Goldgräberstimmung

Kultur- und Kreativwirtschaft als Antriebskraft für eine nachhaltige Entwicklung Afrikas

Zwischen wichtigen bereichsübergreifenden Leistungen und der Kulturwirtschaft klafft häufig eine große Lücke: Die Allgemeinbildung und Kunsterziehung sind ebenso unzureichend wie die Urheberrechtssituation; die Stromversorgung ist suboptimal, die Kosten der Datenübertragung sind hoch, und die Möglichkeiten für öffentlich-private Partnerschaften sind begrenzt. Auf politischer Ebene gibt es hinsichtlich der kulturellen Wertschöpfungskette zu wenig Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ministerien, die Entwicklungsprozesse anstoßen und vorantreiben könnte: Dies beeinträchtigt ganz wesentlich die Fähigkeit afrikanischer Regierungen, den wahren Wert ihrer Kulturökologie zu erkennen und sich zunutze zu machen.

 

Eine Reihe lokaler Initiativen verdient besondere Unterstützung und Nachahmung:

  • Stadtverwaltungen sollten dem Beispiel von Kapstadt, Accra, Nairobi und Dakar folgen und eine aktive Rolle bei der Entwicklung von Kulturpolitik spielen. Angesichts der Tatsache, dass afrikanische Städte bereits jetzt mehr als die Hälfte des gesamten Bruttoinlandsprodukts auf dem afrikanischen Kontinent erbringen, können die Kulturpolitik sowie Strategien der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht länger ausschließlich die Aufgabe nationaler Regierungen sein.
  • Im städtischen Bereich sollte mehr Bürgern und Einwohnern eine Mitwirkung ermöglicht werden, und die Gründung von Partnerschaften zwischen Kulturzentren und Stadtverwaltungen, wie z. B. das GoDown-Kunstzentrum in Nairobi, sollte unterstützt werden.
  • In vielen der wichtigen Zentren Afri­kas sollte die Entstehung von Talent-Clustern gefördert werden, die Technologen sowie Unternehmer im Kunst-, Kreativ- und Sozialbereich anziehen.
  • Das für die Kulturwirtschaft benötigte und entsprechend ausgebildete Humankapital sollte mithilfe von Partnerschaften zwischen dem Dienstleistungs- und Kultursektor Unterstützung erfahren.

 

Auf der Afrika-Tagung des Weltwirtschaftsforums, die im September 2019 in Südafrika stattfand, wurde auf die Bedeutung einer stärkeren wirtschaftlichen Verflechtung auf unserem Kontinent hingewiesen. Dies ist wichtig für das Wachstum und die Stärkung der Kulturwirtschaft in Afrika, insbesondere wenn dies die Mobilität der Menschen erleichtert. Es ist an der Zeit, die Wertschöpfungsketten der Kultur- und Kreativwirtschaft neu zu definieren, und zwar nicht spezifisch für jedes Land, sondern im Sinne regionaler Wertschöpfungsketten, die sich der Stärken unterschiedlicher afrikanischer Länder bedienen. Es geht hier nicht so sehr darum, dass das „unerschlossene Potenzial“ der Kulturwirtschaft eine neue Entwicklungsrichtung vorgibt oder den wirtschaftlichen Reichtum Afrikas sichert, sondern darum anzuerkennen, dass die Kulturwirtschaft in Afrika mit staatlicher Unterstützung, durch Mitwirkung der Zivilgesellschaft und auf Grundlage eines tiefgreifenden Verständnisses für einheimische kulturelle Ausdrucksformen als ein strategischer Wegbereiter und als eine wesentliche Antriebskraft für eine nachhaltige Entwicklung auf dem Kontinent fungieren kann. Die Regierungen in den afrikanischen Ländern dürfen sich daher nicht nur auf die logistische, finanzielle, regulatorische und institutionelle Unterstützung der Kulturwirtschaft im eigenen Land konzentrieren, sondern müssen bereit sein, bereits bestehende Arbeitsbeziehungen zwischen afrikanischen Ländern mit dem Ziel einer grenzüberschreitenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Integration weiter auszubauen, um die regionalen Wertschöpfungs-Netzwerke innerhalb der Kulturwirtschaft zu stärken.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

 

Avril Joffe
Avril Joffe leitet die Fakultät für Kulturpolitik und -management an der Wits School of Arts in Johannesburg in Südafrika.
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