstlern, Designern, Architekten und anderen unterstützen und fördern die kunstpädagogische Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern, indem sie Schülerinnen und Schülern den spezifisch professionellen Blickwinkel aus dem Spektrum des Faches nahebringen.

 

Vor diesem Hintergrund ist die Ausbildung einer ästhetischen Grundbildung – auch im Sinne von Fachwissen und Können – die Voraussetzung für selbstbestimmtes und schöpferisch-gestalterisches Handeln. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Sozialisationsbedingungen von Kindern und Jugendlichen durch die Dominanz des Bildes und durch flüchtige Rezeptionsformen geprägt sind. Der Erwerb von „Bildkompetenz“ zielt auf die Fähigkeit, sich durch das Verständnis von Bildsprache sowie der Wirkungen und Funktionen von Bildern in einer medial geprägten Wirklichkeit aktiv zurechtzufinden. Das setzt voraus, dass Bilder nicht nur passiv konsumiert, sondern in ihrer Künstlichkeit und Gestaltetheit verstanden, in ihren symbolischen Funktionen gedeutet und in ihre kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge eingeordnet werden können. Es ist daher Aufgabe des Kunstunterrichts, auch multimediale Formen der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit aktiv erfahren und kreativ erproben zu lassen. Hierdurch finden Schülerinnen und Schüler Zugang zu vielfältigen Möglichkeiten, absichtsvoll durch Bilder zu kommunizieren sowie neue Methoden der Bildproduktion zu erschließen.

 

Der Handlungszusammenhang von Produktion, Rezeption und Reflexion kommt besonders im Bereich der Analyse von Bildern zum Tragen: Der Unterricht befähigt die Schülerinnen und Schüler, Bilder differenziert wahrzunehmen, zunehmend systematisch zu beschreiben, zu untersuchen, zu deuten und die Ergebnisse dieser Tätigkeiten fachlich angemessen zu verbalisieren. Reflexion bedeutet in diesem Zusammenhang die Bewertung von Ergebnissen der Analyse im Kontext der gewählten Methode. Dort, wo bildnerische Phänomene und die mit ihnen verbundenen Eindrücke und Erkenntnisse keine prägnante verbale Entsprechung haben, können Skizzen, Studien oder gestalterische Paraphrasen die notwendige Prägnanz herstellen. Sinnliche Erkenntnis und kognitive Verarbeitung, Skizze und sprachliche Äußerung stehen sowohl in Lern- wie in Leistungssituationen des Kunstunterrichts gleichberechtigt zueinander.

Clemens Höxter
Clemens Höxter ist Referatsleiter „Kulturelle Bildung“ im geschäftsführenden Bundesvorstand des BDK e. V. Fachverband für Kunstpädagogik.
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