Hoher Zukunftswille

Die Arbeit des Goethe-Instituts in Afrika

„Weltweit fehlt es an neuen Inhalten. Wir sind davon überzeugt, dass Afrika genau diese Inhalte liefern kann“, gibt sich Dagmawi Bedilu auf der Gamescom selbstbewusst. Der Software-Entwickler aus Äthiopien ist einer der Vordenker von „Enter Africa“, einer länderübergreifenden afrikanischen Gaming-Initiative, die sich im August auf der Kölner Spielemesse vorgestellt hat. Spieleentwickler, Künstlerinnen, Stadtplaner, Architektinnen und Ingenieure aus 15 afrikanischen Ländern sind 2017 dem Aufruf des Goethe-Instituts Addis Abeba gefolgt, gemeinsam digitale Spiele zu entwickeln, die das Bewusstsein für die Herausforderungen der Megastädte auf ihrem Kontinent spielerisch stärken sollen. So kämpft ein digitaler Held gegen ein Müllmonster auf der weltgrößten Elektroschrotthalde Agbogloshie in Ghana, die „Maske des Lichts“ rettet die Trinkwasserversorgung in Dakar.

 

„Enter Africa“ ist ein Beispiel für die Arbeit der Goethe-Institute im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft in Afrika. Die Gaming-Initiative weist in die Zukunft und verdeutlicht die hohe Kreativität und den Erneuerungswillen junger Afrikanerinnen und Afrikaner. Die Spielideen greifen gesellschaftliche Fragen auf; gleichzeitig ist die Gaming-Industrie auch in Afrika ein wachsender Sektor der Kreativwirtschaft. Diese Schnittstelle zwischen Kulturpolitik und Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit der 15 afrikanischen Goethe-Institute, davon 2 Verbindungsbüros. Den Austausch im Bereich zeitgenössischer Kultur zu befördern, Freiräume zu schaffen für zivilgesellschaftliche Akteure, die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, Bildungsprogramme insbesondere für junge Frauen und natürlich das Erlernen der deutschen Sprache als möglicher Zugang zu Studium und Beruf – das sind weitere wichtige Arbeitsfelder unseres weitverzweigten Netzwerks, das auch Goethe-Zentren, Sprachlernzentren und unzählige Partnerinstitutionen aus Kultur und Bildung vor Ort einschließt.

 

Der afrikanische Kontinent umfasst 55 Länder und hat 1,3 Milliarden Einwohner. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 18 Jahren. Der Kontinent ist jung, dynamisch und vielfältig. Die Bevölkerungszahl Afrikas soll sich bis Mitte des 21. Jahrhunderts mindestens verdoppeln. Dabei ist die heranwachsende Jugend zunehmend kritisch und sucht sich ihre Vorbilder fernab der politischen Eliten. Gerade in den Bereichen Kultur, Bildung und Gesellschaft formulieren die jungen Akteure stringent ihre eigenen Interessen gegenüber der Politik und internationalen Gebern. Strukturellen Defiziten begegnen viele mit innovativer Selbstorganisation.

 

Trotz gesellschaftlicher Herausforderungen wie Analphabetismus, ungleicher Verteilung von Reichtum und zahlreichen Krisen ist der Zukunftswille in Afrika hoch. Deutlich zeigt sich dies im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Start-up-Szene in Afrika wächst kontinuierlich und ist durch eine junge, aufstrebende Gründerszene gekennzeichnet. Besonders im Bereich Digitalisierung entstehen in Afrika zukunftsfähige Ideen, die den Alltag und auch die Mobilität in afrikanischen Städten erleichtern wollen.

 

Dabei verblasst Europa zunehmend als Referenzsystem. Pan-afrikanische Dialoge und der sogenannte Süd-Süd-Dialog gewinnen an Bedeutung, um die eigene Geschichte und Vergangenheit zu bewältigen und klare afrikanische Positionen zu entwickeln. Auf diesem Weg ist die Auseinandersetzung mit postkolonialen Fragestellungen und den Machtverhältnissen zwischen Norden und Süden von großer Bedeutung.

 

Dies zeigt sich derzeit wohl am stärksten in den – vorwiegend aus europäischer Perspektive – geführten Diskussionen zur Restitution von Kulturgütern und zur kolonialen Vergangenheit. Eine zentrale Aufgabe sieht das Goethe-Institut darin, Stimmen aus afrikanischen und anderen ehemaligen Kolonialländern in diesen Diskurs einzubringen und Plattformen zu schaffen, in deren Rahmen eigene afrikanische Zukunftskonzepte entwickelt werden können. Ein Beispiel sind die „Museumsgespräche“, bei denen das Goethe-Institut Verantwortliche des gesamten Kontinents versammelt, um über die Zukunft afrikanischer Museen zu diskutieren. Die Ergebnisse wurden gerade in Namibia auf einer Abschlusskonferenz zusammengeführt: ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Museumsprojekte der Goethe-Institute und ihrer afrikanischen Partner.

 

Projekte wie die „Museumsgespräche“ und „Enter Africa“ verdeutlichen einen anderen Aspekt der kolonialen Vergangenheit: Die nationalstaatliche Gliederung Afrikas erschwert die Mobilität und die Begegnung über Grenzen hinweg, die angesichts eines globaler werdenden Kultur- und Bildungsbetriebs und des Entstehens neuer afrikanischer Netzwerke immer wichtiger werden. Mobilitätsprogramme wie „Moving Africa“, das seit Beginn der vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ausgerufenen Afrika-Initiative Vernetzungsreisen afrikanischer Kulturschaffender fördert, sind eine Möglichkeit, hier zu unterstützen. Immer wichtiger sind hier auch Plattformen des kulturellen Austausches: Bei „Music in Africa“ – einer von Siemens-Stiftung und Goethe-Institut initiierten Musikplattform – liegen die inhaltliche Gestaltung und unternehmerischen Entscheidungen bei der gleichnamigen afrikanischen Stiftung; die deutschen Partner bringen die Akteure zusammen, bieten Räume, Logistik und Beratung an. „Music in Africa“ ist ein besonders erfolgreiches Beispiel dieses Formats. Die Plattform vernetzt Musiker, Expertinnen und Veranstalter in 38 Ländern des afrikanischen Kontinents, ermöglicht Konzerte oder veranstaltet Workshops. Sie verbindet die Musikszene Afrikas über den ganzen Kontinent hinweg.

Johannes Ebert
Johannes Ebert ist Generalsekretär des Goethe-Instituts.
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