Pfeile im Köcher

Campact kämpft an vorderster Front gegen die Freihandelsabkommen. Maritta Strasser berichtet über aktuelle Kampagnen, Engagement und Erfolg

Sie haben soeben angesprochen, dass CETA zum gemischten Abkommen erklärt wurde, d. h. auch die nationalen Parlamente, in Deutschland Bundestag und Bundesrat, werden über das Freihandelsabkommen abstimmen und mitentscheiden. Was bedeutet das?

 

Es kann wenig bedeuten, wenn die EU-Kommission zu einem weiteren Trick greift – und die Regierungen Europas das durchgehen lassen – und CETA nach der Entscheidung im Rat der EU und im Europaparlament, in vorläufige Anwendung kommt. Vorläufige Anwendung hieße dann, dass wir CETA hätten, ohne dass Bundestag und Bundesrat dazu abgestimmt haben und dass sie nur nachträglich das abnicken, was schon längst in Kraft ist. Das wäre ein übler Trick! Darüber finden bis zum September intensive Auseinandersetzungen und heftige Kämpfe hinter den Kulissen statt, in denen wir alles versuchen, das zu verhindern.
Viel kann es bedeuten, wenn CETA bei der Ratifizierung durch Bundestag und Bundesrat in Deutschland z. B. im Bundesrat scheitert, weil es dort andere Mehrheiten gibt.

 

Frau Strasser, kommen wir nochmal zurück zum Engagement bei den Kampagnen. Wer engagiert sich denn bei Campact gegen Freihandel?

 

Das ist ein ganz bunter Haufen von Menschen – die unterschiedlichsten Berufe, die unterschiedlichsten Altersgruppen. Häufig gar nicht so jung, wie man immer meint. Wir sehen Menschen, die sich nebenbei auch in anderen Organisationen engagieren. Wir sehen Menschen, die Mitglieder in Parteien sind oder Menschen, die mittlerweile gar nicht mehr wissen, wen sie wählen sollen. Ganz, ganz unterschiedliche Leute, die alle eins eint, nämlich die Sorge, dass mit Abkommen wie CETA Regeln geschaffen werden, die in einer ordentlichen demokratischen Willensbildung mit intensiver parlamentarischer Debatte so nie geschaffen würden und dass unter dem Deckmantel eines Handelsabkommens plötzlich völlig andere Regeln geschrieben werden.

Von den Freihandelsabkommen sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union betroffen, nicht nur Deutschland. Begrenzt sich das Engagement von Campact auf die Bundesrepublik oder kooperiert Campact auch mit Organisationen in anderen EU-Ländern?

 

Unser Engagement begrenzt sich nicht auf Deutschland, denn europäische Abkommen werden von mehr als einem Land gestoppt, wenn sie gestoppt werden. Aus diesem Grund haben wir die Europäische Bürgerini­tiative „Stop TTIP“ unterstützt, die vergangenes Jahr im Oktober Unterschriften gesammelt hat. Diese hat die geforderten Schwellenwerte weit überschritten. Wir haben das Quorum in 24 von 28 Ländern geknackt und über drei Millionen Unterschriften gesammelt. Das war das erste große internationale Projekt. Schon währenddessen haben wir Kampagnen in weiteren Ländern gefördert: Wir haben Schwesterorganisationen in Irland, Schweden, Österreich, Polen und Frankreich, die wir mit Beratung, aber auch mit Geld und mit Materialien unterstützen. Darüber hinaus sind wir in europaweiten und transatlantischen Bündnissen aktiv.

 

Frau Strasser, wie geht es jetzt weiter? Welche Schritte gilt es jetzt zu nehmen, um TTIP und CETA endgültig zu verhindern?

 

Wir haben noch viel vor! Am 17. September wird es zeitgleich in sieben Städten, nämlich in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, München, Leipzig und Stuttgart Demonstrationen geben. Das Ziel ist es, unseren großartigen Erfolg vom 10. Oktober 2015 in den Schatten zu stellen. Der Termin ist so gewählt, dass er unmittelbar zwei Tage vor dem entscheidenden SPD-Parteikonvent stattfindet, auf dem die Partei ihre Position zu diesen Abkommen festlegen wird. Von diesem Konvent hängt die Position der Bundesregierung ab, die nur zustimmen kann, wenn beide Parteien, welche die Bundesregierung tragen, Ja zu CETA sagen. In derselben Woche entscheidet übrigens auch der Rat der EU in Bratislava. Das ist die heiße Phase.

 

Wir werden dann, wenn CETA noch nicht gestoppt ist, die bayrische Stimme im Bundesrat durch ein Volksbegehren zu einem Nein verpflichten. Das bedeutet, dass wahrscheinlich im nächsten Jahr in einem Zeitraum von 14 Tagen fast eine Million Stimmen gesammelt werden müssen. Die Leute müssen dafür in die Rathäuser gehen – es reicht nicht, im Internet zu klicken. Das ist ein Riesenprojekt! Wir machen gemeinsam mit dem EBI-Bündnis zurzeit eine Aktion, mit der wir Druck auf das Europaparlament ausüben. Das nennt sich „CETA Check“: Über diesen können Bürger aus ganz Europa ihre Europaabgeordneten finden und sie mit Fragen zu CETA bombardieren.

 

Wir machen weiterhin intensives Lobbying – dies in den nächsten Monaten dann mit Schwerpunkt im Bundesrat. In elf Bundesländern sitzen Koalitionspartner von Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei in den Landesregierungen. Es gibt damit eine Blockademehrheit, die CETA im Bundesrat verhindern kann, sofern die Landesminister den Mut finden, die Koalitionsklausel-Karte zu ziehen und zu verlangen, CETA im Bundesrat zu stoppen.

 

Sollte all dieses scheitern, haben wir noch einen letzten Pfeil im Köcher: Gemeinsam bereitet Campact mit Foodwatch und MehrDemokratie eine Verfassungsklage gegen CETA vor.

 

Da haben Bürger unter www.ceta-verfassungsbeschwerde.de die Möglichkeit, sich anzuschließen. Dazu muss nur ein PDF ausgedruckt, unterschrieben und eingeschickt werden. Das kostet 70 Cent Porto, weiter nichts. Wir haben hervorragende Juristen, die uns vertreten. Auch diese Möglichkeit, denke ich, könnte zum Erfolg führen.

 

Frau Strasser, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Maritta Strasser & Theresa Brüheim
Maritta Strasser koordiniert den Bereich Campaigning bei Campact. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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