Johannes Ebert - 25. September 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kultur- & Kreativwirtschaft in Afrika

Hoher Zukunftswille


Die Arbeit des Goethe-Instituts in Afrika

„Weltweit fehlt es an neuen Inhalten. Wir sind davon überzeugt, dass Afrika genau diese Inhalte liefern kann“, gibt sich Dagmawi Bedilu auf der Gamescom selbstbewusst. Der Software-Entwickler aus Äthiopien ist einer der Vordenker von „Enter Africa“, einer länderübergreifenden afrikanischen Gaming-Initiative, die sich im August auf der Kölner Spielemesse vorgestellt hat. Spieleentwickler, Künstlerinnen, Stadtplaner, Architektinnen und Ingenieure aus 15 afrikanischen Ländern sind 2017 dem Aufruf des Goethe-Instituts Addis Abeba gefolgt, gemeinsam digitale Spiele zu entwickeln, die das Bewusstsein für die Herausforderungen der Megastädte auf ihrem Kontinent spielerisch stärken sollen. So kämpft ein digitaler Held gegen ein Müllmonster auf der weltgrößten Elektroschrotthalde Agbogloshie in Ghana, die „Maske des Lichts“ rettet die Trinkwasserversorgung in Dakar.

 

„Enter Africa“ ist ein Beispiel für die Arbeit der Goethe-Institute im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft in Afrika. Die Gaming-Initiative weist in die Zukunft und verdeutlicht die hohe Kreativität und den Erneuerungswillen junger Afrikanerinnen und Afrikaner. Die Spielideen greifen gesellschaftliche Fragen auf; gleichzeitig ist die Gaming-Industrie auch in Afrika ein wachsender Sektor der Kreativwirtschaft. Diese Schnittstelle zwischen Kulturpolitik und Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit der 15 afrikanischen Goethe-Institute, davon 2 Verbindungsbüros. Den Austausch im Bereich zeitgenössischer Kultur zu befördern, Freiräume zu schaffen für zivilgesellschaftliche Akteure, die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus, Bildungsprogramme insbesondere für junge Frauen und natürlich das Erlernen der deutschen Sprache als möglicher Zugang zu Studium und Beruf – das sind weitere wichtige Arbeitsfelder unseres weitverzweigten Netzwerks, das auch Goethe-Zentren, Sprachlernzentren und unzählige Partnerinstitutionen aus Kultur und Bildung vor Ort einschließt.

 

Der afrikanische Kontinent umfasst 55 Länder und hat 1,3 Milliarden Einwohner. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei 18 Jahren. Der Kontinent ist jung, dynamisch und vielfältig. Die Bevölkerungszahl Afrikas soll sich bis Mitte des 21. Jahrhunderts mindestens verdoppeln. Dabei ist die heranwachsende Jugend zunehmend kritisch und sucht sich ihre Vorbilder fernab der politischen Eliten. Gerade in den Bereichen Kultur, Bildung und Gesellschaft formulieren die jungen Akteure stringent ihre eigenen Interessen gegenüber der Politik und internationalen Gebern. Strukturellen Defiziten begegnen viele mit innovativer Selbstorganisation.

 

Trotz gesellschaftlicher Herausforderungen wie Analphabetismus, ungleicher Verteilung von Reichtum und zahlreichen Krisen ist der Zukunftswille in Afrika hoch. Deutlich zeigt sich dies im Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Start-up-Szene in Afrika wächst kontinuierlich und ist durch eine junge, aufstrebende Gründerszene gekennzeichnet. Besonders im Bereich Digitalisierung entstehen in Afrika zukunftsfähige Ideen, die den Alltag und auch die Mobilität in afrikanischen Städten erleichtern wollen.

 

Dabei verblasst Europa zunehmend als Referenzsystem. Pan-afrikanische Dialoge und der sogenannte Süd-Süd-Dialog gewinnen an Bedeutung, um die eigene Geschichte und Vergangenheit zu bewältigen und klare afrikanische Positionen zu entwickeln. Auf diesem Weg ist die Auseinandersetzung mit postkolonialen Fragestellungen und den Machtverhältnissen zwischen Norden und Süden von großer Bedeutung.

 

Dies zeigt sich derzeit wohl am stärksten in den – vorwiegend aus europäischer Perspektive – geführten Diskussionen zur Restitution von Kulturgütern und zur kolonialen Vergangenheit. Eine zentrale Aufgabe sieht das Goethe-Institut darin, Stimmen aus afrikanischen und anderen ehemaligen Kolonialländern in diesen Diskurs einzubringen und Plattformen zu schaffen, in deren Rahmen eigene afrikanische Zukunftskonzepte entwickelt werden können. Ein Beispiel sind die „Museumsgespräche“, bei denen das Goethe-Institut Verantwortliche des gesamten Kontinents versammelt, um über die Zukunft afrikanischer Museen zu diskutieren. Die Ergebnisse wurden gerade in Namibia auf einer Abschlusskonferenz zusammengeführt: ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Museumsprojekte der Goethe-Institute und ihrer afrikanischen Partner.

 

Projekte wie die „Museumsgespräche“ und „Enter Africa“ verdeutlichen einen anderen Aspekt der kolonialen Vergangenheit: Die nationalstaatliche Gliederung Afrikas erschwert die Mobilität und die Begegnung über Grenzen hinweg, die angesichts eines globaler werdenden Kultur- und Bildungsbetriebs und des Entstehens neuer afrikanischer Netzwerke immer wichtiger werden. Mobilitätsprogramme wie „Moving Africa“, das seit Beginn der vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier ausgerufenen Afrika-Initiative Vernetzungsreisen afrikanischer Kulturschaffender fördert, sind eine Möglichkeit, hier zu unterstützen. Immer wichtiger sind hier auch Plattformen des kulturellen Austausches: Bei „Music in Africa“ – einer von Siemens-Stiftung und Goethe-Institut initiierten Musikplattform – liegen die inhaltliche Gestaltung und unternehmerischen Entscheidungen bei der gleichnamigen afrikanischen Stiftung; die deutschen Partner bringen die Akteure zusammen, bieten Räume, Logistik und Beratung an. „Music in Africa“ ist ein besonders erfolgreiches Beispiel dieses Formats. Die Plattform vernetzt Musiker, Expertinnen und Veranstalter in 38 Ländern des afrikanischen Kontinents, ermöglicht Konzerte oder veranstaltet Workshops. Sie verbindet die Musikszene Afrikas über den ganzen Kontinent hinweg.

„Music in Africa“ oder die Filmplattform „ciniDB.africa“, die im November mit wichtigen Impulsen der vom Auswärtigen Amt geförderten Studie „Framing the Shot – Key Trends in African Film“ gelauncht wird – das sind Projekte, die sowohl außenkulturpolitische Aspekte von Begegnung, Verständigung und inhaltlicher Auseinandersetzung als auch Gesichtspunkte von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit in sich vereinen – ganz im Sinne der vom Europäischen Parlament verwendeten Definition: „Kultur- und Kreativindustrien basieren auf kulturellen Werten, kultureller Diversität, individueller und/oder kollektiver Kreativität, Fertigkeiten und Talenten mit dem Potenzial, Innovation, Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen, indem sie sozialen und ökonomischen Wert generieren.“

 

In diesem Sinne sind auch die Projekte zu sehen, die das Goethe-Institut im Bereich der Kreativwirtschaft aufgelegt hat. Der Grundgedanke unserer Arbeit: Jungen Kreativunternehmerinnen und -unternehmern die Möglichkeit zu geben, vielversprechende Ideen so weit zu entwickeln, dass sie künstlerisch-kreativ wertvoll sind und sich gleichzeitig nachhaltig auf dem Markt behaupten können. Dabei richten sich unsere Aktivitäten an schöpferische und innovative Kultur- und Kreativschaffende aus den Bereichen Musik, Literatur, bildende und darstellende Kunst, Film, Architektur, (Mode-)Design und der Games-Industrie. Das Ayada Lab – in Kooperation mit dem Institut français und gefördert vom Auswärtigen Amt – bringt beispielsweise junge Unternehmerinnen und Unternehmer aus Cote d´Ivoire, Kamerun, Ghana, Nigeria und dem Senegal zusammen, um – unterstützt von erfahrenen Kulturunternehmerinnen und Mentoren – ihre Projekte zu verwirklichen. Wichtig ist dabei auch das „Capacity Building“.

 

Seit 2018 arbeitet das Goethe-Institut im Feld der Kreativindustrien auch mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zusammen. Im Rahmen des Globalvorhabens „Kultur und Kreativwirtschaft“ initiiert das Goethe-Institut in Kooperation mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Qualifizierungs- und Vernetzungsprogramme für Akteure der lokalen Kreativwirtschaftsszenen – in Südafrika, Kenia, Senegal, Jordanien, dem Libanon und dem Irak. In Südafrika beispielsweise bietet das Goethe-Institut gemeinsam mit der afrikanischen Stiftung Triggerfish Academy eine digitale Lernplattform für angehende Animationskünstlerinnen und -künstler an, im Senegal entwickelt es eine Fortbildungsakademie, um Musikakteure  und Soundtechniker zu professionalisieren, und in Kenia kooperiert es mit verschiedenen lokalen Partnern, um insbesondere junge, von Frauen geführte Kreativunternehmen in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen.

 

Darüber hinaus hat das Goethe-Institut Johannesburg vor zwei Jahren seine eigenen Türen für Kreativunternehmer geöffnet und gibt ihnen mit dem Hub@goethe die Möglichkeit, an innovativen Projekten zu arbeiten. Ziel ist eine stärkere Vernetzung der lokalen, aber auch internationalen Kreativszenen und eine gesteigerte Sichtbarkeit der jungen Kreativschaffenden bei politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern.

 

Zurück zur gamescom in Köln: Inmitten des Trubels um „Enter Africa“ haben Kirubel Habtu aus Addis Abbeba und Adfoyeke Ajayo aus Lagos das Spiel „Busara“ aufgebaut. Holzfelder, Karten und Spielanweisungen in afrikanischem Design. „Busara“ ist Swahili für Weisheit, Urteilsfähigkeit und Menschenverstand. Das Spiel – irgendwo angesiedelt zwischen Monopoly und Siedler – bildet die Herausforderungen und Chancen, den Reichtum und die Hoffnung ab, die die Spieleentwickler aus ihren Ländern mitbringen, um eine lebenswerte Gesellschaft zu erschaffen. Vielleicht sollte man „Busara“ spielen, um einen tieferen Einblick in die aktuellen Fragestellungen des afrikanischen Kontinents zu erhalten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.


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