Für einen fairen Welthandel

Globalisierung durch CETA sozial und ökologisch gestalten

Die wirtschaftliche Globalisierung hat sich enorm beschleunigt. Sie durchdringt nahezu alle Wirtschaftsbereiche, aber auch die Lebensbereiche der Menschen. Haupttreiber der Beschleunigung sind vor allem die voranschreitende Digitalisierung und die internationale Handelspolitik. Zugleich wurden Zölle und technische Handelshemmnisse durch weitreichende Marktliberalisierungen massiv abgebaut und der weltweite Wettbewerb enorm forciert. In Folge haben sich die weltweiten Handels- und Investitionsströme seit Ende der 1980er Jahre verzehnfacht.
Die positiven Errungenschaften der globalen Verflechtung sind nicht mehr wegzudenken, zu sehr prägen sie unseren wirtschaftlichen und kulturellen Alltag. Die Wohlfahrtsgewinne sind enorm. Zugleich hat sich durch den verschärften Wettbewerb der Druck auf Einkommen und Arbeitsbedingungen massiv erhöht. Dies gilt für Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), aber auch für die zum Teil katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Ländern der Dritten Welt und den sogenannten BRICS-Staaten. Immer stärker wird der erhöhte Wettbewerbsdruck auf dem Rücken der Beschäftigten abgeladen und Sozialstandards geraten unter wachsenden Druck. Zudem sind die Wohlfahrtsgewinne extrem ungleich verteilt. Während das reichste Prozent der Weltbevölkerung deutlich von der Globalisierung profitiert, stagnieren für weite Teile der Mittelklasse in den Industrieländern die Einkommen und die ärmsten fünf Prozent der Weltbevölkerung verzeichnen sogar Realeinkommensverluste.

 

Die Entgrenzung der Märkte erfordert einen grundlegenden politischen Kurswechsel in Richtung einer sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung. Der Rückfall in nationale Kleinstaaterei oder in einen neuen Protektionismus ist keine Lösung – im Gegenteil. Abschottung und Renationalisierung verschärfen die globalen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen. Gerade der EU kommt eine besondere Verantwortung für den dringend notwendigen Politikwechsel zu. Während die TTIP-Verhandlungen auf der Stelle treten, ist immerhin in das Abkommen mit den Kanadiern Bewegung gekommen. Diese Chance sollte genutzt werden.

 

Aus gewerkschaftlicher Perspektive, das haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) seit Jahren mit Nachdruck gefordert, brauchen wir mehr fairen Welthandel, wenn der Irrweg in nationale Kleinstaaterei verhindert werden soll. Dazu gehören – neben transparenten Verhandlungen und demokratischer Beteiligung der nationalen Parlamente – erstens die Anerkennung der Kernarbeitsnormen der ILO, zweitens keine Investitionsschutzkapitel mit privaten Schiedsgerichten und drittens der Schutz öffentlicher Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. In diesen drei Kernbereichen zeichnet sich bei den TTIP-Verhandlungen keinerlei Fortschritt ab. Vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen wird sich dies kaum ändern. Gerade deshalb sollte die Chance genutzt werden, beim CETA-Abkommen einen Durchbruch zu erzielen. Die Ausgangslage ist günstig. Während das CETA-Abkommen von der alten kanadischen Regierung unter dem konservativen Regierungschef Stephen Harper verhandelt wurde, der bei den Wahlen im Oktober 2015 abgewählt wurde, hat sich der neue kanadische Premierminister Justin Trudeau neu positioniert. Er will nicht nur einen klaren Kurswechsel in der kanadischen Wirtschafts- und Sozialpolitik, ihm liegt auch an einem neuen transatlantischen Verhältnis mit der EU und er ist offensichtlich daran interessiert, sich von den USA abzusetzen, indem er sich deutlich für fortschrittliche Regeln und Standards in internationalen Handelsabkommen ausspricht. Auch die EU-Kommission hat bereits seit dem Sommer 2014 unter Führung von Jean Claude Junker eine neue Führungsmannschaft. Verhandelt wurde das CETA-Abkommen unter Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso von dem konservativen Handelskommissar Karel de Gucht, der in keiner Weise an einer neuen Handelspolitik interessiert war. Bei seiner Nachfolgerin Cecilia Malmström, die nun zuständig ist, handelt es sich um einen anderen Politikertyp. Die neue Handelskommissarin ist zumindest offen für einen Kurswechsel. Nach den Protesten im Herbst 2015 hat sie eine neue, moderne europäische Handelsstrategie angekündigt. Wenn sie Wort halten und die EU eine seit Langem notwendige Politik für mehr fairen Welthandel vorantreiben will, muss sie die Chance, die sich mit der neuen kanadischen Regierung bietet, ernsthaft nutzen. Die eigentlichen Bremser sitzen nämlich derzeit in der Generaldirektion Handel der EU-Kommission. Angesichts der schlechten Verfassung der EU böte ein erfolgreicher Abschluss der CETA-Gespräche zugleich die Chance, Vertrauen bei den EU- Bürgern zurückzugewinnen. Ob dies gelingt, ist keineswegs ausgemacht. Denn zentrale Voraussetzung für mehr Vertrauen der Bürger ist ein Mitspracherecht der nationalen Parlamente bei der Ratifizierung des Abkommens. Die EU-Kommission hat das viel zu lange ignoriert. Noch im Juli konnte sie nur unter massiven Druck davon abgehalten werden, das CETA-Abkommen als „EU only-Abkommen“ durchzupeitschen. Hoffnungsvoll stimmt hingegen, dass die neue kanadische Regierung signalisiert hat, sie bleibe weiterhin für Änderungen in dem als „ausverhandelt“ geltenden Handelsabkommen offen.

Reiner Hoffmann
Reiner Hoffmann ist Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
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