Zurück in die Zukunft

Nachhaltige Architektur in Westafrika

 

Wie für sein Schulprojekt in Gando, wird er für das Institut in Dakar sogenannte BTC-Ziegel verwenden: Komprimierte Erdziegel, ein traditionelles Material in zeitgemäßem Gewand. Die Verwendung lokaler Baumaterialien ist sowohl ökologisch als auch klimatechnisch sinnvoll, darin sind sich Kéré und das Goethe-Institut in Senegal einig.

 

Eine wachsende Zahl von Unternehmen in Westafrika widmet sich solchen innovativen Formen von Erd- und Lehmziegeln. Das senegalesische Unternehmen Elementerre bietet BTC-Ziegel an, wie sie Kéré für das neue Institut verwenden wird. Eine weitere Variante sind Typha-Lehmziegel, die besonders gute Dämmeigenschaften haben und daher zur Dacheindeckung angewendet werden. Auch andere afrikanische Länder produzieren ihre Lehmziegel-Varianten. So fördert das südafrikanische Unternehmen Hydraform laut Mboub den Einsatz von BTC- und Moladi-Technologien in Westafrika, bei der Kunststoffplatten mit Erde gefüllt werden.

Diese Technologien bahnen den Weg für eine „hybride und intelligente Architektur zwischen Tradition und Moderne“, sagt der UNESCO-Experte Pierre Wenzel, indem sie die Verwendung von Erde in modernen, urbanen Konstruktionen überhaupt möglich machen. Statt als altertümlich abgetan zu werden, erlaubt dieses uralte Material damit moderne Architektur im alten Stil, ohne qualitative oder komfortable Abstriche. In Dakar sind Hotels wie „Le Djoloff“ und „Onomo“ Vorreiter eines modernen Lehmbaus für ein gehobenes internationales Klientel.

 

Auch für Francis Kéré geht die Botschaft des neuen Goethe-Instituts in Dakar weit über die Frage nach Baumaterialien hinaus: „Das Design steht auf mehreren Ebenen für die Werte, die das Goethe-Institut und ich teilen“, bemerkt Kéré. „Bei den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz bin ich nicht nur auf offene Ohren gestoßen, sondern wurde dazu aufgefordert, noch weiter zu gehen.“ Das Resultat ist nicht nur nachhaltig, es ist modern – unter anderen wird es Platz für rund 600 Studentinnen und Studenten und viel zeitgemäße Technologie geben.

 

Aber es ist durch sein Design, und nicht zuletzt durch die Lehmbau- und bioklimatischen Techniken, auch verwurzelt in der Geschichte und Kultur Senegals. „Das Goethe-Institut ist im Kern ein Begegnungsort, an dem Austausch und Verständnis über Grenzen und Unterschiede hinweg gefördert werden“, so Kéré weiter. „Darin erkenne ich meine eigene Arbeit als Architekt wieder, denn dies sind die Grundwerte, die meine Gebäude seit jeher prägen.“

 

Das Goethe-Institut gibt es im Senegal seit 1978. Mit dem neuen Gebäude wird sich auch die Arbeitsweise des Instituts verändern, betont sein Leiter Philip Küppers: „Für unsere Bibliothek haben wir ein neues Konzept entworfen, das die Bedürfnisse von Oralität und Literalität verbindet. Im Zentrum entsteht ein Diskussionskreis, der umgeben ist von einer Mischung aus Bücherregalen, kleinen Tonstudios zur Dokumentation des oralen Kulturerbes sowie digitalen Arbeitsplätzen.“ Man greife auch die örtlichen Begebenheiten auf – etwa den Baobab-Baum, der im Innenhof des Instituts stehe. Dieser ist in der senegalesischen, oralen Kultur traditionell der Ort, an dem sich die Ortsgemeinschaft trifft, in dessen Schatten diskutiert wird, Entscheidungen für die Zukunft verhandelt werden. Diese Symbolik wird sich durch das gesamte Institut ziehen.

 

Folgt man der Lehre der Ekistik, die Goethe selbst studiert haben dürfte, könnte man sich fast fragen, wieso eine Kultureinrichtung wie das Goethe-Institut erst jetzt ihr eigenes Gebäude plant. Schon die alten Griechen wussten, dass man Kultur und Architektur nicht trennen kann. „Wir können es uns nicht mehr erlauben, Lebensstil und Bauweise des Westens zu kopieren“, sagt Francis Kéré. Unterstützt werden Kéré und junge Architekten wie Nzinga Mboub nicht zuletzt von den Vereinten Nationen selbst, die es sich mit der Agenda 2030 zum Auftrag gemacht haben, ihr städtisches Erbe zu schützen. In Dakar ist die UNESCO auch Partner in einer Reihe von kulturellen Angeboten, die den Neubau des Goethe-Institutes bis zur Fertigstellung Ende 2022 thematisch begleiten.

 

„Sprichwörtliche Krönung“ des Projektes ist für Francis Kéré das Dach: „Wie die Krone eines Baumes spendet diese Struktur Schatten und Schutz. Hier kann man sich treffen oder auch einfach zur Ruhe kommen.“ Wo besser könnten Akteure und Studierende ihr Wissen über traditionelle und moderne Architektur in Westafrika erweitern, Ideen für eine nachhaltigere Zukunft austauschen und Pläne schmieden. Eine „Gelegenheit zum Träumen“, wie es in der Broschüre zum neuen Goethe-Institut heißt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Ruth Helmling
Ruth Helmling ist gelernte Journalistin und Weltenbummlerin. Seit einem guten Jahrzehnt bereist sie als Seefahrerin und Kapitänin die sieben Weltmeere. Nachhaltigkeit liegt ihr sehr am Herzen – zu Land wie auch zu Wasser.
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