Afrika: Neue Bilder, neue Wahrnehmungen, neue Zugänge

Kunst- und Kulturmärkte für afrikanische Künstlerinnen und Künstler öffnen

Bilder vom afrikanischen Kontinent in den Medien sind sehr oft Bilder von Hunger, von Krieg, von Not, von Korruption, von Krankheit, von Diktatoren, von verheerenden Folgen des Klimawandels und anderen Schrecknissen. Sehr selten nur werden erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer gezeigt, kaum ist die Rede von vielversprechenden, kreativen Entwicklungen, wenig wird von Innovationen gesprochen und kaum ist von einem afrikanischen Binnenmarkt und vom Export originär afrikanischer Güter und Dienstleistungen die Rede. So verfestigt sich das Bild eines traurigen Kontinents, der von Entwicklungshilfe abhängig ist, der wirtschaftlich ausgebeutet wird und allenfalls als Billiglohnland für unsere Produktionen taugt.

 

Es ist dringend erforderlich den bestehenden Bildern andere entgegenzusetzen. Afrika ist ein Kontinent von 30,2 Millionen Quadratkilometern – Europa ist demgegenüber winzig. Die afrikanische Bevölkerung beträgt zurzeit 1,3 Milliarden Menschen – Tendenz steigend. In Afrika bestehen derzeit 55 Staaten – einige davon seit Jahrzehnten durch Bürgerkriege geprägt. Der afrikanische Kontinent reicht geografisch von den nordafrikanischen, an das Mittelmeer grenzenden Staaten im Norden, über die großen Wüsten der Sahara und Sahelzone, den weiten Savannen, der Tropenzone bis hin zu den gemäßigten Zonen im Süden – umtobt vom indischen und atlantischen Ozean. Afrika ist die Wiege der Menschheit. Die ersten modernen Menschen entdeckten von Afrika aus die Welt. Sie waren neugierig, wissenshungrig, abenteuerlustig – sonst hätten sie den Weg in das Unbekannte nicht angetreten. Und heute?

 

Heute besteht in verschiedenen afrikanischen Ländern eine innovative, kreative Szene. Nollywood in Nigeria ist nach Bollywood in Indien der zweitgrößte Filmproduktionsstandort weltweit. Es beststeht beispielsweise in Äthiopien eine lebendige Gameswirtschaft. Populäre afrikanische Musik findet ihren innerafrikanischen Markt. In der Literatur wird sich mit der kolonialen Vergangenheit und dem Leben heute auseinandergesetzt. Junge Modedesignerinnen und -designer entwickeln eine eigene Modesprache und drängen in die Haute Couture.

 

Afrika ist ein Kontinent voller Innovationen, wir müssen unsere Augen nur öffnen. Und es ist ein Kontinent, der zunehmend seinen eigenen Weg sucht – nicht mehr nur mit Blick auf die ehemaligen Kolonialherren, sondern vielmehr mit Blick auf sich und die eigenen Chancen. In der letzten Ausgabe von Politik & Kultur hat Fidon Mwombeki die Agenda 2063 der Afrikanischen Union „The Africa We Want“ vorgestellt. In der Agenda 2063 haben sich die Staaten der Afrikanischen Union eigene Entwicklungsziele entlang der UN-Agenda 2030 gesetzt – für eine nachhaltige Entwicklung des afrikanischen Kontinents.

 

Zu einer nachhaltigen Entwicklung gehören auch die wirtschaftliche Entwicklung und der Zugang zum Weltmarkt. Der Deutsche Kulturrat hat sich 2015 vehement gegen das TTIP-Abkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen Europa und den USA gestemmt. Es ging dabei zum einen um den Schutz der europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft sowie den öffentlichen Kultursektors vor US-amerikanischen Konzernen. Besonders ging es darum, den mächtigen US-amerikanischen Digitalkonzernen, die am liebsten eine neue Güterkategorie der Digitalgüter etabliert hätten, Einhalt zu gebieten. Zum anderen richtete sich der Protest explizit gegen ein weiteres Abdrängen der Länder des globalen Südens aus den internationalen Handelsströmen.

 

Im Jahr 2005 wurde das UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, kurz Konvention Kulturelle Vielfalt, verabschiedet. Binnen zwei Jahren wurde es von so vielen Staaten ratifiziert, dass es 2007 in Kraft gesetzt wurde. Ursprünglich sollte die ein Gegengewicht zur weiteren Liberalisierung der Märkte bilden, wie sie von der Welthandelsorganisation vorangetrieben wurde. Dieses konnte letztlich nicht eingelöst werden. Geblieben ist aber eine entwicklungspolitische Komponente, dass nämlich die Kultur- und Kreativwirtschaft aus den Ländern des globalen Südens einen besseren Zugang zu den Märkten in den westlichen Industrieländern erhalten soll. Leider gerät diese Komponente der Konvention Kulturelle Vielfalt allzu oft in Vergessenheit. Zumeist wird die Konvention Kulturelle Vielfalt nur als Schutzinstrument für die inländische Kulturszene gesehen. Um sie tatsächlich mit Leben zu erfüllen, gilt es aber die entwicklungspolitische Komponente mitzudenken und den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft beispielsweise aus den afrikanischen Ländern einen besseren Zugang zum europäischen Kunst- und Kulturmarkt zu ermöglichen.

 

Zugleich geht es auch darum, in afrikanischen Ländern zu investieren, Künstlerinnen und Künstlern mit Stipendien Arbeitsmöglichkeiten in Europa zu ermöglichen, den Kulturaustausch zu fördern und die Ausbildungssituation zu verbessern. Die Entwicklungshilfe, ein wenig erfolgreiches und deshalb eher überholtes Konzept, hat sich viel zu lange hauptsächlich mit dem Bauen von Brunnen und mit landwirtschaftlichen Anbaumethoden befasst. Unterstützung auf Augenhöhe, heißt im Kulturbereich z. B., Know-how im Urheberrecht vermitteln und die Gründung und vor allem der Etablierung von Start-ups zu fördern, Vermarktungsplattformen zu begleiten und gerade jene mutigen Künstlerinnen und Künstler, Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen, die in autoritär regierten Ländern künstlerisch oder journalistisch arbeiten und verfolgt sowie bedroht werden.

 

Ich selbst durfte Anfang der 1990er Jahre für die Heinrich-Böll-Stiftung in Köln ein internationales Künstlerförderungsprojekt initiieren. Die in Nigeria lebende Volksgruppe der Yoruba schafft faszinierende Batikkunst, deren Bildsprache mittlerweile in die Mode weltweit eingezogen ist. In Kooperation mit Ulli Beier, Iwalewahaus in Bayreuth, wurde damals ein erfolgreiches Programm zur Weitergabe des künstlerischen Wissens in Kunstschulen entwickelt, wenn die Überlieferung innerhalb einer Familie, von Generation zu Generation, abgebrochen war.

 

Der Schwerpunkt „Kultur- und Kreativwirtschaft in Afrika“ ist in Kooperation mit den Goethe Institut entstanden. Danke für die hervorragende Zusammenarbeit!

 

Ich bin mir sicher, dass wir alle davon profitieren werden, wenn wir unsere Kunst- und Kulturmärkte für Künstlerinnen und Künstler aus Afrika weit öffnen und auch mehr europäische Kulturunternehmen in Afrika aktiv werden. Ideen, Kunst, Kunsthandwerk, Texte, Bilder, Musik, Filme, Games und anderes mehr aus Afrika wartet auf unsere Entdeckung.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

 

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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